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Foto: Hans Kumpf
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Personalia 2015/07

Untertitel
Petrenko, Schuller, Schätzlein, Pál Károlyi
Publikationsdatum
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Kirill Petrenko wird Chefdirigent der Berliner Philharmoniker +++ Zum Tod des „Polydor“-Goldesels James Last +++ Trauer um den Jazzfestival-Macher Walter Schätzlein +++ Erfinder des Third Stream: Gunther Schuller +++ Zum Tod von Pál Károlyi

Totale Fokussierung auf die Musik: Kirill Petrenko wird Chefdirigent der Berliner Philharmoniker

Nach dem medial weidlich ausgeschlachteten Scheitern der ersten Wahl ging es beim zweiten Durchgang erstaunlich schnell und geräuschlos vonstatten: Die Berliner Philharmoniker wählten Kirill Petrenko zu ihrem neuen Chefdirigenten. Er soll Simon Rattle ablösen, der das Orchester 2018 verlässt. Ob der 1972 in Omsk geborene, in Österreich ausgebildete Dirigent das Orchester zu diesem Zeitpunkt wirklich schon übernimmt, ist indes unklar, da ihm in München eine Verlängerung seines Vertrages als Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper über 2018 hinaus angeboten wurde.

Spätestens seit seinem Wirken im dortigen Orchestergraben gilt Petrenko als die herausragende Dirigentenpersönlichkeit seiner Generation. Seine Akribie, seine totale Fokussierung auf die Musik hinterlässt bei jenen, die mit ihm musizieren, tiefe Eindrücke. Das Münchner und Bayreuther Publikum liegt ihm zu Füßen, wenn er Strauss‘ „Frau ohne Schatten“, Zimmermanns „Soldaten“ oder Wagners „Ring des Nibelungen“ mit einem von äußerster Partiturgenauigkeit kontrollierten Furor interpretiert. Einen ähnlich legendären Ruf muss Petrenko sich im Konzertrepertoire noch erarbeiten, die wenigen bisherigen Begegnungen haben den Berlinern aber offenbar gereicht, um ein entsprechendes Potenzial zu erkennen. Manch unsäglicher Kommentar rund um seine Berufung (siehe Martin Hufners Beitrag auf dem „Sperrsitz“ der nmz im Internet) wird Petrenko im übrigen in seiner Haltung bestärken, keine Interviews zu geben. [jmk]

Non Stop Dancing im Partykeller: Zum Tod des „Polydor“-Goldesels James Last

It was 50 years ago … als in der deutschen LP-Hitparade zum ersten Mal zwischen den Beatles und Rolling Stones ein Bremer Stadtmusikant auftauchte: der einstige Jazzbassist Hans Last, genannt James. Nachdem die Polydor kurz vorher die Fab Four als zu untalentiert abgelehnt hatte, spielte nun ein durch und durch deutsches Tanzorchester deren Songs sehr zickig nach. „Non Stop Dancing ’65“ hieß die Langspielplatte mit „28 Hits für Ihre Party“. Korrekt wurde das Material (u.a. auch von Drafi Deutscher und den Four Seasons) in verschiedene Tanzstile eingeordnet: Rock Fox, Slop, Slow Beat, Blue Beat, Skiffle Beat, Shake, Slop Beguine, Slow Beat, Shake Twist. Musik für Tanzschulen. Im Partykeller sollte schließlich auch Ordnung herrschen. Für die nötige Stimmung sorgte dann auch noch das mitgelieferte Partygekreische: Tanzekstase ’65. Ein Jahrzehnt lang sollte danach „Hansi“ der Partykönig von Deutschland bleiben. Rund 80 Millionen Platten hat er mit dieser Partyformel für seine Hamburger Plattenfirma verkauft. James Last war der Goldesel der Polydor. Als Universal das Traditionslabel beerdigte, hatte er gerade mit den deutschen Hiphoppern Fettes Brot ein Comeback erlebt. Was einst als uncool galt, wurde plötzlich als ultracool betrachtet. Selbst Tarantino grub nun seinen schrecklichen Panflöten-Ohrwurm „Der einsame Hirte“ für „Kill Bill“ aus. In einer Zeit, als ein unheiliger Deichgraf in den Charts schmachtete, war auch wieder Platz für Käptn James, der zum Tanz bat. Und plötzlich verglich man den Vater des „Happy Sound“ mit den anderen finessenreichen Großen des „Easy
Listening“: Burt Bacharach, Herb Alpert oder Henry Mancini. Wobei man ihn eher mit Orchesterleitern wie Kai Warner oder Max Greger vergleichen müsste, die Popmusik tanzschulentauglich eingerichtet hatten. Selbst seine jetzt hochgejazzten Ausflüge in die „progressive Popmusik“, wie man das damals nannte, hinterlassen heute einen faden Nachgeschmack: Auf „Hair“ oder „Voodoo Party“ sind ordentlich eingedampfte Coverversionen von Klassikern zu hören, nicht mehr. Manche nennen das Muzak. In einer Zeit, als man in den Rundfunkanstalten geniale Soul-Hymnen von Marvin Gaye oder Sly Stone noch als eigentlich unspielbare „Negermusik“ einstufte, „kastrierte“ James Last diese Musik, die immer einen konkreten sonischen Ort hatte, damit auch sein hüftsteifes Wirtschaftswunderpublikum mitwippen konnte. So verlegte er Marvin Gayes „Inner City Blues“ einfach in die Partykeller von Hamburg-Blankenese. Damit „morgens um sieben“ die Welt wieder in Ordnung war, um auf seine erfolgreichste Easy-Listening-Nummer aus der Rudi-Dutschke-Zeit anzuspielen. James Last hat gewissermaßen für die „schweigende Mehrheit“ seiner Zeit den bläserlastigen Soundtrack geliefert, fern von Revolte und Ekstase. Am 9. Juni verstarb der erfolgreichste deutsche Bandleader aller Zeiten in Florida. [Viktor Rotthaler]

