Hauptbild
Frauen mit allen erdenklichen Hautfarben und Kleiderformen stehen als großer Chor zusammen auf der musicalwürdig beleuchteten Bühne.

Der internationale Frauenchor WoW – Women of Wuppertal der Bergischen Musikschule bei der Eröffnung der Bundesversammlung 2024. Foto K. Heiderich/VdM

Banner Full-Size

Ein Pakt zur Sicherung der öffentlichen Musikschulen

Untertitel
Hauptarbeitstagung und Bundesversammlung des Verbandes deutscher Musikschulen in Wuppertal
Vorspann / Teaser

Neben der Forderung nach mehr Bildungsgerechtigkeit bei der musikalischen Bildung von Kindern und Jugendlichen stand im Zentrum der Hauptarbeitstagung des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM) am 27. April 2024 in der Historischen Stadthalle Wuppertal wie auch bereits bei der vorhergehenden Bundesversammlung des VdM das große Problem des stark steigenden Fachkräftemangels an Musikschulen und die daraus folgenden Konsequenzen für die Musikschularbeit.

Publikationsdatum
Paragraphs
Text

Eine Stärkung des Berufsbildes der Musikschullehrkraft mahnte der Bundesvorsitzende des VdM, Friedrich-Koh Dolge, in seiner Rede in Wuppertal an: „Der Fachkräftemangel in unseren Musikschulen nimmt mittlerweile, im Besonderen in der Elementaren Musikpädagogik, dramatische Ausmaße an.“ Dies hänge auch mit der Vergütung der Lehrkräfte zusammen: „Die Tarifmerkmale für die Eingruppierung von Musikschullehrenden in Deutschland, die seit 37 Jahren nicht mehr verändert wurden, bilden lange nicht mehr die Arbeitswirklichkeiten in der Musikschule ab. Deshalb müssen wir gemeinsam an einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Musikschulpädagogik arbeiten, damit wir wieder junge Menschen für die Tätigkeiten in den öffentlichen Musikschulen gewinnen und damit auch gemeinsam dem Fachkräftemangel entgegenwirken können. Dies ist umso wichtiger, da Musikschulen als Teil der kommunalen Bildungslandschaft – zum Beispiel in der Ausgestaltung und Umsetzung des Ganztagsförderungsgesetzes ab 2026/27 – stark gefordert sind. Musikalische Bildung als Startkapital für ein gelingendes Leben! Um sich allen Herausforderungen – die der Umsetzung des Bundessozialgerichtsurteils, der Einführung des Ganztagsförderungsgesetzes, des Fachkräftemangels und damit auch der Nachwuchsgewinnung – stellen zu können, bedarf es eines Zusammenwirkens aller gesellschaftlichen Ebenen“, betonte Dolge.

Bild
In einem klassizistisch verzierten Gebäude ist ein weißer Tresen mit den 5 Personen dahinter aufgebaut. Namensschilder stehen vor ihnen.

Kulturpolitisches Forum WDR 3 zur „Zukunftsfähigkeit von Musikschulen“: Friedrich-Koh Dolge, Dr. Michael Köhler, Daniela Schneckenburger, Marc Elxnat und Dr. Bernhard Langenbrinck (v.l.n.r.). Foto: K. Heiderich/VdM

Text

Tarifentwicklung an Musikschulen

In der von Matthias Pannes moderierten Podiumsdiskussion bei der Eröffnung der Bundesversammlung zum Thema „Tarifentwicklung und Nachwuchsgewinnung an Musikschulen“, ging es darum, wie die Attraktivität des Berufsbildes einer Musikschullehrkraft erhöht werden kann, auch im Hinblick auf die Einkommenssituation und sichere Arbeitsverhältnisse.

Dazu versicherte Niklas Benrath, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), dass die eindrücklichen Schilderungen des VdM von der VKA als Dachverband der kommunalen Arbeitgeberverbände und Tarifvertragspartei des TVöD sehr ernst genommen würden und sie bei der verbandsinternen Aufarbeitung noch einmal auf den VdM zukommen werde. Bei der Verhandlung der Entgeltordnung des TVöD von 2005 bis 2016 sei diese bedauerlicherweise für die Musikschullehrkräfte nicht angepasst worden. Dazu bekräftigte er: „Der Bereich der Musikschullehrkräfte ist anpassungsbedürftig.“
Dass der Bedarf der Überarbeitung der Entgeltordnung für Musikschullehrkräfte aufgrund der gestiegenen Anforderungen an die Lehrtätigkeit von Musikschullehrkräften „eklatant“ sei, erklärte Christoph Schmitz-Dethlefsen, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. Nach den Regularien des öffentlichen Dienstes sei es dringend nötig, dass Arbeitgeber und Gewerkschaft in der gemeinsamen Verantwortung zu einer Anpassung kommen.

Michaela Stoffels, Referentin für Kultur beim Deutschen Städtetag, sagte: „Aus unserer Sicht ist es ganz klar: Städte müssen das Versprechen einlösen, musikalische Teilhabe in den Städten zu ermöglichen für möglichst viele Kinder, Heranwachsende und erwachsene Menschen. Das signalisieren wir als Deutscher Städtetag seit Jahrzehnten.“ Ein gemeinsames Positionspapier der drei kommunalen Spitzenverbände, in dem die besondere Rolle der Musikschulen in der Stadtgesellschaft betont werde, solle im Herbst finalisiert und beschlossen werden, um Einfluss zu nehmen.

