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Die Junge Deutsche Philharmonie 2016 beim Radialsystem Freispiel mit Sasha Waltz und Gästen. Foto: Achim Reissner

Die Junge Deutsche Philharmonie 2016 beim Radialsystem Freispiel mit Sasha Waltz und Gästen. Foto: Achim Reissner

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In kundiger Auseinandersetzung mit dem Originalklang

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Die Junge Deutsche Philharmonie wird 50 Jahre alt
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Ist man mit 50 noch jung? Anders gefragt: Ist es ein Dilemma, wenn eine gereifte Institution wie die „Junge Deutsche Philharmonie“ zu ihrem 50. Geburtstag immer noch das Prädikat „jung“ im Markennamen führt? 

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Natürlich nicht. Die Junge Deutsche Philharmonie ist nicht das, was man bei älteren Persönlichkeiten nachsichtig „jung geblieben“ nennt. Sie ist immer noch das Bundes-Studentenorchester, als das sie gegründet wurde, und hat, satzungsgemäß, ein jugendliches Durchschnittsalter, weil die aktiven Teilnehmer zwischen 18 und 28 Jahren alt sind. 

Gereift hingegen ist neben dem Image die Arbeitserfahrung, die sich in der Institution und im professionellen Leitungsteam angereichert hat. Als Medium der Erfahrungs-Anreicherung und der Selbstreflexion gibt es den immer lebendigen Austausch im Hause der Deutschen Ensemble Akademie in Frankfurt am Main – einem Energie- und Organisationszentrum der neuen Musik, in dem auch das Ensemble Modern residiert – sowie den regelmäßigen  Newsletter „Taktgeber“. 50 Jahre nach der Gründung hat man einfach keine Anfängerprobleme mehr. 

Die Gründung der Jungen Deutschen Philharmonie war nicht nur musikalisch und nicht nur mit Berufs-Perspektiven motiviert. Zwar gab es die Idee, einen Übergangs-Spielort zwischen dem Ende des Studiums und dem Beginn der Berufsmusiker-Laufbahn oder ein Karriere-Sprungbrett zu kreieren. Aber Gedanken und Konzepte der politischen Aufbruchsstimmung der 1970-er Jahre spielten bei den Gründern eine konstitutive Rolle. 

Die Junge Deutsche Philharmonie war der Versuch einer neuen Generation, die so genannte Klassische Musik einem neuerlichen Aneignungsprozess auszusetzen. Alte Musik sollte nicht mehr seidig-glatt oder schwelgerisch-gefühlig aufgeführt werden, sondern in kundiger Auseinandersetzung mit Originalklang und Original-Instrumenten. Aktuelle Musik sollte nicht mehr mühsam zusammenbuchstabiert am Rande der Konzertprogramme oder in marginalen Spezial-Festivals stattfinden. Vor allem aber sollten die spielenden Musiker mehr Mitbestimmungsrechte bei der Gestaltung der gespiel­ten Programme und der Auswahl der Dirigenten haben. 

Mit ihren kritischen Impulsen trat die Junge Deutsche Philharmonie an als Organisation und als Klangkörper, um vieles anders und besser zu machen. Die Programme der ersten Spielzeiten erscheinen zwar im Rückblick vergleichsweise konventionell, aber das war im Kontext der kulturellen Situation vor einem halben Jahrhundert nicht vermeidbar. Es war eine Zeit, in der man das Publikum mit Mozart anfüttern musste, mit Strawinsky aufscheuchen und mit Schönberg aus dem Saal treiben konnte. Auch in diesem Rahmen der frühen Jahre hat sich die Junge Deutsche Philharmonie erfolgreich behauptet, wie 1976 – zwei Jahre nach der Orchestergründung – der erste Platz im Herbert-von-Karajan-Wettbewerb und der Deutsche Schallplattenpreis für die Einspielung von Berlioz’ „Symphonie fantastique“ bewiesen. 

