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Karl Amadeus Hartmann wurde vor 100 Jahren geboren

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Wegbereiter der neuen Musik - Vor 100 Jahren (am 2.August) wurde der Münchner Komponist und engagierte Nazi-Gegner Karl Amadeus Hartmann geboren

München (ddp-bay). Es war am Ende des Zweiten Weltkrieges, als Karl Amadeus Hartmann Augenzeuge eines schrecklichen Ereignisses wurde. Der bayerische Komponist sah einen Elendszug von 20 000 KZ-Häftlingen, die die SS-Schergen aus dem Konzentrationslager Dachau getrieben hatten, damit sie nicht von den bereits in Bayern einmarschierten US-Truppen befreit würden. «Unendlich war der Strom, unendlich war das Elend, unendlich war das Leid», schrieb Hartmann in einem Vorwort zu seiner Klaviersonate «27. April 1945», in der er seine Eindrücke zu verarbeiten suchte.

Das Stück gehe «bis an die Grenzen der Spielbarkeit und lotet somit alle technischen wie gefühlsmäßigen Extreme aus», heißt es in der Hartmann-Biografie des Mainzer Schott-Musikverlages. Hartmann lege darin Zeugnis ab von seiner «tief empfundenen Humanität, seinem menschlichen Engagement und seiner Anteilnahme an dem Leid der Opfer des Nationalsozialismus». Anders als etwa Richard Strauss oder Hans Pfitzner arrangierte sich Hartmann nicht mit dem NS-Regime, sondern beschritt den schweren Weg in die innere Emigration. Seine Werke wurden zwischen 1933 und 1945 nur im Ausland gespielt. Erst nach Ende des Hitler-Regimes wurde der Komponist, der am nächsten Dienstag 100 Jahre alt geworden wäre, auch in Deutschland einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

Hartmann stammt aus einer kunstsinnigen Münchner Familie. Der Vater war Lehrer und Maler. Auch Karl Amadeus begann eine Ausbildung zum Lehrer, die er jedoch nach drei Jahren abbrach. Von 1924 bis 1929 studierte er Posaune und Komposition an der Staatlichen Akademie der Tonkunst und konnte erste Kompositionen, wie die Kammeroper «Leben und Sterben des heiligen Teufels» oder die «Jazz-Toccata und -Fuge», am neu eingerichteten Opernstudio der Bayerischen Staatsoper oder in den Räumlichkeiten des avantgardistischen Künstlerverbandes «Die Juryfreien» herausbringen. Sein Frühwerk, das von Jazz und Dadaismus geprägt ist, hat Hartmann später fast vollständig vernichtet.

Die Begegnung mit dem Dirigenten Hermann Scherchen prägte Hartmann ebenso wie sein späterer Kompositionsunterricht bei Anton Webern, dem großen Vertreter der «zweiten Wiener Schule». Seit 1933 diente dem mit einem Aufführungsverbot belegten Hartmann das Komponieren auch als Parteinahme für Unterdrückte und als Bekenntnis zur Humanität.

Zu den wichtigsten Werken dieser Zeit gehören sein 1. Streichquartett aus dem Jahr der NS-Machtergreifung, in dem er die Melodie eines jüdischen Volksliedes verarbeitet. Jüdisch beeinflusste Wendungen ziehen sich auch durch die folgenden Symphonien oder seine Oper «Simplicius Simplicissimus» von 1934/35, die zur Eröffnung der diesjährigen Münchner Opernfestspiele im Rahmen des Hartmann-Jahres aufgeführt wurde. Sein erstes Orchesterwerk «Miserae», 1945 in Prag uraufgeführt, widmete er den Gefangenen des KZ Dachau.

Sein internationaler Ruf als Gegner des Naziregimes führte 1945 zur Ernennung zum Dramaturgen der bayerischen Staatstheater. Dabei war ihm die besondere Aufgabe übertragen worden, das Interesse an der im Nazireich verfemten Musik der klassischen Moderne wiederzubeleben. Sein Bestreben, das Publikum auch mit den neuesten Kompositionen zeitgenössischer Tonsetzer bekannt zu machen, war Ursprung der von Hartmann gegründeten Konzertreihe «Musica viva» des Bayerischen Rundfunks, die bis heute Maßstäbe bei der Vermittlung neuer Musik setzt.

Mit der steigenden Zahl von Aufführungen seiner eigenen Werke wuchs auch Hartmanns internationale Anerkennung. Nach Vollendung seiner 8. Symphonie wandte sich der Komponist wieder stärker dem Musiktheater zu. Zu dem Zyklus «Jüdische Chronik», einem Gemeinschaftswerk mit anderen Komponisten, darunter Hans Werner Henze und Boris Blacher, steuerte er von 1960 bis 1961 den Mittelsatz «Ghetto» bei, in dem er die letzten Stunden des Warschauer Ghettos vertonte. Hartmann starb am 5. Dezember 1963 an den Folgen einer Krebserkrankung. Zum Karl-Amadeus-Hartmann-Jahr 2005 gibt es unter der Schirmherrschaft von Bayerns Kunstminister Thomas Goppel (CSU) in ganz Bayern mehr als 50 Veranstaltungen zu Musik und Lebenswerk des Künstlers.

Georg Etscheit

(www.karlamadeushartmann.com)