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Wolfgang Wagner wird 85

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Knorriger Alleinherrscher - Der Patriarch vom Grünen Hügel in Bayreuth wird 85 Jahre alt - Wolfgang Wagner sitzt fest im Sattel

München/Bayreuth (ddp-bay). Es wäre wohl ein Vergleich, der ihm gefiele. Wolfgang Wagner, der knorrige Alleinherrscher von Bayreuth, als Weltenesche. Als uralter, aber lebenskräftiger Baum, dem keine Axt, kein Wind etwas anhaben kann. Alle Stürme, die das gigantische Erbe Richard Wagners umtosten, hat Wolfgang Wagner, der Enkel, bislang überstanden. Den Grünen Hügel hat er zum prosperierende Familienunternehmen gemacht, das auch 121 Jahre nach dem Tod des Meisters nicht alt aussieht. Und selbst zu seinem 85. Geburtstag am Montag (30. August) deutet sich nicht an, wann er das Szepter aus der Hand geben könnte.

Quicklebendig wie eh und ja hat der dickschädelige Franke auch dieses Jahr wieder die zahlreich erschienene Prominenz vor dem Festspielhaus empfangen. An seiner Seite, wie stets, seine zweite Frau Gudrun und Tochter Katharina, die er zur Nachfolgerin auserkoren hat. Allen Versuchen, ihn aufs Altenteil zu schieben, hat der weißhaarige Festspielchef bislang widerstanden. Zuletzt holte sich Bayerns früherer Kunstminister Hans Zehetmair (CSU) eine blutige Nase, als er Eva Wagner-Pasquier, Wolfgangs Tochter aus erster Ehe, als neue Leiterin von Bayreuth durchboxen wollte.

Vielleicht ist es das mütterliche Erbe, das für seine Widerständigkeit - manche sagen Sturheit - verantwortlich ist. Wolfgang ist der Sohn von Richard Wagners Sohn Siegfried und Winifred Wagner, einer glühenden Nationalsozialistin, die auch nach dem Krieg an ihrer Freundschaft zu Adolf Hitler eisern festhielt. Wolfgang selbst ist dem Nazi-«Führer», der in der Villa Wahnfried ein- und ausging, in seiner Kindheit und Jugend oft begegnet. Nach einer Verwundung als Unteroffizier in Polen soll ihn Hitler sogar im Krankenhaus besucht haben.

Die politische Belastung der Mutter bot Wolfgang und seinem Bruder Wieland nach Kriegsende die Chance, in dem ideologisch von den Nazis gänzlich vereinnahmten Bayreuth aufzuräumen. Wieland machte mit kühnen, abstrakt-stilisierenden Wagner-Inszenierungen Furore, während sich Wolfgang, der während des Krieges eine Ausbildung als Bühnenbildner und Opernregisseur genossen hatte, ums Finanzielle kümmerte. So förderte er die Gründung des Mäzenatenvereins «Freunde von Bayreuth», der bis zum Jahr 2000 mehr als 25 Millionen Euro für den Festspielbetrieb gespendet hatte. Außerdem gewann er 1953 eine Zusage für die bis heute vom Bund geleisteten Zuschüsse. Später beteiligten sich auch der Freistaat Bayern und die Stadt Bayreuth.

Dass der Festspielbetrieb auf ziemlich festen wirtschaftlichen Fundamenten ruht, dass die Kartenwünsche jedes Jahr die Zahl der verfügbaren Plätze weit übersteigt, ist vor allem Wolfgangs Verdienst. Künstlerisch konnte er allerdings seinem Bruder Wieland, der 1966 an einem Krebsleiden starb, nicht das Wasser reichen. Seine eigenen Inszenierungen, zuletzt der «Meistersinger von Nürnberg», gelten als betulich und altväterlich.

Dafür profilierte sich Wolfgang als kreativer «Ermöglicher». Mit spektakulären Verpflichtungen junger Regisseure, Dirigenten und Sängern sorgte er immer wieder für Überraschungen. In den 90er Jahren mehrten sich allerdings Stimmen, die Wagner drängten, endlich seine Nachfolge zu regeln und einem Jüngeren Platz zu machen. Nichte Nike forderte mehr Innovationen bei den Inszenierungen und kritisierte den monokratischen Führungsstil. Der bizarre Streit gipfelte Anfang 2001 in einem auf Drängen von Minister Zehetmair zu Stande gekommenen Beschluss des Stiftungsrates, Wagner-Pasquier zur Nachfolgerin zu bestimmen. Doch Wolfgang pochte auf seinen Vertrag auf Lebenszeit, woraufhin Eva genervt das Handtuch warf.

Auch diesen Kampf hatte Wagner für sich entschieden. Wie zum Beweis seiner ungebrochenen Jugendlichkeit verpflichtete er 2003 den völlig opernunerfahrenen Skandal-Regisseur Christoph Schlingensief für die Neuinszenierung des «Parsifal». Zuvor hatte er schon den radikalen Filmemacher Lars von Trier (der zwischenzeitlich wieder absagte) für einen neuen «Ring» gewonnen. Der Schlingensief-Coup nahm einigen Wagner-Kritikern den Wind aus dem Segel. Andere sahen darin nur die letzten Zuckungen des Festspielchefs. So kritisierte Claus Peymann, Leiter des Berliner Ensembles, die sich häufenden Verpflichtungen von Opern-Amateuren als «Vorform des Senilismus».

In dem auf die eher maue «Parsifal»-Inszenierung folgenden Skandal um abfällige Bemerkungen des «Parsifal»-Interpreten Endrik Wottrich über Schlingensief wirkte Wagner freilich alles andere als senil. Hart griff er jüngst noch die Medien an, welche die Auseinandersetzung «in niederträchtiger Art» hochgespielt hätten. Da war der streitbare Patriarch wieder ganz der Alte. Es braucht wohl einen leibhaftigen Gott wie Wotan in der «Götterdämmerung», um die Weltenesche Wolfgang Wagner zu Fall zu bringen.

Georg Etscheit