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Der Rücktritt bleibt aus - Weiter keine Lösung für Festspielleitung in Bayreuth in Sicht - Wagner bleibt Sitzung des Festspielhauses fern
München (ddp). Immer wieder öffneten sich die Aufzüge im zwölften Stock des Bayreuther Rathauses, doch auf einen warteten am Dienstag sowohl die Mitglieder des Stiftungsrats der Richard-Wagner-Festspiele als auch ein Pulk von Journalisten vergeblich: auf Wolfgang Wagner. Er steht im Zentrum der Querelen und trat doch wieder nicht in Erscheinung. Zwar stand die Nachfolgeregelung für den offenbar gesundheitlich stark angeschlagenen 88-jährigen Festspielleiter offiziell gar nicht auf der Tagesordnung der Jahressitzung des Gremiums, doch dürfte der Druck auf den greisen Patriarchen jetzt noch zunehmen.Zum einen werden die Spekulationen über dessen Geschäftsfähigkeit kaum noch aus der Welt zu räumen sein, zum anderen verlangen auch die in Schieflage geratenen Finanzen des Festivals nach einer baldigen und zukunftsfähigen Lösung im Management der Festspiele. Und das trauen die Stiftungsräte Wolfgang Wagner und seiner Frau Gudrun, die Beobachter für die eigentliche Festpielchefin halten, immer weniger zu. Schließlich legte die Festspiel-GmbH für 2008 erstmals keinen ausgeglichen Wirtschaftsplan vor. Die «Gesellschaft der Freunde von Bayreuth», die im Stiftungsrat über zwei Stimmen verfügt, musste 400 000 Euro zuschießen.
Deren stellvertretender Vorsitzender Georg von Waldenfels sieht «dringenden Handlungsbedarf». Denn neben Steuergeldern trage man auch für rund 35 Millionen Euro Verantwortung, die die Mäzenatenvereinigung seit 1990 in die Festspiele investiert habe.
An die Familie des seit 1951 amtierenden Wagner-Enkels, der sich am Dienstag von zwei Anwälten vertreten ließ, appellierte der frühere bayerische Finanzminister, die «unwürdige öffentliche Diskussion» um die Gesundheit von Wolfgang Wagner in dessen eigenem Interesse zu beenden. «Der Respekt vor seiner Lebensleistung gebietet es, dass sich die Familie jetzt verantwortungsbewusst um eine Nachfolge
bemüht», betonte er.
Als Ergebnis der Sitzung verlas der Bayreuther Oberbürgermeister und Geschäftsführer der Richard-Wagner-Stiftung, Michael Hohl (CSU), eine dürftige Pressemitteilung, in der «alle an der Leitung der Bayreuther Festspiele interessierten» Mitglieder der Familie aufgefordert werden, ihre Konzepte für eine Weiterführung der Opernspiele baldmöglichst vorzulegen. Dabei gingen «Inhalte vor Personen», ergänzte Waldenfels. Denn noch immer liege dem Gremium keine der in den Feuilletons so eifrig debattierten Bewerbungen tatsächlich vor.
Der dienstälteste Opernintendant der Welt will bisher nur den Weg für seine 29-jährige Tochter Katharina frei machen, die nach dem Dirigenten Christian Thielemann am Wochenende auch noch den Kulturmanager und früheren Intendanten der Salzburger Festspiele Peter Ruzicka in ihr «Schattenkabinett» holte. Doch die Stiftungsräte wollen sich von Wagner nicht erpressen lassen. Vor allem die Vertreter des Bundes und des Freistaates Bayern, die über je 5 der 24 Stimmen in dem Gremium verfügen, wollen eine Übertragung der Festspielleitung an Katharina Wagner allenfalls im Verbund mit Wagners Tochter aus erster Ehe, Eva Wagner-Pasquier, und seiner Nichte Nike Wagner (beide 62) akzeptieren.
Wagner hat einen Vertrag auf Lebenszeit und wird sich als Geschäftsführer und Gesellschafter der Festspiele GmbH wohl beharrlich weigern, von sich aus zurückzutreten - es sei denn, er wird für geschäftsunfähig erklärt. Voraussetzung für seinen Vertrag mit der Richard-Wagner-Stiftung, die ihm das Festspielhaus lebenslang verpachtet hat, ist nach Auffassung der Stiftungsräte, dass Wagner die Festspiele allein führt. Dies sei aber wegen seines Gesundheitszustands schon seit einiger Zeit nicht mehr der Fall.
Herbert Mackert
Nachtrag:
Falsch zitiert?
Berlin (ddp). Der Vorsitzende der «Gesellschaft der Freunde von Bayreuth», Karl Gerhard Schmidt, weist Berichte über Rücktrittsforderungen an den Leiter der Bayreuther Festspiele, Wolfgang Wagner, zurück. Er sei falsch zitiert worden und habe Wagner nicht aufgefordert, «seinen Hut zu nehmen», sagte Schmidt am Mittwoch im Deutschlandradio Kultur. Der Stiftungsrat werde nicht versuchen, Wagner für «geschäftsunfähig» zu erklären, sondern weiter auf ein Signal des derzeitigen Festspielleiters für eine Nachfolgeregelung hoffen.
Schmidt sagte weiter, der Stiftungsrat wolle einen Nachfolger für Wolfgang Wagner ausschließlich aus der Familie Wagner suchen. Der Beschluss des Stiftungsrates von 2003, Eva Wagner-Pasquier als Nachfolgerin zu benennen, sei nicht mehr aktuell, da mit Katharina Wagner jetzt eine weitere Bewerberin angetreten sei.
Die turnusmäßige Jahressitzung des Stiftungsrates hatte am Dienstag keine Fortschritte in der Debatte um eine Neubesetzung der Festspiele gebracht.