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Vor 20 Jahren starb Carl Orff

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Seine "Carmina Burana" machten Carl Orff weltbekannt. Melodien aus dem gewaltigen Chor- und Orchesterwerk, eine Vertonung mittelalterlicher Kloster-Handschriften, erklingen 20 Jahre nach seinem Tod sogar als Werbe-Schlager im Fernsehen.

München (ddp-bay). An Schulen in aller Welt traktieren musikalische Eleven das berühmte Orff-Instrumentarium: Glockenspiele, Xylophone, Pauken, Trommeln und anderes Schlagwerk. Auch in der Heilpädagogik ist das Orffsche "Schulwerk" als Anleitung zu einem zwanglosen, spielerischen Zugang zur Musik immer noch verbreitet. Doch der große Rest seines musikalischen Schaffens ist weitgehend unbekannt geblieben.

Orff entstammt einer alten Offiziers- und Gelehrtenfamilie und war ein musikalischer Frühstarter. Schon als Fünfjähriger erhielt er Unterricht im Klavier-, Orgel- und Cellospiel, schrieb kleine Begleitmusiken für das eigene Puppentheater. Orff studierte zunächst ein Jahr Komposition an der Münchner Akademie für Tonkunst, wandte sich dann aber der Praxis zu. Er wurde Kapellmeister an verschiedenen deutschen Bühnen, zuletzt am Hoftheater Darmstadt. 1919 kehrte er in seine Heimatstadt zurück, nahm seine Kompositionsstudien wieder auf und beschäftigte sich intensiv mit Partituren alter Meister. So richtete er etwa Monteverdis "Orfeo" neu ein.

Eine von Orffs bekanntesten Schöpfungen ist das pädagogische "Schulwerk für Kinder". Es entstand Anfang der 20er Jahre, als er an der "Günther-Schule" für Gymnastik, Musik und Tanz die Abteilung für "tänzerische Musikerziehung" leitete. Die mehrfach überarbeitete Anleitung zu freier musikalischer Improvisation fand Verbreitung in aller Welt und wurde auch zu einer der Grundlagen seines "elementaren", natur- und volksverbundenen Personalstiles. Mit "Carmina Burana" fand er endgültig zu einer ureigenen Tonsprache und distanzierte sich zugleich von seinem Frühwerk, das von Debussy, Schönberg und Strawinsky beeinflusst war.

"Die Carmina sind weltweit das meist aufgeführte Chor- und Orchesterwerk des vergangenen Jahrhunderts", sagt Hans Jörg Jans, Direktor des Münchner Orff-Zentrums, das den Nachlass des Komponisten betreut. Alle anderen Werke stünden deutlich im Schatten dieses Dauerbrenners. Insgesamt nennt Jans die derzeitige Aufführungsbilanz der Orffschen Werke leider "nicht besonders gut". Neben "Carmina" spielten eigentlich nur seine Märchenopern "Der Mond" und "Die Kluge" eine gewisse Rolle auf den Spielplänen. Sehr selten gezeigt würden die "Musikalisierungen" antiker Tragödien, eine Orffsche Spezialität, oder Mundart-Kompositionen wie "Die Bernauerin". Reine Orchesterwerke gibt es aus Orffs Hand nur wenige, obwohl ihn sein langjähriger Freund, der Dirigent Wolfgang Sawallisch, gebeten hatte, mehr Instrumentalmusik zu schreiben. "Ich mag nicht", soll Orff störrisch geantwortet haben.

In die Zeit seiner Erfolgskomposition "Carmina Burana", die allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg ihren weltweiten Siegszug antrat, fällt auch das Stück "Kinderreigen", das er für die von den Nazis 1936 in Berlin ausgerichtete Olympiade schrieb. Orffs Verhalten im Dritten Reich gab immer wieder Anlass zu kritischen Fragen nach seiner Nähe zum Regime. "Das Thema ist jetzt aber wohl ziemlich durch", meint Jans. Alle Fakten lägen auf dem Tisch. Der Komponist selbst habe sich wohl eher als ein unpolitischer Künstler verstanden. "Man wird ihn aber auch nicht von allen Vorwürfen entlasten können", sagt Jans.

In der Nachkriegszeit widmete sich Orff vor allem dem Musiktheater. Auch für die Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele in München 1972 kreierte er wieder einen "Gruß der Jugend". 1950 bis 1960 leitete er eine Meisterklasse für musikalische und dramatische Komposition an der Staatlichen Hochschule für Musik in München. Der mit zahlreichen Preisen bedachte Musiker lebte zuletzt in seinem Haus in Dießen am Ammersee, südöstlich von München, zusammen mit seiner dritten Frau Liselotte. In erster Ehe war er mit der jüngst verstorbenen Schriftstellerin Luise Rinser verheiratet. Orff selbst starb am 29. März 1982 im Alter von 86 Jahren und wurde in der "Sieben-Schmerzen-Kapelle" des Benediktinerklosters Andechs beigesetzt.

Georg Etscheit