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Blödes Wort, aber richtig: Kulturpflichtaufgabe

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Frank Werneke, Eckhard Kussinger und Burkhard Baltzer im Gespräch
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Lasst uns Pläne schmieden: Euphorie nach dem Kooperationsvertrag zwischen ver.di und dem Orchesterverband. Burkhard Baltzer führte ein Gespräch mit Frank Werneke, Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes und verantwortlich für Kunst, Kultur, Medien und Industrie, und mit Eckhard Kussinger, Fachgruppenvorsitzender ,,Musik“ und stellvertretender Vorsitzender des Gewerkschaftsrates von ver.di.

Lasst uns Pläne schmieden: Euphorie nach dem Kooperationsvertrag zwischen ver.di und dem Orchesterverband. Burkhard Baltzer führte ein Gespräch mit Frank Werneke, Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes und verantwortlich für Kunst, Kultur, Medien und Industrie, und mit Eckhard Kussinger, Fachgruppenvorsitzender ,,Musik“ und stellvertretender Vorsitzender des Gewerkschaftsrates von ver.di. Burkhard Baltzer: Kooperationen, Absprachen hat es zwischen der IG Medien und dem Orchesterverband bereits früher gegeben. – Was erhoffen die Verbände und die Musiker als neue Qualität nach diesem Kooperationsvertrag, Frank Werneke?
Frank Werneke: Als IG Medien hatten wir es nicht geschafft, Kooperationsbeziehungen einzugehen. Wir haben allerdings problem- und themenbezogen durchaus an einem Strang gezogen. Die neue Qualität, die wir uns nun erhoffen von der Zusammenarbeit mit der Orchestervereinigung und später auch mit der GDBA und der VdO, ist das Denken in die Zukunft. Wir wollen gemeinsam Konzepte entwickeln und ganz sicher auch institutionalisiert kooperieren. Wir werden eine AG Kunst & Kultur aufbauen, wo die Kunstfachgruppen in ver.di mit den Kunstverbänden, mit denen wir in Kooperation stehen, nicht nur reaktiv zusammenarbeiten, etwa wenn in irgend einem Haus ein Problem auftaucht, sondern wir wollen auch gemeinsam Kulturpolitik entwickeln. : Gibt es schon konkretere Vorstellungen von dieser AG Kunst & Kultur, Eckhard Kussinger?
Eckhard Kussinger: Die engere Zusammenarbeit vieler Kunstverbände ist für mich überhaupt der Grund gewesen, warum ich für diese AG Kunst & Kultur gekämpft habe. Es existiert zwar mit dem Deutschen Kulturrat etwas Größeres, Übergreifenderes, aber der Kulturrat zeigt sich ja relativ zahnlos. Unsere Vorstellung ist es, einen gewerkschaftlichen Kulturrat aufzubauen, woran alle Verbände teilnehmen können – wozu vorerst nicht mal zwingend Kooperationsverträge die Voraussetzung sind. Wenn sich zwischen den Verbänden eine enge Zusammenarbeit entwickelt, können auch Kooperationsverträge abgeschlossen werden. Der nächste Schritt würde dann die Überlegung sein: Wenn wir schon Kooperationsverträge haben, warum arbeiten wir dann nicht gemeinsam in einer Fachgruppe von ver.di? So könnte sich ver.di dann wirklich einen Namen und Ruf als Kultur-, Kunst- und Mediengewerkschaft erringen. Klar: Eine Gewerkschaft wird immer für soziale Belange eintreten, zu diesen sozialen Belangen gehört aber auch, dass eine Gewerkschaft den Menschen Kunst, Musik, Theater und Literatur – eben Bildung vermittelt.
: Momentan kooperieren wir, doch wir streben eine engere, institutionalisierte Zusammenarbeit an. Es geht darum, tarif- und kulturpolitische Interessen zu bündeln. Bis hin zur finanziellen Absicherung in Arbeitskampfsituationen. Das setzt eine vertragliche Zusammenarbeit voraus, wie wir sie nun seit dem 17. Januar haben. Mit der Vereinigung der Opernchöre gibt es eine Fortführung der bisherigen DAG-Verträge, obwohl hier neu verhandelt werden muss. Etwas schwieriger stellt sich das derzeit mit der GDBA dar, doch auch hier sind wir optimistisch, zu einem neuen Vertrag zu kommen. : Hast du ein zeitliches Ziel für diese Verhandlungen, Frank?
: Unser Ziel ist es, diese Verträge im ersten Halbjahr, möglichst noch in diesem Quartal abzuschließen. Wobei wir allerdings immer sagen werden, es gibt Punkte und Konditionen, zu denen ver.di nicht bereit sein wird zu kooperieren. Gerade bei der GDBA ist das recht schwierig, weil wir zum Teil identische Beschäftigungsgruppen organisiert haben. Ver.di wird dort, wo wir Mitglieder und Organisationsinteressen haben, diese Mitglieder nicht für den Preis eines Kooperationsvertrages im Regen stehen lassen. Wir haben des Weiteren Gespräche mit dem Verband der Drehbuchautoren, dann mit dem Verband der Kameraleute, und auch die gestalten sich ganz positiv. Dabei geht es vor allem um die tarifpolitische Zusammenarbeit bis hin zur Mitwirkung in Tarifkommissionen in ver.di. : Das Thema „Tarifpolitik“ schien auch die Verhandlungen mit der Orchestervereinigung dominiert zu haben. Stehen Auseinandersetzungen ins Haus – in die Häuser, sollte man sagen? Und eine Frage an dich, Eckhard, der du von einem „relativ zahnlosen“ Deutschen Kulturrat gesprochen hast: Mit welchen inhaltlichen Impulsen wollen die Kooperationspartner Zähne zeigen, mal abgesehen von Tarifverhandlungen?
