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Paul Bley. Foto: Thomas J. Krebs
Paul Bley. Foto: Thomas J. Krebs
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Der Komponist des Augenblicks

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Zum Tod des kanadischen Pianisten Paul Bley
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Das letzte Mal, dass er etwas komponiert habe, sagte Paul Bley einmal in einem Interview, sei auf der Juilliard School in New York gewesen, als Student. Das war Anfang der 50er-Jahre. Zwischen dieser Zeit und der Veröffentlichung seines Osloer Solokonzerts „Play Blue“ im Jahr 2014 liegt die Musik von über 100 CD-Einspielungen des großen Improvisators der Jazz-Moderne. Das Album „Play Blue“ enthält die Mitschnitte von fünf großen Improvisationen über eigene Themen sowie über „Pent-Up House“ von Sonny Rollins und zeigen einen Pianisten, der – von Moden und Strömungen unbeirrt – seine instanteistische Kunst entfaltet. Das Osloer Solokonzert – das bereits 2008 stattfand – kann als Bleys opus summum gelten, in dem er noch einmal darlegt, dass freie Musik nicht wild, chaotisch und ergo „schwierig“ sein muss, sondern dass eine gute Improvisation auch ruhig und klar, romantisch und lyrisch, leise und leicht sein kann.

Paul Bley wurde am 10. November 1932 in Montreal geboren und lernte Geige und Klavier. 1948 traf er in seiner Geburtsstadt Montreal Oscar Peterson, der ihn in die Jazzszene einführte und von dem er 1949 die Rhythmusgruppe übernahm. Bley leitete den Montreal Jazz Workshop, zu dem er Musiker wie Charlie Parker oder Sonny Rollins nach Montreal brachte und zog bereits 1950 nach New York, denn „Canada doesn’t prepare you for anything“, glaubte der junge Pianist damals.

In New York bewegte sich Bley mitten im Zentrum des sich damals rasant entwickelnden modernen Jazz: Er musizierte mit Künstlern wie Charlie Parker, Charles Mingus oder Art Blakey. Bald zählte er zu den innovativen Avantgarde-Pianisten seiner Zeit und wurde auch kulturpolitisch tätig: Der Verband der Jazz-Komponisten (Jazz Composers Guild) verdankt insbesondere Paul Bley seine Existenz.

Paul Bley arbeitete mit Ornette Coleman und Don Cherry, aber auch mit Jimmy Giuffre, Steve Swallow, Gary Peacock und Paul Motian.

Drei Komponistinnen prägten seine Karriere entscheidend: 1957 heiratete Bley Carla Borg, die viel für ihn komponierte und als Carla Bley bald aus dem Schatten ihres Mannes trat. Ende der 60er-Jahre trat Bleys neue Lebensgefährtin Annette Peacock auf den Plan, die ebenfalls als Komponistin für ihn arbeitete und mit ihm zusammen auftrat. Sie gilt als Pionierin des Synthie-Pop und war die treibende Kraft für die Entstehung der Bley-Peacock Synthesizer Show.

1974 gründete Bley das Plattenlabel Improvising Artists Inc. (IAI) gemeinsam mit der Videokünstlerin und letzten Ehefrau Carol Goss, die Bleys Auftritte mit eigens gestalteten Filmsequenzen illustrierte. Bleys Musik lebt nicht in Noten fort, aber in seinen zahlreichen Schallplattenaufnahmen und nicht zuletzt in seinen Schülern am New England Conservatory in Boston. Und wer mehr über das Lebensgefühl der Musikrevolutionäre der 60er-Jahre wissen will, sollte sein Buch „Stopping The Time“ lesen.

Am 3. Januar starb der kanadische Pianist in Stuart, Florida im Kreise seiner Familie.

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