Seine Aktentasche scheint nicht viel jünger zu sein als er selbst. Handarbeit, ziemlich abgeschabt; kein Koffer, sondern die „klassische Form“. Ohne Zahlenschlösser natürlich – wozu auch? Der Typ des Managers ist Werner Mayer nicht, auch wenn er über 30 Jahre den Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen höchst erfolgreich gesteuert hat, auch wenn er als Präsidiumsmitglied des Bayerischen Musikrates, Vorstandsmitglied des Verbandes deutscher Musikschulen, der Aktionsgemeinschaft Musik in Bayern, der Bundesakademie Trossingen und Inhaber mancher anderer Ämter fast schon ein klassischer Multi-Funktionär ist.
Doch Werner Mayer passt in kein Klischee. Im Hauptberuf Musikschulleiter in Weilheim, zugleich Geschäftsführer des Bayerischen Verbandes und als solcher Leiter einer Beratungsstelle, die den Musikschulen ebenso wie den Kommunen zur Verfügung steht. Unermüdlich hat er dargelegt und dafür gekämpft, dass eine qualitätsvolle Musikschularbeit abgesicherter Strukturen bedarf und nicht zum Nulltarif zu haben ist. Ohne seine Arbeit hätte es weder die bayrische Musikschulverordnung noch den darin verankerten Namensschutz für den Begriff „Musikschule“ gegeben.
Im Verband deutscher Musikschulen war Werner Mayer über viele Jahre der unumstrittene Spezialist in arbeitsrechtlichen Fragen. Auch, als er dem Bundesvorstand nicht mehr angehörte, blieb er unser wichtigster Mann, wenn auf diesem Feld Gespräche – etwa mit der VKA – zu führen waren. Und wenn unsere Gesprächspartner einem Mann, dessen Erscheinungsbild vielleicht an einen Künstler wie Wilhelm Backhaus mit einer kleinen Prise Karl Valentin denken lässt, auf den ersten Blick wohl kaum Beschlagenheit in hochspeziellen juristischen Fragen zugetraut haben, so mussten sie schnell erkennen, dass er die Zusammenhänge oft am Klarsten durchschaute und argumentativ nicht abzuschütteln war.
Werner Mayer ist ein kritischer Geist. Mehr als einmal hat er angerufen und ein Papier, das auf seinem Schreibtisch gelandet war, unumwunden als „Mist“ bezeichnet. Und er hat auch mal „quer geschossen“, wenn er überzeugt war, dass Dinge ganz in die falsche Richtung laufen. Aber seine Kritik hatte immer eine unverkennbare Wurzel: die Liebe zur Musikschule und eine große Zuneigung zum VdM, dessen Bedeutung für die Entstehung und Fortentwicklung der Musikschulidee er ganz und gar verinnerlicht hat.
An seiner Solidarität hat er nie einen Zweifel gelassen. Kam es im VdM gelegentlich zu einer schwierigen Situation, womöglich zu einer Lage, die den Zusammenhalt dieses für die Musikschulen unentbehrlichen Vereins hätte gefährden können, trat Werner Mayer ans Rednerpult. Wenn er, ohne die Stimme zu erheben, in klarer und wohlgesetzter Rede strukturelle Fragen aufblätterte, politische Konsequenzen beschrieb, dann wussten die Mitglieder: da redet keiner, um eigene Schäfchen ins Trockene zu bringen und vertrauten mit großen Mehrheiten seinem Rat.
Werner Mayer hat den bayrischen Landesverband des VdM mitbegründet und über mehr als drei Jahrzehnte geprägt. Als Geschäftsführer diente er, wie man so sagt, einer ganzen Reihe von Vorsitzenden. Aber die Wahrheit ist eine andere: ER hat den Bayerischen Verband regiert, wenn auch auf eine so sanfte und zurückhaltende Art, dass man es fast übersehen konnte und verbandspsychologische Verwerfungen ausgeschlossen waren.
Musikschulleiter, Geschäftsführer, Berater, Manager ohne Koffer, Musiker (trotz aller Geschäfte immer „am Bass“), Musikpädagoge mit großer Zuneigung zum elementaren, ursprünglichen Musizieren und nicht geringer Abneigung gegen alles Elitäre und Allzu-Frühe. Die Bedeutung von „Jugend Musiziert“ hat er selbstverständlich anerkannt, aber doch persönlich Abstand gehalten.
In seiner Aktentasche klafft seit einiger Zeit ein ziemlich großes Loch. Ob er jetzt schon in Pension geht, weil er keine Lust hat, eine neue zu kaufen? Nein, das wird wohl nicht der Grund sein.
Niemand ist unersetzbar, sagt man. Für unsere Bayerischen Kollegen hoffe ich sehr, dass Werner Mayer wenigstens in diesem Punkt einmal keine Ausnahme sein wird.