Damit hier nicht nur über Neue Musik im Allgemeinen debattiert wird, möchte ich mal eine konkrete Sache ansprechen. Hat es eigentlich je den Fall eines Plagiatsprozesses in der Neuen Musik gegeben? Wahrscheinlich nicht. Nicht, dass nicht abgeschrieben würde - das passiert andauernd bzw. immer mehr, denn langsam gehen die neuen Spieltechniken aus, und so kommt es zwangsläufig zu mehr Ähnlichkeiten. Aber vor den Kadi geht wohl keiner, weil sich finanziell nichts holen lässt - eine Folge des Nischendaseins der Neuen Musik. Ganz so rechtefrei geht es aber doch nicht zu. Denn es gibt die GEMA.
Die Werkanmeldung bei der GEMA erfordert die Angabe fremder Anteile, und gegebenenfalls die Lizenz des fremden Urhebers. Was ist aber ein fremder Werkanteil? Das ist nicht nur ein juristisches Problem, sondern schlechthin ein ästhetisches, spätestens seit der Postmoderne. Und auf der anderen Seite ist durch die Möglichkeiten des Internet-Downloads und den Bearbeitungsmöglichkeiten am Computer alle Musik Material geworden. Dem steht ein veraltetes Urheberrecht gegenüber.
Es gilt nachzudenken, ob das gegenwärtige Urheberrecht den Technologien und der Ästhetik nach noch tragbar ist. Kopiert wird überall und ist (notwendiger) Teil der Kultur. Was bringt es, ein Werk zu schützen? Verliert ein Komponist (der Neuen Musik, wohlgemerkt) dadurch nennenswert Geld? Sind seine eigenen Partituren völlig rein von fremden Ideen? Ich bin zu diesem Thema angeregt worden durch eine "Musiktheater"-Aktion des Komponisten Johannes Kreidler, der demnächst bei der GEMA ein Elektronisches Werk mit 70200 (!) Zitaten anmelden wird, und dazu tatsächlich 70200 Formulare mit den notwendigen Nachweisen bei der GEMA hineintragen lässt. Das finde ich eine gelungene Sache, einen konkreten ästhetischen und politischen Aspekt wieder als Kunst zu thematisieren.