Was macht eine gute Chorleitung aus? Dass man Einsätze und Abschläge dirigieren kann? Auf allen erdenklichen Zählzeiten? Messerscharf jeden nur kleinsten Fehler heraushört? Souverän mit der Stimmgabel umzugehen gelernt hat? Menschen zum gemeinsam Singen motivieren und begeistern kann – auch bei ungewohnten oder neuen Klängen? Dass man Autorität besitzt oder sich zu verschaffen weiß? Auswendig zu dirigieren versteht? Selber eine schöne Stimme besitzt und Vorbild sein kann? Überhaupt etwas von Stimme und Stimmbildung versteht? Zu Helfen weiß, wo sich den Sängern Schwierigkeiten auftun? Mit Probenzeit verantwortlich und zielführend umgehen kann? Dass man über eine untrügliche Klangvorstellung verfügt? Sich im Repertoire auskennt und stilsicher bewegen kann? Weiß, was um einen herum in der Chorszene sonst noch so los ist? Vielleicht auch den Wettbewerb sucht? Oder gar, dass man gut aussieht, eine gute Figur macht – von vorne wie hinten?
Kompetenzkatalog und Persönlichkeit
Man wird antworten mögen: Von allem irgendwie etwas. Wahrscheinlich wird die Gewichtung jeweils unterschiedlich ausfallen. Hier und da ließen sich leicht auch prominente Gegenbeispiele benennen. Aber selbst in der überspitzt formulierten letzten Frage steckt ein Kern Wahrheit: Findet die Musik, die da in einem klingt, zu einem angemessen und ausgewogenen körperlichen Ausdruck, der möglichst viele Aspekte der Gestaltung einladend, differenziert und suggestiv abbildet, so wird das nicht wirklich schlecht aussehen können. Umgekehrt wäre die Liste aber auch problemlos erweiterbar. Was ist mit Klavierspiel, kommunikativem Geschick, Gespür für interessante Programmgestaltung, Krisenmanagement, Organisationstalent?
Kurz: Der Katalog an Kompetenzen, die eine „gute“ Chorleitung ausmachen, ist auf der einen Seite ungeheuer groß und breit, auf der anderen stark durch die jeweilige Persönlichkeit geprägt. Schließlich lassen sich Defizite in einem Bereich durch besondere Kompetenzen in einem anderen auch geschickt ausgleichen. Und am Ende geht es ja auch um die persönliche Interpretation, die ebenso durchdacht wie eigenständig sein soll und sich also durchaus unterscheiden und abheben darf.
Stärken stärken – Das Modell berufsbegleitender Lehrgang
Aus diesem Grund setzen die berufsbegleitenden Lehrgänge der Bundesakademie Wolfenbüttel auf eine intensive und individuelle Begleitung der Teilnehmenden in ihrer eigenen Chorpraxis. Kernkompetenzen werden sehr wohl fortlaufend unterrichtet und entwickelt. Dies aber immer in wechselseitiger Beziehung zueinander und zu dem, was die Chorleiterinnen und Chorleiter bereits an Erfahrungen und Können mitbringen. Im Zentrum der Arbeit stehen die Musik und die Menschen – von den Chorleiterpersönlichkeiten über die Chorsänger bis hin zum Publikum. Die Lehrgänge werden in drei verschiedenen Sparten angeboten: für das Singen mit Kindern und den Kinderchor, den gemischten Chor mit klassisch-modernem Repertoire sowie den Jazz- und Popchor. Die Qualifizierungen richten sich an bereits erfahrene Chorleiterinnen und Chorleiter. Über zwei Jahre erhalten diese in sechs Fortbildungswochen sowie durch umfangreiche begleitende Aufgabenstellungen eine intensive Förderung. Der aufbauende Unterricht umfasst neben dem „Handwerk“ der Sing- und Chorleitung insbesondere die Vermittlung, stilsichere Interpretation und künstlerische Gestaltung von Chormusik unter Einbeziehung der chorischen Stimmbildung. Der Abschluss (B-Schein) wird in Kooperation mit den Chorverbänden zertifiziert und bildet die höchste Qualifizierungsstufe im Fach Chorleitung, die außerhalb einer Hochschule erlangt werden kann. Er richtet sich jedoch ebenso an studierte Musikerinnen und Musikern zur beruflichen Professionalisierung im Schwerpunktbereich Chorleitung.
Neustart im Herbst: Chorleitung der Stufe B
Im Herbst 2012 startet neu der Lehrgang für die Leitung von gemischten Chören mit klassisch-modernem Repertoire. Die Unterrichtsinhalte sind ganzheitlich, das heißt, als sich wechselseitig ergänzende Aspekte ein und derselben Sache angelegt: der Erschließung und Vermittlung traditioneller Chormusik. Insbesondere werden die Fächer Musiktheorie, Tonsatz und Analyse nicht als von der Chorpraxis losgelöste Regelwerke vorgestellt. Ihr Unterricht zielt vielmehr auf das Verstehen und Verinnerlichen musikalischer Zusammenhänge – als Voraussetzung einer jeden Vermittlung und Interpretation.
Die „theoretischen“ Kenntnisse fließen in Probenvorbereitung und -methodik gleichermaßen ein wie auch Schlagtechnik und Dirigieren, chorische Stimmbildung und Gesang, Gehörbildung und Blattsingen, chorpraktisches Klavierspiel, Kommunikation mit dem Chor (Körpersprache, Präsenz, Zuwendung, Ansprache, Rhetorik, Motivation) sowie Probenorganisation und -dramaturgie (Disposition einzelner Proben wie längerfristiger Probenprozesse, Probenrhythmus, Rahmenbedingungen, Atmosphäre). Der Fächerkanon wird abgerundet durch Angebote zur Literaturkunde und Programmgestaltung sowie zum Chormanagement.
Das Dozententeam
Prof. Dr. Bodo Bischoff (Berlin), Andreas Cessak (Kassel), Silke Hähnel-Hasselbach (Falkensee), Markus Lüdke (Wolfenbüttel), Wolf-Rüdiger Spieler (Köln), Sven Stagge (Hannover), Beate Stanko (Cloppenburg)
Lehrgangsdaten
Termine: 18.–22.10.2012 (1. Phase), 2.–6.1.2013 (2. Phase), 8.–12.5.2013 (3. Phase), 2.–6.10.2013 (4. Phase), 2014 (5.&6. Phase)
Anmeldeschluss: 14. September 2012
Informationen zum Lehrgang und weiteren Fortbildungsmöglichkeiten:
Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel
Schlossplatz 13, 38304 Wolfenbüttel
Telefon 05331/80 84 11
Telefax 05331/80 84 13
eMail: post [at] bundesakademie.de (post[at]bundesakademie[dot]de)
Internet: www.bundesakademie.de