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György Konrad wird 70 Jahre alt

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Präsident der Akademie der Künste wird 70 +++ Akademie-Neubau wird «wahrscheinlich 2004» bezogen - Nach seinem Geburtstag will der Autor wieder mehr schreiben

Berlin (ddp). Der ungarische Schriftsteller György Konrad zählt zu den bedeutendsten Autoren seines Landes. Aber auch als Theoretiker des neuen Mitteleuropas hat er sich einen Namen gemacht. Konrad gilt als «Diplomat des Denkens». 1997 wurde er - als erster Nichtdeutscher - zum Präsidenten der Akademie der Künste in Berlin gewählt. Für sein Wirken bekam er unter anderem den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und den Internationalen Karlspreis zu Aachen. Am Mittwoch wird der Autor 70 Jahre alt. Mit Konrad sprach ddp-Korrespondentin Cornelia Krüger.

ddp: Bei ihrem Amtsantritt kündigten Sie an, die Akademie der Künste zu einer «europäisch ausstrahlenden Institution» machen zu wollen. Wenn Sie zurückblicken - was sind Erfolge, wo sehen Sie Defizite?

Konrad: Ansehen und Anziehungskraft der Akademie der Künste sind, so glaube ich, unter meiner Präsidentschaft nicht verblasst. Das Berliner Publikum haben wir mit Künstlern aus allen Regionen Europas bekannt gemacht. Die Erweiterung unseres Interessenfeldes nach Mittel- und Osteuropa hielt ich für wichtig. Andere Institutionen haben uns freundschaftliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit bekundet. Doch die Akademie importiert lieber, als dass sie exportiert.
Auch von Berlin ausstrahlende Initiativen hat es gegeben, wie beispielsweise jener von Stadt zu Stadt ziehende runde Tisch, an dem in der Hoffnung auf größeres wechselseitiges Verständnis vom Balkan die Rede ist. Diese Tradition wird - das nehme ich an - auch von meinen Nachfolgern fortgesetzt werden. Vieles haben wir getan, vieles gewiss versäumt, wofür der Grund - wie könnte es anders sein - in der Endlichkeit der uns zu Gebote stehenden geistigen und finanziellen Kräfte zu suchen ist.

ddp: Im Herbst 2003 wollte die Akademie Ihren Neubau am Pariser Platz beziehen. Es gibt aber große Schwierigkeiten bei der Finanzierung. Wann rechnen Sie mit der Fertigstellung des Gesamtprojektes?

Konrad: Die Akademie der Künste wird wahrscheinlich im Jahre 2004 das Gebäude am Pariser Platz Nummer 4 beziehen. Um mit den Bauarbeiten zügig voranzukommen, wäre eine klare Trennung der Rollenverteilung unerlässlich. In der Frage nach dem Bauherrn herrscht Unsicherheit: Bauherr ist weder die Akademie noch eigentlich der Senat.
In der Hoffnung auf Einsparungen hat der Senat ein Drittel des Grundstücks verkauft, wodurch die Baukosten auf dem verbleibenden Grundstück gestiegen sind. Das Bauwerk wird dennoch ansehnlich werden. Schon im augenblicklichen Zustand gefällt es den Besuchern.

ddp: Sie haben sich nie gescheut, sich zu aktuellen Themen öffentlich zu Wort zu melden. Am 27. Februar schrieben Sie in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» Wer den Kommunismus als Dissident erlebte, kann Saddam nicht tolerieren.« Jetzt ist Krieg im Irak. Wie sollen sich Ihrer Meinung nach die Intellektuellen verhalten?

Konrad: Meinen Artikel, dessen ungarischer Originaltitel nicht mit dem in der »FAZ« erschienenen (»Warum ich für den Irak-Krieg bin«) übereinstimmt, sondern der in ironischer Anspielung an eine ähnlich klingende Losung vielmehr lautet »Demokraten aller Länder, zerstreitet euch nicht!", habe ich im Februar nicht als Präsident der Akademie geschrieben. Geschrieben habe ich diesen Artikel deshalb, weil ich davon überzeugt bin, dass die europäische Integration ins Stocken geraten wird, sollte die euroamerikanische Wertegemeinschaft zerfallen.
Wenn ich von Achsen innerhalb der Europäischen Union höre, erfasst mich hinsichtlich der Lern- und Erinnerungsfähigkeit der Europäer tiefer Pessimismus. Die Begriffe Umbruch und Wandel haben in Budapest, Prag und Warschau einen schönen Klang. Damit auch wir normale Europäer werden konnten, bedurfte es der Wende.
Dass im Nahen Osten ein Rechtsstaat mit einem Mehrparteiensystem und der Achtung der Menschenrechte ein Ding der Unmöglichkeit wäre, glaube ich nicht. Übrigens gibt es niemanden, der in der Lage wäre, seinen intellektuellen Gefährten zu sagen, was zu tun sei. Was mich selbst betrifft, habe ich alle meine Texte stets im eigenen Namen geschrieben. Als Akademiepräsident kann ich nicht schreiben, sondern nur unterschreiben.

ddp: Welchen Ratschlag werden Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg geben?

Konrad: Meinem Nachfolger würde ich empfehlen, das zu tun, was er entsprechend seiner tiefsten Überzeugung tun muss. Auf die Traditionen einer altehrwürdigen Institution und deren innere Verhältnisse sollte er Rücksicht nehmen. Dennoch muss er wissen, dass er es ist, der die Entscheidungen zu treffen hat.

Er sollte darum bemüht sein, hoch geschätzte Künstler für Projekte zu gewinnen. Innerhalb der Institution sollte er versuchen, einzelnen schöpferischen Gruppen eine autonome Wettbewerbssituation zu sichern. Misserfolge sollte er sich nur mäßig zu Herzen nehmen. Zu den politischen Repräsentanten von Staat und Stadt, zu den Regierenden und den Oppositionellen gilt es, heitere und souveräne, gute Beziehungen zu unterhalten. Vor seinen Kollegen sollte er sich die Freiheit zwanglosen Nachdenkens nehmen und sie auch selbst dazu anhalten. Als Gastgeber sollte er sich schlechte Laune verbieten, seine menschenfeindlichen Stimmungen wegsperren.

ddp: Wie sehen Ihre Pläne für die Zeit nach dem Präsidentenamt aus? Kommt der Autor György Konrad wieder stärker zum Zuge?

Konrad: An meinen Tischen in der Stadt und auf dem Dorf werde ich schreiben, was ich möchte und was ich kann. Alles hat seine Zeit - das Mikrofon, die Familie, die Freunde und auch die einsamen Ausflüge. Es gibt so vieles, was ich noch nicht getan habe!