Hauptbild
Hauptrubrik
Banner Full-Size

GEMA – Klare Fakten aus erster Hand? Ein Arbeitsgerichts-Urteil und seine Interpretationen

Autor
Publikationsdatum
Body

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg in Sachen "GEMA-Diskriminierung von Frauen bei der Beförderung" vom 26.11.2008 (die nmz berichtete hier ausführlich) ist in der Gänze zunächst aufgehoben worden. Die GEMA feiert das als „Sieg“ (siehe gestrige Presseerklärung unten). Aber in wesentlichen Aussagen sieht sich die Klägerin bestätigt – und kämpft weiter.

Zunächst die Stellungnahme des Anwaltes der Klägerin Hans-Georg Kluge, Berlin, zum Urteil:

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Juli 2010 stellt aus Sicht der Klägerin und des sie vertretenden Unterzeichners einen wichtigen Zwischen-Erfolg auf dem Weg zu einem endgültigen Sieg in diesem Verfahren dar. Entgegen der in der gestrigen Presseerklärung von der beklagten Verwertungsgesellschaft GEMA vertretenen Ansicht hat das Bundesarbeitsgericht in der mündlichen Begründung seiner Entscheidung durch den Vorsitzenden Richter Friedrich Hauck die Verwertung der vom Landesarbeitsgericht  herangezogenen statistischen Daten (bei der GEMA  waren zum Zeitpunkt der der Klägerin nachteiligen Beförderungsentscheidung zugunsten eines männlichen Mitarbeiters  auf den oberen Hierarchiebenen, auf die die Klägerin gern gelangt wäre, alle 27 Positionen von Männern besetzt)  dem Grunde nach bejaht. Es hat lediglich insofern eine „Nacharbeit“ des Berliner Gerichts angemahnt, als das vom LAG verwendete „nackte Zahlenmaterial“ noch „unterfüttert“ werden müsse. Von einem eigenen Erfolg, von dem die GEMA ausgeht, kann also gar keine Rede sein.
Die Klägerin hat eine Reihe von weiteren aus ihrer Sicht für ihre Diskriminierung sprechende Indizien bereits eingebracht, die das Landesarbeitsgericht nach Auffassung des BAG „ebenfalls würdigen“ soll, was bisher noch nicht geschehen ist. Weiter hält es das BAG nach den Worten seines Vorsitzenden ebenfalls für möglich, durch ein Sachverständigengutachten, das allerdings kein soziologisches sein soll, die Vermutung der Diskriminierung der Klägerin zu belegen.
Die Klägerin wird deshalb einen bereits gestellten Beweisantrag auf Herbeiziehung eines Gutachters erneuern. Sie wird auch auf das bereits vorliegende von ihr eingeholte statistische Wahrscheinlichkeitsgutachten hinweisen, das vom Berufungsgericht ebenfalls entgegen anderslautenden Presseberichten noch nicht gewürdigt worden ist und aus dem sich ergibt, dass die mathematische Wahrscheinlichkeit, dass bei der GEMA so wenig Frauen auf die Führungsebene angelangt sind,  „keinen Zufall“ darstellen kann.
Auch wird es ihr  möglich sein, die vom BAG geforderte „Unterfütterung“ des Zahlenmaterials vorzunehmen.
Gescheitert ist die GEMA mit ihrem Versuch, die vom Landesarbeitsgericht festgestellten Mobbing-Handlungen (vgl. unten Leitsätze 10 und 11 des LAG-Urteils im Anhang) aus der Welt zu schaffen. Im Gegenteil hat das Bundesarbeitsgericht das LAG auf die Revision der Klägerin hin verpflichtet, siebzehn weitere, von der Klägerin als Teil eines Mobbing-Geschehens angesehene Einzelhandlungen von Mitarbeitern des Beklagten in seine Prüfung mit einzubeziehen, was bisher nicht geschehen war.
Ebenfalls gescheitert ist die GEMA gestern mit ihrem Versuch, eine Zurückverweisung der Rechtssache an dieselbe Kammer des Landesarbeitsgerichts zu verhindern. Das hat das BAG ausdrücklich abgelehnt. Ebenso vereitelt wurde der Versuch der Prozessbevollmächtigten der GEMA, bereits jetzt dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob ein möglicher zeitlich unbefristeter Schadensersatzanspruch der Klägerin (bis zur Rente), den das LAG bejaht hatte, zeitlich zu begrenzen. Die GEMA-Vertreter hatten diesen Vorstoß damit begründet, dass ihnen eine Vorlage durch das BAG lieber sei als durch das Landesarbeitsgericht. Die von der GEMA verbreitete Siegeszuversicht ist mit diesem gescheiterten Vorschlag nicht zu vereinbaren.
Der Unterzeichner stellt mit großem Bedauern fest, dass die GEMA durch das Vorpreschen mit einer eigenen und weitgehend unzutreffenden Presseerklärung den Wunsch des Bundesarbeitsgerichts, eigenwillige Interpretationen seines Urteils zu verhindern, vereitelt hat. Der 8. Senat hat aus gutem Grund von einer Presseerklärung in dieser Sache abgesehen, was regelmäßig dann geschieht, wenn Bewertungen einer Entscheidung voreilig wären. Der Unterzeichner hätte den Wunsch des BAG selbstverständlich respektiert, sieht aber nach der Presseerklärung der GEMA keine andere Möglichkeit der öffentlichen Klarstellung.
Gez. Hans-Georg Kluge
Der Unterzeichner steht für weitere Rückfragen unter 01636611329 zur Verfügung.