Der Bildungsauftrag der Musikschulen, der auch noch steigen werde, müsse hervorgehoben werden, so Schmitz-Dethlefsen: „Bildung ist eben keine freiwillige Leistung, sondern Bildung ist ein Grundrecht in diesem Lande und muss finanziert werden.“ Arbeitgeber­attraktivität habe „viel mit Verlässlichkeit, also Festanstellung, mit Planbarkeit und mit einer angemessenen Eingruppierung zu tun. Das kostet Geld. Und da sind die Kommunen von den Ländern auch alleingelassen worden. Wir brauchen da ein starkes Engagement der Länder, die stärker in die Verantwortung gehen müssen. Kommunen und Länder haben dabei einen gemeinsamen Bildungsauftrag. Diese Bildung darf nicht vom Geldbeutel abhängig sein, sondern muss allgemein verfügbar sein, denn sonst wird es diesen integrativen Anspruch, den Musikschulen haben, nicht erfüllen.“

Nachwuchsgewinnung

Am Folgetag waren beim Kulturpolitischen Forum WDR 3, moderiert von Michael Köhler, die Themen „Zukunftsfähigkeit von Musikschulen mit den Schwerpunkten Nachwuchsgewinnung, Tarifentwicklung und Beschäftigungsverhältnissen“ Kernpunkte der Diskussion. 

Bernhard Langenbrinck, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung kommunaler Arbeitgeber in NRW wies auf die Herausforderungen der Kommunen im Hinblick auf die Umwandlung von Honorarverträgen in sozialversicherungspflichtige Anstellungsverhältnisse hin. Er stellte klar, dass es jetzt an der Zeit sei, die schon lange fällige Aktualisierung der Tarifmerkmale für Musikschullehrkräfte anzugehen. Das Tarifgefüge müsse so verändert werden, dass es attraktiv werde, auch um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Viele Musikschulen seien schon auf dem Weg, vernünftige Lösungen zu finden, um die Folgen des „Herrenberg-Urteils“ des Bundessozialgerichts (BSG) abbilden zu können, erklärte Marc Elxnat, Beigeordneter des Deutschen Städte- und Gemeindetages. Im Sinne der kulturellen Teilhabe und der musischen Bildung sei es „ganz klar, dass die Kommunen ein großes Interesse haben, diesen Weg weiterzuschreiten“, auch mit Blick darauf, den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung umzusetzen, „wo wir natürlich auch auf die Musikschulen zählen“.

Der VdM-Bundesvorsitzende Friedrich-Koh Dolge machte dabei deutlich, dass die Musikschulen eine politische Unterstützung für eine Übergangsfrist zur Umwandlung der Honorarvertragsverhältnisse bräuchten, mit einer strukturierten Übergangszeit. Durch die Auswirkungen des BSG-Urteils könne das Berufsbild der Musikschullehrkräfte verbessert werden. Ein wichtiger Aspekt sei auch die Bildungsgerechtigkeit in Deutschland, die davon abhängig sei, wo ein Kind aufwachse. Für gleiche Lebensverhältnisse bedürfe es mit allen Bundesländern und der kommunalen Ebene einen Pakt für Musikschulen. Bei den Kosten für die öffentlichen Musikschulen sei eine gerechte Aufteilung zwischen Ländern, Kommunen und Eltern erforderlich, so Dolge, denn „wir können nicht die Eltern und Kommunen alleine lassen und die Kosten tragen lassen, die jetzt auf uns zukommen.“

„Menschen brauchen Musik und deshalb brauchen wir Musikschulen“, sagte die Beigeordnete des Deutschen Städtetages, Daniela Schneckenburger und forderte: „Wir brauchen einen Digitalpakt 2, weil er Entlastungsspielräume in den kommunalen Haushalten schafft, weil diese Spielräume für die Musikschulen und die Festanstellungen genutzt werden können.“ Diese Aufgaben müssten aber dauerhaft finanziert werden können und nicht nur über Programme.

Einen Pakt für Musikschulen von Bund, Ländern und Kommunen, um Kindern und Jugendlichen Bildungsgerechtigkeit zu ermöglichen, forderten die Podiumsredner. 

Umsatzsteuerbefreiung

An die Bundespolitik stellten sie den Auftrag, die Umsatzsteuerbefreiung für die musikalische Bildungsleistung der Musikschulen beizubehalten, um diese nicht noch durch Steuern zu verteuern.

Ein Plädoyer für die Umsatzsteuerbefreiung sprach auch Helge Lindh MdB, Mitglied im Kulturausschuss des Deutschen Bundestages, in seinem Grußwort auf der Hauptarbeitstagung aus. „Solche Bildungsleistungen sollen umsatzsteuerfrei gestellt werden“, sagte er. Deshalb unterstütze er auch die Forderung des VdM, dass auch die Frage der Bescheinigung nicht durch Finanzbehörden erfolgen müsse, sondern durch fachlich geeignete Behörden. 

Auch das Bundessozialgerichtsurteil sei selbstverständlich begrüßenswert, so Lindh, „denn anständige, würdevolle, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse sind eine Gemeinschaftsaufgabe“. Er forderte eine „Mission Musikschule“, bei der sich Bund, Länder und Kommunen zusammentun, um die Infrastruktur der Musikschulen zu sichern.

Zu dem Thema „Tarifentwicklung und Arbeitsplatz Musikschule“ ebenso wie zu den Themen „Musikschule und Nachhaltigkeit“, „Digitale Entwicklungen in der Musikschule“, „SVA: Musikschulen und Frühförderinstitute“ und „Diversität in der Musikschule“ setzten sich die Teilnehmer der Hauptarbeitstagung danach in parallel stattfindenden und am Nachmittag wiederholten Workshops auseinander, deren Ergebnisse für VdM-Musikschulen im VdM-Mitgliederbereich abrufbar sind.

Das Kulturpolitische Forum WDR 3 der Hauptarbeitstagung ist hier abrufbar.

Print-Rubriken
Unterrubrik