: Die Tarifpolitik steht nicht nur hier in Berlin, sondern auch in anderen Städten und Regionen im Vordergrund, weil es angesichts der Finanzsituation der öffentlichen Haushalte Druck gibt, Tarifverträge zu verschlechtern, um so angeblich die Substanz von Theatern zu erhalten. Das allerdings ist eine Argumentation, mit der wir uns auseinander setzen, seit es Kultursenatoren oder den Bühnenverein gibt. Dabei sind zwei Bereiche besonders im Visier: Die Arbeitsbedingungen der Kolleginnen und Kollegen, die BAT-gebunden angestellt sind – sie sind überwiegend in ver.di organisiert –, und es sind die Kolleginnen und Kollegen in den Orchestern, weil auch die Orchestervereinigung es geschafft hat, in den letzten Jahren ganz anständige Tarifverträge durchzusetzen. Nun darf man sagen, dass es in den letzten Jahren keine überdurchschnittlichen Tarifsteigerungen, sondern eher Verzicht-Runden gegeben hat, ohne dass dadurch die Krise von Theatern und Bühnen entschärft worden wäre. Deshalb wollen wir andere Punkte in den Blickpunkt rücken, etwa die Kulturfinanzierung oder auch die Zukunft kommunaler Finanzen – ein wichtiges Thema für ver.di, das unmittelbar auf die Kultur wirkt.
Kussinger: Inhaltlich – inhaltlich müssen wir ein langfristiges Konzept entwickeln, wie wir uns das kulturelle Leben in dieser Bundesrepublik vorstellen. Ich will mal ein Beispiel wagen, was auf den ersten Blick nicht unbedingt etwas mit Kultur zu tun hat. Die Entwicklung der Computerbranche hat dazu geführt, dass mittlerweile an vielen Grundschulen mit Computern gearbeitet wird. Analog stelle ich mir vor, dass die Kinder von den Kindergärten und Tagesschulen an Musik herangeführt werden.
Wir stehen doch vor dem Problem, dass Theater und Konzerte deshalb nicht mehr so gut besucht sind, weil die Menschen nicht verstehen, was dort geschieht. So, wie die Schulpflicht existiert, müsste es die Kulturpflicht geben – blödes Wort, aber wir finden noch ein anderes. : Kultur als Pflichtaufgabe, wie es derzeit die Sachsen praktizieren, obwohl auch die aus Finanzgründen fragil ist und in Frage steht?
: Das ist schon ein Weg, wenn auch nicht einer für Berlin. Permanente Bedrohungen dafür ergeben sich jedoch aus den kommunalen Finanzen. Wenn die weiterhin ausgedünnt werden, müssen alle solche Modelle mit dem Scheitern rechnen. Deshalb wird ver.di neben der Kulturpolitik ganz stark auch die Finanzpolitik thematisieren.
: Ergänzend zu dem, was ich zuvor gesagt habe – und zu Frank Werneke: Die Schulbildung funktioniert bei aller Kritik ja auch grundsätzlich deshalb, weil alle Gebäude von den Kommunen bezahlt werden müssen, während die Beschäftigten Landesbedienstete sind. Die Kindergärten werden von Kommunen, von Kirchen, von Städten und in den vielfältigsten Trägerschaften. Wer also soll was finanzieren bei unserem Plan? Darüber müssen wir uns Gedanken machen, denn wir können nicht alle Verantwortung den Kommunen zuschieben. : Zunächst sieht es mit der Kooperation von ver.di und Orchestervereinigung nach einer gewachsenen Stärke aus. Die Gewerkschaften melden Lohn-Forderungen bis zu 6,5 Prozent an. Was ist im Bereich der Orchester, Chöre, Bühnenangestellten realistisch?
: Fünf oder sieben Prozent: zu wenig? Im Grunde: ja.
: Die Forderungen hängen ja damit zusammen, dass die Beschäftigten zu Recht sagen, in den letzten Jahren habe die Wirtschaft verdient, aber sie nichts. Ver.di will in diesem Jahr eindeutig eine Runde für die Beschäftigten. Mit welcher Forderung ver.di in die Verhandlungen des öffentlichen Dienstes gehen wird, hängt zum Teil auch von den Ergebnissen der Verhandlungsergebnisse der Privatwirtschaft ab. Mit einem Forderungsspekt-rum in ver.di zwischen fünf und sieben Prozent.
Wir verhandeln im Herbst für den öffentlichen Dienst, und ich weiß, dass die Grundstimmung in der Privatwirtschaft identisch ist mit der der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Wir haben in den letzten Jahren auf das Klagelied der Kommunen und Städte Rücksicht genommen. Aber was hat das gebracht? Nichts.
: Die Bundestarif-Kommission hat bereits beschlossen, dass der Schwerpunkt der Tarifverhandlungen auf einer deutlichen Lohnerhöhung liegen wird.
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