Wenn im Konzertbetrieb der wichtigste Unterschied zu anderen Orches­tern die gespielten Programme waren, dann war es für die interne Verfassung der Institution der gnadenlos basisdemokratische Grundsatz. Die Junge Deutsche Philharmonie lebt als Debatten-Orchester diese selbstgewählte und anstrengende Eigenschaft über all die Jahrzehnte mit großem Engagement aus. Komponisten waren für das Orchester nicht Noten-Lieferanten, sondern gefragte Kooperationspartner. Die mähliche Hinwendung zu innovativ gestalteten Programmen war nicht Ergebnis marktstrategischer Überlegungen, sondern Folge interner Willensbildungs-Prozesse. Veteranen der früheren Jahre erinnern sich voller emotionaler Begeisterung an diese Praxis – wie Ulf Werner, heute Orchesterdirektor und Programmdirektor am Berliner Konzerthaus. Für ihn war, wie er heute sagt, der enorme Erneuerungsdruck, der in dieses Orchester eingebaut ist, und der permanente Versuch, vieles in Frage zu stellen und immer wieder neue Lösungen zu kreieren, eine lebenslang wirkende Inspiration. Die basisdemokratische Komponente in der Selbstorganisation und im Selbstverständnis der Musikerinnen und Musiker prägen heute unter anderem auch das Ensemble Modern, das Freiburger Barockorchester und das Ensemble Resonanz, die aus der Jungen Deutschen Philharmonie hervorgegangen sind. Und dieser Geist hat längst angefangen, in der Orchesterlandschaft verändernd zu wirken, in die die hier sozialisierten Musikerinnen und Musiker nach und nach ausgewildert wurden. 

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Das Orchester redet mit: Dietmar Wiesner und Hans Zender bei einer Probe 1979. Foto: Kranick

Das Orchester redet mit: Dietmar Wiesner und Hans Zender bei einer Probe 1979. Foto: Kranick

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Der Geist der Selbstbestimmung macht sich auch hörbar. Dirigenten, die mit der Jungen Deutschen Philharmonie gearbeitet haben, wissen das zu schätzen. Ingo Metzmacher etwa sagte in einem Interview: „Man kann diese Erfahrung immer wieder machen, dass Orchester, deren Arbeit von Selbstbestimmung ausgeht, anders funktionieren. Da hat man sofort eine spürbar andere Energie der Musiker. Sie können schließlich hinterher nicht sagen, dass sie für das, was sie da spielen, nicht verantwortlich sind, also sind sie sehr bei der Sache.“

Unter den Dirigenten, die mit der Jungen Deutschen Philharmonie gearbeitet haben, kommt Lothar Zagrosek eine besondere Bedeutung zu. Er war von 1995 bis 2014 Erster Gastdirigent und Künstlerischer Berater. Seine Arbeit hat Maßstäbe gesetzt, die in der Jungen Deutschen Philharmonie nach wie vor zu spüren sind. Seit nun schon einem Jahrzehnt ist Jonathan Nott sein Nachfolger, er wird in diesen Tagen die Glut weiterreichen. Die Liste der Gastdirigenten aber, die im Laufe all der Jahre mit der Jungen Deutschen Philharmonie gearbeitet haben, ist lang und überaus prominent besetzt.

Der Konzertbetrieb, das professionelle Biotop der Jungen Deutschen Philharmonie, hat dieses Orchester angenommen. Es gibt eine kontinuierliche Nachfrage nach den originell gestalteten Konzertprogrammen, und es gibt in Punkto Originalität und Qualität hohe Erwartungen an das Orchester, die aus dessen Geschichte erwachsen sind. 

Überall im Konzertbetrieb trifft man heute auch an prominenten Stellen auf ehemalige Mitglieder der Jungen Deutschen Philharmonie, die sich als Dirigent*in, Musikmanager*in oder Solist*in einen großen Namen gemacht haben. 

Wie sehr sich der westliche Konzertbetrieb in den letzten 50 Jahren verändert hat, zeigen all die im Laufe der Jahre entstandenen Facetten dessen, was die Junge Deutsche Philharmonie bietet. Sie reformiert und erweitert kontinuierlich ihre Programme, arbeitet mit namhaften Solistinnen und Solisten, Komponistinnen und Komponisten, setzt sich auseinander mit der konventionellen Hör- und Konzertsaal-Situation.

Die Geschichte und die Chancen, Erfahrung zu akkumulieren und jung zu bleiben, sind längst nicht zu Ende. 

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