Der Landesverband der Musikschulen in Rheinland-Pfalz feiert in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag: Anlass für ein nmz-Gespräch mit dem Vorsitzenden Christoph Utz (Leiter der Musikschule des Rhein-Pfalz-Kreises) und Geschäftsstellenleiterin Marion Dürr. Das Gespräch führte Barbara Haack.
Wichtige Schnittstellenfunktion
neue musikzeitung: 60 Jahre Landesverband Rheinland-Pfalz: Gab es Meilensteine oder herausragende Erfolge in dieser Zeit?
Christoph Utz: Als der Landesverband gegründet wurde, hatten wir noch keine Landesförderung. Als es dann die erste Million vom Land gab, war das sicher ein Meilenstein. Im Folgenden hat es einen leichten Aufwuchs gegeben. Wir sind heute bei etwa 3,5 Millionen Euro Landesförderung für die Musikschulen. Das ist sicher anerkennenswert, aber aus unserer Sicht für eine dauerhafte Zukunftsperspektive der Musikschulen in Rheinland-Pfalz noch keine ausreichende Basis.
Es ist uns auch gelungen, die Zahl der Mitgliedsschulen auf bis zu 45 in der Spitze zu bringen, so dass wir eine annähernde Flächendeckung hatten. Inzwischen sind es nur noch 41 Musikschulen, und es besteht die Gefahr, dass wir irgendwann unter die 40 rutschen, weil nicht alle Förderungen auf der kommunalen Ebene stabil sind. Es gab schmerzliche Einschnitte, als im Landkreis Neuenahr Ahrweiler oder auch in Neustadt an der Weinstraße die Musikschulen geschlossen wurden. Wir haben also auf der einen Seite positive Entwicklungen – einige Musikschulen sind sehr gut aufgestellt –, auf der anderen Seite aber auch Verluste.
nmz: Musikschulförderung durch das Land ist auch in anderen Bundesländern ein aktuelles Thema. Eine Drittelteilung steht im Raum, die es allerdings derzeit in keinem Bundesland gibt. Wie steht es damit in Rheinland-Pfalz?
Utz: Die Drittelfinanzierung – ein Drittel Eltern, ein Drittel Kommunen und ein Drittel Land – war eine Ur-Idee des VdM, als die ersten Musikschulen neu gegründet wurden. Es ist sicher unrealistisch zu denken, dass wir das bald erreichen. Aber die langfristige Perspektive muss es bleiben. Es geht dabei auch um eine Teilung der Verantwortungsebenen. Das können die Landesverbände nicht alleine vertreten; der Bundesverband sollte gemeinsam mit den Landesverbänden weiter an diesem Ziel arbeiten.
Wir haben in Rheinland-Pfalz zwei Ebenen, auf denen es auch auf anderem Weg eine Annäherung an dieses Drittel geben könnte. Zum einen gibt es den Anspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026. Da wird das Land zusätzliches Geld in die Hand nehmen. Zum Teil wird das in bauliche Maßnahmen fließen. Aber es geht natürlich auch darum, einen sinnvollen Ganztag inhaltlich zu organisieren. Wir haben ja schon das Modell der Dienstleistungsverträge mit Ganztagsschulen. Ein Teil des angestrebten Drittels könnte zukünftig auch aus dem Bildungsbereich kommen.
Ein zweites denkbares Szenario sehe ich in der Diskussion über den Kulturentwicklungsplan. Auch da wird es um die Frage gehen, inwieweit im Rahmen dieses Kulturentwicklungsplans mehr Mittel für die Musikschulen bereitgestellt werden. Es ist dabei wichtig, noch einmal die Netzwerkstrukturen der Musikschulen zu formulieren: Welche Aufgaben haben sie für ein Musikland Rheinland-Pfalz? Welche Aufgaben haben sie im Zusammenspiel mit Ganztagsschulen, mit Kindertagesstätten, mit dem Musikvereinswesen, mit der freien Musikszene, mit dem Ensemblespiel in den allgemeinbildenden Schulen? Wir müssen deutlich machen, dass, gerade weil man Musikschulen hat, auch anderes weiterhin möglich bleiben wird.
nmz: Ein anderes Thema, ebenfalls nicht nur in Rheinland-Pfalz, ist die Frage nach einem Kulturfördergesetz oder einem Musikschulgesetz. Sind Sie da hoffnungsvoll?
Utz: Der Landesmusikrat Rheinland-Pfalz strebt derzeit ein Kulturfördergesetz an. Wenn es ein solches gäbe, wären die Musikschulen Teil dieses Gesetzes. Wenn das in einem systemischen Ganzen formuliert wird, könnten wir natürlich auch mit einem Kulturfördergesetz gut leben. Auch hier wäre es allerdings wichtig, vorher zu klären, welche Verantwortungsebenen es gibt, um das Ganze zu finanzieren. Die kommunale Ebene allein wird das nicht tun.
Im Übrigen kann man aus meiner Sicht Kultur und Bildung gar nicht getrennt sehen. Wir sind da in einer Zwittersituation. Auf der einen Seite sind wir Bildungspartner, auf der anderen Seite Kultureinrichtung. Wenn Musikschulen zukünftig mehr in den Bildungsbereich gehören, ist die Frage, ob wir in einem Kulturfördergesetz noch gut aufgehoben sind. Eigentlich bräuchte es ein Kulturfördergesetz, in dem auch der Bildungsanteil mitformuliert ist.
nmz: Wie ist der Rückhalt in den Kommunalen Spitzenverbänden?
