Hauptbild
Eine Klarinettistin, ein Pianist und eine Cellistin in verschiedenen Farben. Etwas hinter ihnen steht ein klatschender Mann.

Foto: Martin Blaumeiser

Banner Full-Size

Ausdrucksstarke Kammermusik

Untertitel
Komponistenporträt Tobias PM Schneid mit dem „ensemble hartmann21“
Vorspann / Teaser

Eher selten widmen sich die Kammerkonzerte im Münchner Karl-Amadeus-Hartmann-Center neben der Musik des Namensgebers nur einem lebenden Komponisten. Am 13. Oktober stand jedoch im Münchener Hartmann-Center der aus dem fränkischen Rehau stammende Tobias PM Schneid (*1963), der vor allem durch sein Studium bei Bertold Hummel und Heinz Winbeck früh zu einer erstaunlich individuellen Sprache gefunden hat, ganz im Zentrum dieses quasi Porträtkonzerts. Bereits früh mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht, umfasst sein Schaffen das gesamte Gattungsspektrum vom Instrumentalsolo bis zum Musiktheater.

Publikationsdatum
Paragraphs
Text

Die an diesem Abend zu Gehör gebrachten Solostücke für Violoncello beziehungsweise Klarinette entstanden beide als Auftragswerke für internationale Wettbewerbe. Doch wollte Schneid damit keinesfalls Vorführ- oder „Zirkusäffchen“-Musik schreiben, sondern Inhalten vor Virtuosität Rechnung tragen. Die gebürtige Ungarin Nella Balog – Studentin von Wen-Sinn Yang an der HMTM (München), jedoch schon zuvor mehrfache Wettbewerbs-Preisträgerin – spielte aus Schneids 6-sätziger Cellosuite von 2014 leider nur die Sätze II., IV. und V., dies jedoch trotz anfänglich leichter Nervosität klanglich intensiv und mit großer Ausstrahlung. Hierbei wurde eine kurze, fast jazzige Pizzicato-Studie von zwei ausladenden Kantilenen umrahmt. Geriet deren erste vielleicht eine Spur zu langsam, demonstrierte die junge Cellistin mit „Elegiac Lullaby“ – gespickt mit heiklen Flageoletts – ein Stück staunenswerter, innigster Kontemplation.

Erst seit zwei Jahren studiert Katarína Farbová an der HMTM bei Lars Zolling. Schneids „Vertical Horizon IV (Mozart) Concert Variations“ spielt geschickt mit Material aus Mozarts Klarinettenkonzert – bis hin zu kurzen, erkennbaren Zitaten. Dass sie dieses erst kürzlich aufgeführt hatte, kam Farbová offensichtlich bei ihrer feinsinnigen Darbietung von Schneids Werk zugute. Mit immer spannendem Timing, klanglich sensibler Durchdringung der vom Komponisten eingebauten vertikalen (harmonischen) Bezüge über alle Register des Instruments und der nötigen Portion Humor bewies sie einmal mehr den natürlichen Umgang junger Instrumentalistinnen mit zeitgenössischem Repertoire. 
Dass die Verschränkung von fünf der „Sechs Bagatellen“ Schneids mit Sätzen aus Karl Amadeus Hartmanns „Kleinen Suiten“ für Klavier diesmal eher irritierte als neue Perspektiven eröffnete, lag sicher nicht am wie immer absolut souverän agierenden Pianisten Henri Bonamy, von Beginn an aktives Mitglied beim „ensemble hartmann21“. Keiner kennt die Möglichkeiten von Hartmanns eigenem Flügel so gut wie er, und technisch wie musikalisch überzeugte sein Vortrag der alles andere als leichten Stücke – dankbare Klaviermusik allemal.

Als Höhepunkt des Abends erwiesen sich allerdings Schneids „Cathedrals / Echoes I-III“. Die ursprünglich für Klavier solo geschriebenen „Cathedrals I-III“ (2003), bald darauf für mittleres Ensemble umgearbeitet, wurden nun in der Trio-Fassung uraufgeführt. Die Hörer erlebten eine ernsthafte, sehr persönliche Auseinandersetzung mit dem Tod: Ein Prozess des Rückzugs und Abschiednehmens, der trotz konstruktiver Materialorganisation – Allintervallreihe im 3. Satz – durch die perfekt abgestimmte Empathie obiger Interpreten mit enormem Tiefgang und Verständlichkeit vermittelt wurde, entsprechend mit dankbarem Applaus bedacht.
 

Print-Rubriken
Unterrubrik