„Nachdem sich über Jahrhunderte jüdische Komponisten mit der europäischen Kultur assimilierten, geht Peter Kiesewetter den umgekehrten Weg, schreibt ‚hebräische’ Musik. Diese Geste der Versöhnung durch die Rückbesinnung auf die alte, über dreitausend Jahre zurückreichende jüdische Kultur ist das Vermächtnis eines Künstlers, der in der Stunde Null nach dem NS-Regime und dem II. Weltkrieg geboren wurde“, schreibt der Herausgeber Franzpeter Messmer im Vorwort zum 51. Band der Monographienreihe „Komponisten in Bayern“ über Peter Kiesewetter. An dem Buch wirkten profilierte Autoren mit, die Peter Kiesewetter und seine Musik seit langem kennen.
Sabine Reithmaier verfasste ein sensibles, menschlich nahes und doch sehr objektives biografisches Porträt des Komponisten, der in Augsburg aufwuchs und an der Münchner Musikhochschule studierte. Kiesewetters „Entdeckung der Wüste“ bei einer Israelreise und die Erfahrung der Gefährdung des eigenen Lebens aufgrund seiner Parkinson-Erkrankung inspirierten ihn zu einem der bewegendsten und tiefsten musikalischen Oeuvres im 21. Jahrhundert.
Stephan Schmitt führte mit Peter Kiesewetter 2005 eines der letzten Gespräche, bevor den Komponisten seine Erkrankung zum Schweigen verurteilte. Humorvoll, manchmal voller Ironie berichtet er hier von seinem Weg und denen, die ihm dabei halfen, insbesondere von den beiden Hochschullehrern Hermann Pfrogner und Günter Bialas. Der Komponist Wilfried Hiller erinnert sich in seinem Beitrag an die gemeinsame Jugend in Augsburg und die Jahre an der Münchner Musikhochschule.
Im Werkteil beschreibt Helmut Rohm voller Intensität und mit großer Sachkenntnis Kiesewetters Orchesterkompositionen, dabei im Mittelpunkt die beiden Symphonien. Leopold Hurt beschäftigt sich mit der Kammermusik, darunter auch mit dem „Tango pathétique“, mit dem Kiesewetter seinen internationalen Durchbruch erlebte, als dieser von Gidon Kremer gespielt wurde.
Georg Glasl berichtet menschlich nah und voller Engagement für sein Instrument, wie Kiesewetter die Zither entdeckte und in Zusammenarbeit mit ihm Werke für dieses Instrument schuf, die zum Zentrum seines Schaffens wurden. Dem schließt sich eine detaillierte Analyse von „Gil“ durch Fredrik Schwenk an. Dabei zeigt er, dass „Gil“ weit mehr als ein pädagogisches Lehrwerk für Zither ist, nämlich höchste künstlerische Ansprüche erfüllt. Die wichtige Rolle des Hackbretts in Kiesewetters Werken beleuchtet kenntnisreich Birgit Stolzenburg. Gesang spielte für Peter Kiesewetter stets eine zentrale Rolle.
Alexander Strauch beschreibt den Weg des Komponisten, der von der Gregorianik ausging, sich alter italienischer Musik zuwandte und zuletzt durch Reduktion der Mittel und die Besinnung auf die Jahrtausende alte hebräische Kultur seinen ureigenen Ausdruck fand. Magret Wolf bringt in ihrem profunden Artikel zentrale Aspekte der „Zeit“ in Kiesewetters „hebräischen“ Werken zu Tage: das „Gedächtnis der Töne“, „erlebte“, „gezählte“ Zeit, die „Dehnung“ von Zeit entdeckt sie in Kiesewetters Werk und sieht in dieser Musik eine „archäologische Landschaft, die das Verschwiegene im authentischen Werk“ freilegt.
Nikolaus Brass beschreibt das Oratorium „Bereshit“ als eine „Erzählung in Musik“ und zeigt, wie meisterlich Kieswetter sein kompositorisches Handwerk zum Ausdruck letzter, grenzüberschreitender menschlicher Erfahrungen einsetzte. Dem Band gelingt es, auf die Musik eines der eigenständigsten Komponisten unserer Zeit neugierig zu machen und diese verstehen zu lernen. Die Monographie ist im Verlag Hans Schneider, Tutzing, erschienen.