Utz: Es steht ein Gespräch mit den Kommunalen Spitzenverbänden an, in dem es genau um diese Frage geht. Es ist nicht sinnvoll, dass der Landesverband der Musikschulen allein Forderungen stellt. Der Schwerpunkt müsste jetzt sein, gerade auch, weil es den Kommunen immer schwerer fällt, Musikschulen alleine zu finanzieren, gemeinsam mit den Kommunalen Spitzenverbänden Forderungen zu formulieren.
nmz: Woran liegt es, dass es gar nicht so einfach ist, die Kommunalen Spitzenverbände ins Boot zu holen?
Utz: Die Kommunen sind am Ende der Kette, wenn es um die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben geht. Es würde ihnen natürlich leichter fallen, sich für eine kommunale Pflichtleistung oder eine gesetzliche Regelung einzusetzen, wenn die Finanzierung klar geregelt wäre. Deshalb werden die kommunale Ebene und das Land nur gemeinsam die Frage beantworten können, ob es ein Kulturfördergesetz geben wird.
nmz: Es wird immer wieder auch kritisch gesehen, dass die Musikschulen zu den freiwilligen Leistungen einer Kommune gehören.
Utz: Die Forderung nach einer Pflichtleistung wird von den Musikschulen gerne geäußert, weil man glaubt, sich dann in einem sicheren Fahrwasser zu bewegen. Aber man sieht jetzt am Beispiel des öffentlichen Nahverkehrs, dass das ein zweischneidiges Schwert ist. Auch eine Pflichtleistung wird nur im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten erfüllt. Deshalb ist die Formulierung einer Pflichtleistung allein wahrscheinlich nicht die Lösung. Umgekehrt wird die Definition einer freiwilligen Leistung der Aufgabenstellung und der Bedeutung des Musikschulwesens nicht mehr gerecht – wenn man zum Beispiel sieht, was wir zur Breitenarbeit, zum Laienmusizieren und was wir als Bildungspartner in den allgemeinbildenden Schulen beitragen. Gerade bei den Kooperationen sind wir, was die Weiterentwicklung des Profils der öffentlichen Musikschulen angeht, sehr erfolgreich.
nmz: Dieses weit gefächerte Profil der Musikschularbeit haben Sie auch in Ihrem Jubiläumskonzert aufgezeigt.
Utz: Ja, es war uns ein Anliegen, die Breitenarbeit der Musikschulen zu dokumentieren, aber auch die Spitzenförderung und die Vernetzung von Musikschulen deutlich zu machen: Wo sind Schnittstellen entstanden, die es vor 40 Jahren noch nicht gab? Damit wollten wir auch die Systemrelevanz des Musikschulwesens deutlich machen.
Das Konzert begann mit einem Projekt „Singen ist Klasse“, das von der Strecker Stiftung gefördert wird – mit Grundschulkindern aus Brennpunktschulen, die an einem Singprojekt teilgenommen haben. Damit haben wir dokumentiert, wie sinnvoll es ist, mit allgemeinbildenden Schulen im Bereich des Singens zu kooperieren und dass man hier Integrationsarbeit leisten kann. Dann hatten wir ein Inklusions-ensemble der Musikschule Simmern, ein Ensemble mit fast 40 Menschen mit und ohne Einschränkung, die gemeinsam musiziert haben. Das wurde vom Publikum bejubelt. Dann hatten wir im Spitzenbereich ein Holzbläserensemble, das bis zum Bundeswettbewerb Jugend musiziert gekommen ist.
Marion Dürr: Drei Mitglieder dieses Ensembles kommen ursprünglich aus einer Bläserklasse, also auch aus einer Kooperation, und sind mittlerweile im Spitzensegment angekommen. Das ist auch beispielhaft.
Utz: Es ging uns um die Themen Breite, Spitze, Vernetzung, Integration und Inklusion – diese fünf Themenbereiche haben wir in unserem Konzert dargestellt. Wir hatten das Glück, dass bei diesem Konzert die Ministerpräsidentin anwesend war, ebenso wie die Kultusministerin. Die Ministerpräsidentin hat sich die Zeit genommen, bis zum Schluss dazubleiben. Das zeigt, dass sie unserer Arbeit eine große Wertschätzung entgegenbringt.
Dürr: Was von der politischen Seite auch wahrgenommen wurde, ist, dass es die Musikschulen sind, die auf ihre Partner zugehen, dass sie sich ihrer Schnittstellenfunktion bewusst sind und diese aktiv mit Leben füllen.
Utz: Ich denke, dass es beim Land und bei den Vertretern der Kommunalen Spitzenverbände angekommen ist, welche zentrale Funktion die Musikschule als Netzwerkeinrichtung und als systemrelevante Basiseinrichtung hat und wie viele Schnittstellenfunktionen für das gesamte Musikleben die öffentlichen Musikschulen wahrnehmen. Es ging uns auch darum zu dokumentieren, was fehlt, wenn man riskieren sollte, den Bestand der Musikschulen auf den Prüfstand zu stellen.
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