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Nach einer dreiwöchigen Orchestertournee mit dem Orchester der Beethovenhalle Bonn durch Spanien gilt Roman Kofman als erklärter Favorit für die Nachfolge des ausscheidenden Generalmusikdirektors Marc Soustrot.
Bonn (ddp-nrw). Dass Reisen bildet und bekanntlich auch verbindet, haben das Orchester der Beethovenhalle in Bonn und sein wahrscheinlich neuer Chefdirigent Roman Kofman erfahren. Nach einer dreiwöchigen Orchestertournee durch Spanien gilt Kofman als erklärter Favorit für die Nachfolge des ausscheidenden Generalmusikdirektors Marc Soustrot. Das Bonner Orchester und sein mutmaßlich neuer Chef wurden vom Publikum in acht ausverkauften Konzertsälen begeistert gefeiert - eine gute Grundlage für die künftige Zusammenarbeit. Der 66-Jährige, aus der Ukraine stammende Dirigent und die Stadt Bonn wollen jetzt Vertragsverhandlungen aufnehmen.Vor allem Kofmans künftigem Arbeitgeber ist sehr daran gelegen, dass die Unterschriften unter den neuen GMD-Vertrag möglichst rasch gesetzt werden können. Denn die Kandidatenfindung war reichlich kompliziert und von gezielten Indiskretionen und zahlreichen Irritationen gekennzeichnet - der Bonner Kulturszene bot sich ein mehrmonatiges Drama in mehreren Akten.
Als Favorit für die Soustrot-Nachfolge galt zunächst der frühere Chef des Berliner Symphonie Orchesters, Claus Peter Flor. Bei einem Gastkonzert konnte Flor Publikum und Kritiker gleichermaßen begeistern. Weniger überzeugend agierte wenig später der US-Amerikaner Carl St.Clair während einer Aufführung der "Zauberflöte". Trotz dessen schwächerer Leistung tendierte das Orchester aber eher zu St.Clair, weil dieser nach Angaben von Ensemblemitgliedern einen "harmonischeren Arbeitsstil" pflegt.
Als Ausweichkandidat kam schließlich Michael Boder ins Spiel, dem die Unterstützung des künftigen Bonner Generalintendant Klaus Weise nachgesagt wurde. Boder sollte mit moderner Musik neue Akzente in der Beethovenstadt setzen. Er wurde aber rasch durch eine an die Öffentlichkeit lancierte vertrauliche E-Mail des früheren Kulturdezernenten Jochem von Uslar aus dem Rennen katapultiert. Darin hieß es, die geplante Reduzierung der Orchesterstellen biete die Möglichkeit, "mit Takt und List ungeeignete Musiker auszutauschen". Weitere Indiskretionen ließen Anfang April auch Flor entnervt aufgeben.
Mit Kofman schließt Generalintendant Weise die letzte große Personallücke, wenn er zur Spielzeit 2003/2004 in Bonn antritt. In der vergangenen Woche hatte Weise, der noch am Theater Oberhausen arbeitet, mit dem österreichischen Choreographen Johann Kresnik einen der international anerkanntesten Ballettmeister und Regisseure für Bonn gewinnen können. Zu den bekanntesten Inszenierungen des 1934 in Kärnten geborenen Kresnik zählen die Tanz-Porträts über Ulrike Meinhof, Rosa Luxemburg, Goya und Pasolini.
Das Bonner Publikum darf also darauf hoffen, dass in Zukunft wieder künstlerisch und weniger personalpolitisch für anregende Unterhaltung gesorgt ist.
Andreas Schmitz