Fünf Ensemblestücke und eine Solokomposition („Vertical Horizon I“ für Klarinette) bilden das Porträt des deutschen Komponisten Tobias PM Schneid. Die Platte ist in der Reihe „Edition Zeitgenössische Musik“ des Deutschen Musikrates erschienen.
Wenn man die CD zum ersten Mal in die Hand nimmt, fallen vor allem die Titel ins Auge. „Weird scenes inside the mirror cages“, „umbrellas & sewing machines“ oder „the lonely monk’s reflections on reprocreational aspects in fractal organizations“ sind nicht gerade die selbstverständlichsten Bezeichnungen für musikalische Werke, auch wenn es sich um Neue Musik handelt. Fünf Ensemblestücke und eine Solokomposition („Vertical Horizon I“ für Klarinette) bilden das Porträt des deutschen Komponisten Tobias PM Schneid. Die Platte ist in der Reihe „Edition Zeitgenössische Musik“ des Deutschen Musikrates erschienen.
Nach dem ersten Durchblättern des Booklets könnte man befürchten, man hätte es mit noch einem Künstler zu tun, der seine unübersichtlichen Partituren mit bizarren, wortspielerischen Titeln aufzuwerten versucht, was bei den zeitgenössischen Komponisten leider nicht selten der Fall ist. Schon beim ersten Anhören werden jedoch alle Bedenken zerstreut. Die Überschriften öffnen nicht nur weite Assoziationsfelder für den Zuhörer. Sie spiegeln auch den Reichtum an musikalischen Ereignissen in den Werken wider, die von einer enormen Kreativität und einer erstaunlichen Vielfalt an kompositorischen Vorgehensweisen gekennzeichnet sind.
Ganz bewusst bildet Tobias PM Schneid seine bunten, magischen, ja manchmal nahezu surrealistisch scheinenden Klangwelten. Auch wenn die ephemere Statik der kaum wahrnehmbaren Geräusche mit den knackigen, kraftvollen Jazzrhythmen oder der fragilen, melancholischen Melodik verbunden ist, ist die kompositorische Logik und eine durchdachte Ordnung der Konstruktionen, die keinen Zufall zulässt, deutlich zu spüren. Schneid setzt sich besonders gerne mit scheinbar unvereinbaren Gegensätzen der musikalischen Materie auseinander, ohne sich in Gefahr des kitschigen Eklektizismus zu begeben. So ist zum Beispiel das erste Stück, „Prelude I: Harmonic Encounters“ für sieben Instrumente, ein durchaus gelungener Versuch, harmonische Oppositionen in eine neue Klangqualität zu verschmelzen. Die Suche nach einer Synthese, nicht nur auf der harmonischen Ebene, sondern eigentlich in allen möglichen Musikschichten und -dimensionen, ist auch ein besonderes Kennzeichen aller anderen Kompositionen. Auch wenn während des Hörens von „weird scenes inside the mirror cages I“, „I’m dancing on the edge of time“ oder „the lonely monk’s reflections...“ zahlreiche Assoziationen unter anderem mit Crumbs Kammerwerken, Ligetis Etüden oder mit Lutoslawskis später Verkettungstechnik entstehen, sind die irgendwie vertrauten musikalischen Inhalte in Schneids eigener, erkennbarer Sprache wiedergegeben. Die oft nachhallenden Jazz-Echos zeugen von der Rolle der Jazz-Inspirationen für den Komponisten. „Vertical Horizon I“ für Klarinette solo kann den Zuhörer faszinieren, nicht nur mit den ausgesuchten mehrstimmigen Effekten, sondern auch mit dem Reichtum der Faktur. Die virtuose Aufführung Carl Rosmans lässt eine versteckte Polyphonie des Stückes entdecken.
Das Ensemble musikfabrik unter der Leitung von Peter Rundel hat sein Bestes getan und seine Erstklassigkeit wieder bewiesen. Seine Interpretationen offenbaren die Fülle der magischen Kraft von Schneids Musik. Nicht ohne Grund vergleicht der Autor des einführenden Kommentars den Komponisten mit einem Alchemisten. Dabei ist seine Alchemistenküche absolut besuchenswert.