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Die Wegweiserin des modernen Tanzes, Pina Bausch, wird am Mittwoch 65 Jahre alt. Sie gilt als wichtigste Erneuerin des Ausdruckstanzes.
Wuppertal (ddp-nrw). Wuppertal dürfte in Sachen Kultur wohl nicht unbedingt zu den bekanntesten Städten gehören - wäre da nicht ein Name, der international immer wieder Furore macht: Pina Bausch. Mit ihrem Tanztheater Wuppertal schreibt die Ballettdirektorin und Choreographin seit nunmehr 32 Jahren Tanzgeschichte. Und immer noch bringt Pina Bausch, die am Mittwoch 65 Jahre alt wird, in schöner Regelmäßigkeit jedes Jahr ein neues Stück heraus.Ob in Paris, London, Rom, Madrid, Budapest und vielen anderen bedeutenden Metropolen der Welt - überall spielt das Ensemble von Pina Bausch regelmäßig vor ausverkauften Sälen. Hinter dem beispiellosen Erfolg des Wuppertaler Tanztheaters steht eine Frau, die am 27. Juli 1940 als Tochter eines Gastwirts in Wuppertals Nachbarstadt Solingen geboren wird.
Schon als Kind entdeckt Pina Bausch ihre Begeisterung für den Tanz; mit 14 beginnt sie an der von Kurt Jooss, dem Neuerer im Ausdruckstanz, gegründeten Essener Folkwangschule ihre tänzerische Ausbildung. Ein Stipendiat ermöglicht ihr im Anschluss den Besuch der Jouillard School of Music in New York, der ein kurzes Engagement als Mitglied des New American Ballet an der Metropolitan Opera folgt, wo sie mit berühmten Choreographen in Kontakt kommt.
Kurt Jooss holt sie nach Essen zurück. Als Mitglied des Folkwang Balletts macht sie Ende der 1960er Jahre auch erste Choreographien. Doch es ist Wuppertals Schauspielintendant Arno Wüstenhöfer, der den Grundstein ihrer internationalen Karriere legt, indem er sie 1973 als Ballettdirektorin und Chefchoreographin an sein Theater holt.
Dort darf Bausch experimentieren und entwickelt ihr choreographisches Konzept, das mit den traditionellen Formen des Tanztheaters bricht und sie zur wegweisenden Figur des modernen Tanzes macht - mit Stücken, die auf unkonventionelle Weise revueartige Collagen, traumartige Bilder und Anklänge beim Sprechtheater verbinden und damit immer wieder überraschen.
Unkonventionell geraten auch die Titel vieler Stücke wie etwa «Auf dem Gebirge hat man ein Geschrei gehört» oder «Er nimmt sie an der Hand und führt sie in das Schloss. Die anderen folgen.» In der jüngsten Zeit haben die Tanzabende bei der Premiere zunächst keinen Namen und werden erst Monate später betitelt. «Rough cut» - Rohschnitt - heißt ihr aktuelles Werk.
Am Anfang ihrer Wuppertaler Arbeit, die mit Stücken wie »Iphigenie auf Tauris«, »Fritz« und »Adagio - Fünf Lieder von Gustav Mahler« begann, reagierten die Wuppertaler Theaterbesucher noch verstört und verließen häufig türeschlagend Oper- und Schauspielhaus. Wüstenhöfer und Bausch hielten durch und nach einem schwierigen Start war das Eis schließlich gebrochen. Heute gilt Pina Bausch als wichtigster »Exportartikel« der Stadt.
Der Erfolg von Pina Bausch ist kaum denkbar ohne ihre großartigen Tänzer, von denen einige wie etwa Dominique Mercy seit der ersten Stunde dabei sind. In einem ihrer seltenen Interview bekannte die als sehr zurückhaltend geltende Künstlerin einmal, dass sie bei der Arbeit an jedem neuen Stück trotz der vielen Erfolge immer noch von Selbstzweifeln geplagt sei. Das Schwierige an ihrer Arbeit sei, dass nicht nur »die Tänzer mir vertrauen müssen, sondern ich muss mir auch selbst vertrauen."
Frank Bretschneider