A N H A N G 
(Leitsätze LAG-Berlin Brandenburg vom 26.11.2008)
10. Beruft sich eine Arbeitnehmerin auf vermeintliche Rechte nach dem AGG und wird ihr dann durch Führungskräfte u. a. nahe gelegt, über ihre berufliche Zukunft nachzudenken, ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen einzuhalten, obwohl keine Pflichtverletzung vorlagen, künftig per Videoschaltung an Konferenzen teilzunehmen, obwohl dies für andere Arbeitnehmer mit gleichem Anfahrtsweg nicht gilt, sich zu überlegen, ob sie einen lang dauernden Prozess gesundheitlich durchstehe, dann liegt hierin ein herabwürdigendes und einschüchterndes Vorgehen, das ebenfalls eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt.
11. Dies gilt umso mehr, wenn diese Handlungen durch den Personalleiter (den vorgezogenen Konkurrenten) den Justitiar (und ehemaligen vorgesetzten Personalleiter) und ein Mitglied des Vorstands erfolgen.

Presseerklärung der GEMA: "Bundesarbeitsgericht gibt GEMA recht"

Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat in der heutigen Sitzung die Klage einer GEMA-Mitarbeiterin an das Landesarbeitsgericht Berlin zurückverwiesen. Die bisherige Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin ist hiermit aufgehoben.
Die GEMA hatte Revision bei dem Bundesarbeitsgericht gegen ein Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin (AZ: 15 Sa 517/08) eingelegt. Hintergrund ist eine Entscheidung des LAG Berlin bezüglich einer Mitarbeiterin der GEMA, die geltend machte, unter Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bei der Besetzung einer Direktoren-Stelle nicht berücksichtigt worden zu sein. Die Klage der Mitarbeiterin stützte sich auf einen Statistikbeweis, der ausführte, dass zum damaligen Zeitpunkt ausschließlich männliche Direktoren in der GEMA tätig waren. Nach Ansicht des BAG reicht eine solche Statistik für sich nicht aus, um eine Diskriminierung zu belegen.
„Wir sind mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes, die Klage mit der Auflage der neuerlichen sachlichen Prüfung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, zufrieden“, äußerte sich Dr. Harald Heker, Vorstandsvorsitzender der GEMA unmittelbar nach Verkündung des Beschlusses.
Mit der Urteilsbegründung des Bundesarbeitsgerichtes wird innerhalb der nächsten Wochen gerechnet.
Die GEMA vertritt in Deutschland die Urheberrechte von mehr als 60.000 Mitgliedern (Komponisten, Textautoren und Musikverleger) sowie von über einer Million Rechteinhabern aus aller Welt. Sie ist weltweit eine der größten Autorengesellschaften für Werke der Musik.

Pressekontakt:
Bettina Müller, Unternehmenssprecherin, Leitung Kommunikation & PR,
E-Mail: bmueller [at] gema.de (bmueller[at]gema[dot]de), Telefon +49 89 48003-426

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!