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Klaus Peymann wird 70

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Berlin (ddp). «Mutter Courage und ihre Kinder» steht am Donnerstag auf dem Spielplan des Berliner Ensembles (BE). Intendant Claus Peymann wird 70, das Brecht-Stück hat er selbst inszeniert und vielleicht, so eine Mitarbeiterin des Theaters, «geht der Herr Peymann an diesem Abend zum Applaus mit auf die Bühne».

Danach gibt es eine Feier für geladene Gäste - ein eher unspektakulärer Jubiläums-Akt für einen Theatermann, der seit Jahrzehnten regelmäßig auch jenseits des Feuilletons für Schlagzeilen sorgt.

So wetterte der gebürtige Bremer jüngst in der «Berliner Morgenpost» harsch gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm und den «martialischen Aufmarsch» dort. Heiligendamm sei «eine Provokation der Politik gegenüber den Menschen». Die Politiker sollten sich lieber auf einem Flugzeugträger oder in Guantánamo treffen. Er habe Heiner Geißler den Vorschlag gemacht, gemeinsam nach Heiligendamm zu fahren, warte aber noch auf dessen Anruf. Den Staatschefs werde er dann von den 250 000 Kindern erzählen, die jede Woche verhungerten. «Der Kapitalismus ist Scheiße», betonte Peymann.

Als Theatermacher scheint ihn das politische Großereignis aber auch zu faszinieren: «Das größte Theater des Sommers ist natürlich der G8-Gipfel! Das wird ein schönes heißes Sommertheater. Das sollte sich kein Besucher entgehen lassen», sagte er der «Bild»-Zeitung.

Für Kontroversen sorgte Peymann auch im Frühjahr, als er in der Debatte um eine Begnadigung des Ex-RAF-Terroristen Christian Klar sein Angebot an den Häftling erneuerte, nach der Entlassung ein Praktikum am BE zu absolvieren.

Aus seiner Gesinnung machte der 68er nie einen Hehl. Würde er eine Partei gründen, wäre ihm die Linkspartei von Gregor Gysi und Oskar Lafontaine «viel zu wenig links», gab er zu Protokoll. Dem Künstlerischen tat das Politische bei Peymann nur ein einziges Mal Abbruch. Als Direktor am Schauspiel Stuttgart hatte er Geld für eine Zahnbehandlung der inhaftierten RAF-Terroristin Gudrun Ensslin gespendet. Für den damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten und früheren Nazi-Marinerichter Hans Filbinger war das ein Skandal, für Peymann das Aus im «Ländle».

Das Schauspielhaus Bochum nahm Peymann im Jahr seines Weggangs aus Stuttgart 1979 mit Kusshand. Die Schuhe, in die er trat, waren die von Peter Zadek - und sie passten. Publikum und Kritik jubelten beinahe durchgehend sieben Jahre lang, Peymann war als «Papst der deutschen Theaterszene» geboren. 1986 schließlich standen für ihn die Tore des Heiligtums deutschsprachiger Schauspielkunst offen. Er wurde Chef des Wiener Burgtheaters - und mischte die arrivierte Burg-Szene gründlich auf.

Zeitgenössisches von Thomas Bernhard, Peter Handke, Elfriede Jelinek und Peter Turrini, gesellschaftspolitische Auseinandersetzung und Österreich-Kritik prägten das Programm. Nicht ohne Folgen: Die Wiener Presse schäumte, namhafte Burgschauspieler verweigerten dem Theaterchef die Gefolgschaft. Heute gilt die Peymann-Ära, die trotz aller Skandale 13 Jahre währte, als eine der kreativsten an der Burg. Weniger konservative Theatergänger wünschen sich den Avantgardisten inzwischen sehnsüchtig zurück an die Donau.

Der aber fühlt sich in Berlin offenbar wohl. Seit der Spielzeit 1999/2000 leitet er das ehemalige Brecht-Theater am Schiffbauerdamm. Er gilt als schwierig, mancher Schauspieler hat vor ihm kapituliert. Die Kritik geht mit Peymann auch in Berlin nicht zimperlich um. Aus dem Provokateur sei ein «Museumsdirektor» geworden, wirft man ihm vor. Peymann räumt freimütig ein, Theater in seiner ursprünglichen Form bewahren zu wollen.

Der Wochenzeitung «Die Zeit» sagte er: «Bei uns sind die Schauspieler die großen Zauberer, und im Mittelpunkt steht die Literatur. Und wir vertreten kämpferisch ein anderes Zeitmaß, Stücke dauern bei uns auch mal fünf Stunden.» Oder zehn - wie die Wallenstein-Trilogie, die Peymann im Mai von seinem Weggefährten Peter Stein auf die Bühne bringen ließ.

Zwei Jahre läuft Peymanns Vertrag in Berlin noch, ob er länger bleibt, steht in den Sternen. Vorstellen könne er sich ein Leben ohne das BE schon, sagt er. Aber wenn er geht, wird er es mit Pauken und Trompeten tun. Zum Abschied will er die Berliner mit einem ausgedehnten Faust-Projekt beglücken - in einem großen Zelt an der Spree.