Dass die Teilhabe an musikalischer Bildung allen Kindern zugänglich gemacht werden sollte, ist kein neuer Gedanke. Seine fachgerechte Umsetzung in die Praxis jedoch trieb die Initiatoren des Transfer-Projektes „Musikalisierungskonzept für Kindertagesstätten“ der Hochschule Osnabrück (Institut für Musik) um. Aus diesem Grund entwickelte das Institut für Musik der Hochschule unter Leitung von Thomas Holland-Moritz und Karoline Braun im Rahmen eines Transferprojektes ein Konzept, dessen musikpädagogische Inhalte die Arbeit in Kindertagesstätten unterstützen und dessen Umsetzung durch ein neuartiges Mentorenprogramm gesichert werden sollte. Ein Ziel dieses Projektes, das von 2009 bis 2011 in Lingen/Ems durchgeführt wurde, war, die Zusammenarbeit verschiedener, mit frühkindlicher Bildung befasster Institutionen zu vernetzen.
Bei der Auswahl der Projektpartner wurde darauf geachtet, dass Ausbildungsebene und die Ebene der Berufs-praxis miteinander verbunden wurden. Auf Ausbildungsebene waren dies das Institut für Musik der Hochschule Osnabrück (Studium Instrumentalpädagogik) und die Fachschule St. Franziskus in Lingen (Ausbildung Sozialassistenz, Erzieher/Innen), im Bereich der Berufspraxis die Musikschule des Emslandes und fünf Kindertagesstätten in der Stadt Lingen/Ems. Das Projekt wurde unterstützt von der Historisch-Ökologischen Bildungsstätte in Papenburg (Erwachsenenbildungsträger) und finanziell gefördert vom Niedersächsischen Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) und der Stadt Lingen/Ems.
Für die praktische Umsetzung der Idee war den Initiatoren wichtig, dass das Wissen nicht im Rahmen externer Fortbildungsveranstaltungen an einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kindertagesstätten weitergegeben, sondern vielmehr in jede einzelne Einrichtung und dadurch in das ganze Mitarbeiterteam getragen wurde. Aus diesem Grunde erhielt jede Einrichtung eine musikalische Fachkraft der Musikschule, eine Mentorin, die einmal wöchentlich für einige Stunden mit den Kindern vor Ort musikpädagogische Angebote durchführte. In diesen „Impulsstunden“ waren die Erzieherinnen anwesend. In den ersten Monaten hospitierten sie nur und erhielten durch ihre Mentorin während der und nach den Unterrichtseinheiten nähere Erläuterungen über das Gesehene. So konnten sie im Laufe der weiteren Woche das Erlebte mit den Kindern wiederholen. Nach einiger Zeit übernahmen sie dann selbst einige Aufgaben bis sie am Ende der Projektzeit selbständig Einheiten vorbereiteten und durchführten.
Allen Beteiligten fallen durch diese neuen Aufgaben neue Rollen zu: Die Erzieherinnen, auch jene, die bisher kaum Kontakt mit Musik hatten, übernehmen tatsächlich die Verantwortung für die musikalische Bildung der ihnen anvertrauten Kinder. Aber auch die Mentoren, Musikschulkräfte, die das musikpädagogische Know-How für diese neue Art der Arbeit mitbringen, brauchen weitergehende Informationen für Ihre Aufgabe: Hintergrundwissen über Abläufe und Einflüsse in Kindertagesstätten, Kompetenzen in Gesprächsführung und vieles mehr. Sie erhielten ein Weiterbildungsangebot durch Dozenten der Fachschule St. Franziskus, das die Themen „Kindergarten-Didaktik“ und „Mentoring“ umfasste. Die Erfahrungen der zweijährigen Projektlaufzeit wurden im Rahmen einer Fachtagung in Lingen/Ems vorgestellt. Hier wurde einmal mehr deutlich, wie eng die Projektpartner inzwischen zusammenarbeiten. Nach Vorträgen von Christa Schäfer, Landesverband der Musikschulen Rheinland-Pfalz, und Karoline Braun, Hochschule Osnabrück, erhielten die Teilnehmenden einen praktischen Einblick in die gemeinsame Arbeit der Projektpartner durch eine eindrucksvolle Vorführung der Kinder der beteiligten Kindertagesstätten. Workshops für Erzieherinnen und Musikschulkräfte durch Dozenten der Fachschule und der Musikschule rundeten den Tag ab.
Fazit
Die Erfahrung zeigt, dass nach anfänglichen Vorbehalten („Anbieter von außen“) die Mentorinnen sehr gut in den Kita-Teams aufgenommen wurden. Die Erzieherinnen und Erzieher nutzten die Möglichkeit, sich mit wenig zusätzlichem Zeitaufwand ein weiteres Themenfeld im Bereich frühkindlicher Bildung sachgerecht zu erschließen.
Gleichzeitig bietet das System des Mentorings ihnen die Möglichkeit, das Heft des Handelns in der eigenen Einrichtung in den eigenen Händen zu behalten. Allen Beteiligten war zu Beginn des Projektes besonders wichtig, dass die Mentoren zu einem späteren Zeitpunkt wieder abgezogen werden können.
Diese neue Art der Zusammenarbeit stellt sicher keine Konkurrenz zu bekannten Modellen der EMP dar, da sie methodisch ganz anders aufgebaut ist und das inhaltliche Niveau hier deutlich niedriger anzusiedeln ist als in einer EMP-Unterrichtseinheit. Auf diese Weise wird aber sehr vielen Kindern ein sachgerechter Einstieg in musikalische Bildung ermöglicht und es entstehen neue Bildungspartnerschaften.
Im Übrigen: Keine der beteiligten Kindertagesstätten wollte ihre Mentorin zu Projektende gehen lassen, und so läuft das Projekt dort – wie auch in vielen anderen Kitas im Emsland – nun über die Landesförderung („Musikland Niedersachsen – Wir machen die Musik“) weiter.