Trauer um den Jazzfestival-Macher Walter Schätzlein

Er war ein immenser Kenner des Jazz. Und einer, der enorm viel bewegte. Ein Mentor und Anreger für viele: Walter Schätzlein, der einstige Nürnberger Jazzclub-Chef und Programmgestalter des Festivals „Jazz Ost-West“, das von 1966 bis 2002 bestand, ist vor kurzem im Alter von 80 Jahren gestorben.

1954 gehörte er zu einem Haufen junger Leute, die den Verein „jazz studio nürnberg e. V.“ gründeten und, einen Steinwurf von Nürnbergs Burg, eine verschüttete Sandstein-Kellerröhre freilegten und zum Spielort für Gastspiele von Weltstars machten. Das „jazz studio“ gehört nicht zuletzt Schätzleins wegen zu den renommierten Jazzclubs der Welt. Mit „Jazz Ost-West“ leistete Schätzlein Pionierarbeit: Von Nürnberg aus wurde der Eiserne Vorhang musikalisch überwunden – mit Gastspielen ost- und westeuropäischer Musiker und später aus allen Kontinenten. „Jazz Ost-West“ wurde zu einem der bedeutendsten Jazzfestivals Europas.

Schätzlein, im Brotberuf Angestellter einer Versicherung, war dem Jazz ehrenamtlich verbunden. Das aber mit Leib und Seele. Er moderierte auch lokale Radiosendungen und machte bei Konzerten Bühnenansagen von swingend-sonorer Gelassenheit. Der Mann mit dem Bart war ein starker kultureller Motor. Er beflügelte auch die Karrieren später so berühmter Musiker wie den Schlagzeuger Wolfgang Haffner und war mit Größen wie dem Posaunisten Albert Mangelsdorff und Trompeter Chet Baker befreundet. Letzterer schrieb ihm auf eine Plattenhülle: „I wish I had more friends like you“. Das können die Jazzwelt und viele Hörer ganz genau so übernehmen. Und Wolfgang Haffners Worte dazu: „Danke, Walter!“ [Roland Spiegel]

Erfinder des Third Stream: Gunther Schuller

Am 22. November 1925 in New York geboren, ließ der deutschstämmige Komponist, Hornist, Dirigent und Musikwissenschaftler Gunther Schuller den Kontakt zur Alten Welt nie abreißen: weder als prominenter Protagonist des so genannten Third Stream, der eine Brücke zwischen Jazz und avancierter Neuer Musik schlagen sollte, noch als engagierter Leser der JazzZeitung. Schuller wurde mit 17 Jahren Hornist im Cincinnati Symphony Orchestra, später arbeitete er an der Metropolitan Opera. Als Jazzer spielte er mit Musikern wie Dizzy Gillespie oder Miles Davis. Er verstarb am 21. Juni 2015 in Boston. Zwei Söhne Schullers sind in der Jazzszene aktiv: Ed als Bassist und George als Schlagzeuger.

Zum Tod von Pál Károlyi

Pál Károlyi, geboren am 9. Juni 1934, gehörte der in den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts geborenen ungarischen Komponistengeneration an. In den 1960er Jahren arbeitete er innerhalb der traditionellen Formen- und Harmonielehre, sein Hauptwerk aus dieser Zeit ist das Oratorium „Aucassin et Nicolette“.
1966 schuf er unter dem Eindruck der Werke Bengt Hambreus’ einen freien, neuen persönlichen Stil. In dieser Zeit komponierte er die Triphtongus-Serie, welche aus drei Orgelwerken (1968, 1970 und 1975) besteht. Die Serie ist eng mit deutschen Künstlern und Uraufführungen in Deutschland verbunden. So zum Beispiel mit dem Organisten Werner Jacob, der 1973 Triphtongus 2 und Triphtongus 3 uraufführte, und auf dessen Bitte er auch eine Orgelsymphonie komponierte (Hessischer Rundfunk, 1981). Später wurden Károlyis Orgelwerke von Heinz Wunderlich, Christian Collumm und Thomas Daniel Schlee interpetiert. Im Auftrag der ION – der Internationalen Orgelwoche Nürnberg – schrieb er das Oratorium PSALMUS in MMII, welches 2003 in der Nürnberger Lorenzkirche mit den Prager Symphonikern und dem Philharmonischen Chor Prag uraufgeführt wurde. Pál Károlyis ist am 2. Juni 2015 gestorben.
                                           

 

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