2018 gründete die Konzertsängerin und Dozentin an der Musikhochschule München Anne Buter den Verein Musicians for a better life e.V. Angefangen hat sie mithilfe ihrer Studierenden mit einem Musikschulprojekt in Rumänien; mittlerweile setzt sich der Verein auch in Tansania ein und wagt sich an politisch heikle Themen wie die Genitalverstümmelung von Frauen in Afrika. Denise Maurer führte für die nmz ein Interview mit der Gründerin.
neue musikzeitung: Frau Buter, was war der Auslöser, den Verein zu gründen?
Anne Buter: Anfangs hat mich eine österreichische Organisation, die sich in Rumänien engagierte, gefragt, ob ich helfen möchte, dort Musikschulen aufzubauen, – speziell für Roma-Kinder. So kam es, dass ich in die Dörfer und Slums gereist bin, um mit den Kindern zu singen. Ich war sofort von der dortigen Situation aufgewühlt: Kinder, die vergessen sind, die kein fließendes Wasser haben, die zu zwölft in einem Zimmer wohnen. Für die Einzelstunde Gesang standen sie Schlange. „Habe ich denn eine Stimme?“, haben sie mich gefragt und ich sagte: „Natürlich hast du das!“ Da habe ich erleben können, was Musik auch außerhalb des Konzertsaales bewirken kann: Es kann diesen Kindern Selbstbewusstsein und eine Entwicklungschance geben. So habe ich mit Hilfe von Studierenden begonnen, in Rumänien Musikschulen aufzubauen. Ab einem gewissen Zeitpunkt brauchte es dazu einen eigenen Verein. In Tansania lief es ähnlich.
nmz: Auf der Website haben Sie angegeben, dass Nachhaltigkeit wichtig ist: Konnten die Musikschulen weitergeführt werden und wenn ja, wie?
Buter: Auf jeden Fall gibt es die Musikschulen noch. In Tansania haben die ansässigen Musiker*innen sogar einen eigenen Tochterverein Musicians for a better Life Tanzania gegründet. Dafür haben wir Musikinstrumente gespendet; der Verein konnte sogar Wettbewerbserfolge im Chor verzeichnen und hat die erste Geigenklasse Tansanias gegründet.
Auf allen Ebenen arbeitet der Verein in Tansania selbstständig, hat eigene Ideen. Langfristig ist das auch unser Ziel. Wir geben den Startschuss beispielsweise mit Workshops, die Münchner Studierende leiten. Dann übergeben wir an ansässige Musiker*innen.
In den rumänischen Schulen sehen wir seit 2019 die Entwicklung, dass die Kinder wieder mehr zur Schule gehen. Es sind eben kleine Samenkörner, die man ausstreut, und die auf unterschiedlichen Boden fallen. Und aktuell: Ein großes Musiktheater im August 2021 in Rumänien mit über 70 Kindern zeigt die Möglichkeiten und Fähigkeiten der Roma-Kinder, die dort oft diskriminiert werden.
nmz: Die Ng’oma Wagogo Oper ist das nächste, in mehrerlei Hinsicht aufwendige Projekt des Vereins. Was ist das Spannende daran?
Buter: Im Fokus steht die Zusammenarbeit mit der Musikergruppe „Wagogo Music Arts“, die ich in Tansania während der Education-Projekte kennengelernt habe. Als sie mich nach einem gemeinsamen Projekt gefragt haben, habe ich sofort ja gesagt. Das Thema hatte die Gruppe bereits: Das Schweigen brechen gegen die Genitalverstümmelung von Frauen. Da haben wir erst mal geschluckt.
Mithilfe von Catherine Elibariki Mushi, einer afrikanischen, klassischen Sängerin und Vorsitzenden unseres tansanischen Vereins, haben wir Interviews mit den Menschen in dem Dorf der Wagogos, einer Ethnie in Tansania, über das Thema und den Alltag damit geführt. Aus diesen wirklichen Lebensgeschichten habe ich zusammen mit Catherine das Libretto für die Oper geschrieben. Es wechseln sich moderne, klassisch komponierte Teile mit der traditionell-afrikanischen Musik der Wagogo Music Arts ab. Die modernen, klassischen Teile hat der in München lebende Komponist Henrik Ajax geschrieben – inspiriert von der Wagogo Musik. Die Gruppe Wagogo Music Art wollen mit der traditionellen Musik zeigen, dass sie Traditionen respektieren, dennoch in dem Punkt der FMG (female genital mutilation) anders leben wollen.
nmz: Stößt man als Europäer da niemanden vor den Kopf, wenn man sich in diese Themen einmischt?
Buter: Das Wichtigste ist, dass die Idee nicht von uns kam, sondern von den Wagogos selbst. Die Gruppe hat schon davor in ihren Liedern diese Missstände angeklagt. Die Musik von Henrik Ajax passt sich dem ein.
nmz: Was können beide Seiten vom interkulturellen Austausch lernen?
Buter: Der Austausch findet erst einmal in Tansania statt. Wir sind ein Verstärker für die Musiker dort. Wenn wir im Herbst dorthin fahren, wollen wir den Leuten dort auf Augenhöhe begegnen. Das ist uns sehr wichtig. Wir werden auch im Dorf oder neben dem Dorf wohnen und leben und mit ihnen dort proben. Wir wohnen also nicht im Hotel, sondern sind ganz nah bei den Menschen. Das heißt auch: Gemeinsam essen oder auf dem Feld mithelfen, denn die Wagogos leben sehr ursprünglich und sind sowohl Musiker als auch Bauern. Dann muss Henrik Ajax eventuell noch seine Musik an die der Wagogos anpassen, denn dort treffen beide Musikgruppen und Stile das erste Mal aufeinander. Das wird für uns eine echte changamoto, eine Herausforderung, wie man auf Kiswahili sagt!
Der Verein arbeitet ehrenamtlich und ist auf Spenden angewiesen.
Mehr Informationen unter https://www.mufoev.com/de