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Jan Delay im Jahr 2010. Foto: Hufner
Jan Delay im Jahr 2010. Foto: Hufner
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Betreutes Hüpfen trifft auf gemeinsames Singen – Jan Delay beim Stimmenfestival Lörrach

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Der Hut passt, das Einstecktuch mit Leopardenfellmuster sitzt. „We love to entertain you“, verspricht Jan Delay auf dem dicht gefüllten Lörracher Marktplatz. Und geht gleich mit dem Opener „Rave Against the Machine“ in die Vollen. Georg Rudiger berichtet.

Kein vorsichtiges Eingrooven, keine pathetische Inszenierung. Seine achtköpfige Band Disko No. 1 und die drei Backgroundsängerinnen sind sofort auf Touren. Abgerissene Bläsereinwürfe treffen auf ein treibendes Schlagzeug, klare Basslinien auf geschmeidige Hüftschwünge. Und in vorderster Front tänzelt Jan Delay über die Bühne und schneidet mit seiner scharfen, nasalen Stimme Melodielinien in den druckvollen Sound. „Türlich, Türlich“, sein Cover von Cameos Funk-Kracher „Word Up“, ist noch tanzbarer.

Ein neues Album hat der Hamburger nicht dabei – das letzte mit dem Titel „Hammer und Michel“ liegt schon fünf Jahre zurück. Nach viel Hip Hop, Reggae und Soul hat sich der Musiker darauf stärker dem härteren Rock zugewendet und für einen Videodreh im weißen Anzug und rosa Schuhen sogar auf dem Metal-Festival „Wacken“ vorbeigeschaut. Auch den gleichnamigen Song präsentiert Jan Delay in Lörrach. Fürs Headbanging reicht die Frisur nicht, aber Jörg Sander gibt ordentlich Verzerrer auf seine Gitarre und Schlagzeuger Jost Nickel sorgt für den notwendigen Wumms. Für Puristen sind Jan Delays Stiladaptionen nichts.

Das fette, tief gelegte „Large“ unterfüttert die Band mit einem Gitarrenriff von den Red Hot Chilli Peppers. Bei „Abschlussball“ zitiert Jan Delay ein paar Zeilen von Falcos „The Sound of Music“. Sogar Stephan Remmlers „Aha Aha Aha“ aus dem Neue-Deutsch-Welle Hit „Du liebst mich nicht“ schafft es in diesen Song aus dem Album „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“. Jan Delay spielt mit den verschiedenen Stilen, mixt sie neu zusammen und verleiht diesem Cocktail eine Leichtigkeit, die viel mit Party zu tun und auch mit Coolness, mit einem Hauch von Selbstironie und vor allem auch mit Style.

Begonnen hat Jan Philipp Eißfeldt, wie der Sänger mit bürgerlichem Namen heißt, Anfang der 90-er als Hip Hopper bei den „Absolute Beginners“. Sprache als Rhythmus, Worte als Waffe. Diese Präzision, dieses perfekte Timing spürt man auch bei der Show mit Disko No. 1 in Lörrach. Da wabert nichts außer dem Nebel, der ab und zu über die Bühne geblasen wird. Alles ist glasklar – die Konturen sind wie ausgestanzt. Jan Delays erste Ausflüge zum Reggae bei seinem Cover von Nenas „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ (1999) klingen noch zwanzig Jahre später cool und entspannt. „Ich möchte nicht, dass ihr meine Lieder singt“ vom ersten Soloalbum „Searching for the Jan Soul Rebels“ schließt in Lörrach den Reggaeblock ab, der das Publikum für einen Moment durchschnaufen lässt.

Spult so mancher seiner Kollegen bei Liveauftritten die Setliste unmotiviert ab, tritt Jan Delay von Beginn an in Kontakt mit dem Publikum. Er ist wirklich der Entertainer, der Charme mit Lässigkeit verbindet und keine Berührungsängste zeigt. Da werden gemeinsam Soundgeräusche eingeübt und an passender Stelle eingefordert. Mit Charme und Ausdauer bringt Jan Delay dem Lörracher Publikum kleine Choreographien bei. Betreutes Hüpfen trifft auf gemeinsames Singen – und nach und nach wird der Abend wirklich zu der Party, die der Sänger zu Beginn versprochen hat. Aber natürlich bringen vor allem die einzelnen Songs Druck in den Kessel. Sie werden von der perfekt eingespielten Combo nicht in der Studioversion gespielt, sondern häufig auf XXL-Größe aufgeblasen. Entspannte Abschnitte wechseln mit druckvollen Passagen. Die Übergänge sind perfekt, die Soli passgenau. Oder man bringt auch mal einen Song durch eine lang angezogene Steigerung zum Explodieren wie beim Hit „Oh Jonny“. Esther Cowens, N’gone Thiam und Myra Maud sorgen nicht nur für perfekt intonierte Back Vocals, sondern tanzen den ganzen Abend durch und kommen auch mal für eine kurze Rap-Einlage zur Bühnenmitte.

Zum als Zugabe gespielten „Disko“ erstarren die Bandmitglieder im Freeze, ehe die Party weitergeht und das Publikum das Spielchen gerne mitmacht. Dann muss der Bandbus doch irgendwann nach Hause fahren. „Auf St. Pauli brennt noch Licht, da ist noch lange noch nicht Schicht“, singt Jan Delay gemeinsam mit den begeisterten Fans. Und verabschiedet sich mit rockigen Klängen und wehenden Fahnen.

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