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Lena Horne 1946 in dem Film „Till the Clouds Roll By“. Foto: Wikimedia Commons
Lena Horne 1946 in dem Film „Till the Clouds Roll By“. Foto: Wikimedia Commons
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Sophisticated Lady: zum Tod der Sängerin und Schauspielerin Lena Horne

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Ihren Namen sucht man in diversen deutschen Jazz-Lexika vergebens: Lena Horne. Selbst in „Reclams Jazzlexikon“ entschuldigt man sich für den Eintrag über sie, denn schließlich war Lena Horne „nie eine richtige Jazz-Chanteuse“. In einer Zeit, in der nur noch dubiose "Alleinstellungsmerkmale" zählen, könnte man eigentlich auf einen Nachruf auf die Sängerin, die am 9. Mai in ihrer Heimatstadt New York im Alter von 92 Jahren gestorben ist, gleich ganz verzichten.

Aber vielleicht gehören die großen Song-Stilisten, die ihr Handwerk allesamt in Big Bands gelernt haben - in Lenas Fall waren das Artie Shaw und Charlie Barnet - doch irgendwie zu den Jazz-Künstlern, auch wenn sie nicht gescattet haben wie Ella & Co. Schließlich waren es sie doch, die viele Songs aus dem operettenhaften Broadway-Kontext erst herausgelöst haben, und in die Jazzwelt transportiert haben, von der 42nd Street in die 52nd Street gewissermaßen. Es war Lena Hornes Los, als „Schwarze“ mit afrikanischen, europäischen und indianischen Wurzeln ein Leben zwischen den Stühlen zu leben, zwischen Jazz und „Unterhaltungsmusik“, Cotton Club und Broadway, Hollywood und Bürgerrechtsbewegung.

Mitte der vierziger Jahre war Lena Horne eine der attraktivsten Frauen Hollywoods gewesen. Als erste schwarze Künstlerin ausgestattet mit einem Studio-Vertrag, war sie bei M-G-M verdammt dazu, pro Film nur ein paar Nummern mit ihrer warmen Stimme zu singen, die oft ihr späterer Mann Lennie Hayton orchestrierte, Songs wie Fats Wallers „Honeysuckle Rose“ oder Richard Rodgers „The Lady Is A Tramp“. Notfalls konnten diese in den rassistischen Südstaaten schnell wieder herausgeschnitten werden. Einer ihrer Songs, der 1950 bei M-G-M der Schere zum Opfer fiel, wurde vierzig Jahre später wieder entdeckt, und von Shirley Horn & Miles Davis sogar zum „Jazz“ veredelt: „You Won't Forget Me“. Geschrieben hatte das ein Wiener Emigrant, Fritz Spielmann, ein Mann, der ebenfalls ein Leben „zwischen den Stühlen“ führen musste.

Im Grunde war Lena Horne die ideale Verkörperung der „Mulattin“ Julie in Jerome Kerns „Show Boat“. Aber natürlich ging die Rolle an die Leinwandgöttin Ava Gardner, die im übrigen großartig war in der M-G-M-Verfilmung von George Sidney. Aber es hat sie natürlich damals sehr verletzt, dass sie keine Chance hatte, da half auch nicht das spezielle Make-up, das M-G-M für sie entwickelt hatte: „Light Egyptian“.

Mitte der fünfziger Jahre ließ Lena Horne jedenfalls Hollywood hinter sich und verlegte sich auf das Plattengeschäft. Schon eines ihrer ersten Alben für RCA entwickelte sich zum Bestseller: „Lena Horne At The Waldorf Astoria“. In dieser Zeit entstanden dann auch ihre mustergültigen Aufnahmen von Songs der alten Freunde, Harold Arlen, Duke Ellington, Cole Porter. Und natürlich rettete sie dabei auch ihren Theme-Song „Stormy Weather“ ins Stereozeitalter. Dunkle Zeiten erlebte sie danach, als sie wegen ihrer Freundschaft zu dem linken Schauspieler und Sänger Paul Robeson („Ol' Man River“) auf die Schwarze Liste geriet.

Weil sie die Jazzgemeinde links liegen ließ, erschienen nur noch wenige Platten. Ein schönes Pop-Jazz-Album mit dem immer noch unterschätzten Gitarristen Gabor Szabo ragt in dieser Phase heraus. Als „gute Hexe“ Glenda hatte sie dann noch einmal ihren ganz großen Auftritt, in Lumets schwarzer Version des „Wizard of Oz“, die Michael Jackson mit Quincy Jones zusammenbrachte, dem späteren Mastermind von „Thriller“. 1981 schließlich erlebte Lena Horne ein sensationelles Broadway-Comeback. „The Lady And Her Music“ nannte sie ihre One-Woman-Show, in der sie ironisch aber auch sehr kämpferisch ihr Leben erzählte. Natürlich war das eine Hommage an Frank Sinatra, aber vielleicht wäre ein anderer Titel noch passender gewesen: „Say It Loud - I'm Black And I'm Proud“. Ja, mit Lena Horne starb eine große „Unterhaltungsmusikkünstlerin“, wie wir das hier in Deutschland immerhin nennen dürfen. Eine „sophisticated lady“ durch und durch.

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