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Hans (Patrick Vogel), Chor der Oper Leipzig. Foto: Kirsten Nijhof.
Hans (Patrick Vogel), Chor der Oper Leipzig. Foto: Kirsten Nijhof.
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Böhmische Dörfer, aber in Farbe! Bedřich Smetanas „Verkaufte Braut“ an der Oper Leipzig

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Bei Opern der großen Tschechen Bedřich Smetana (1824-1884), Antonín Dvořák (1841- 1904) und Leoš Janáček (1854-1928) ist es schon eine ernsthafte Frage, ob man die überhaupt in einer deutschen Übersetzung spielen sollte. Vor allem Janáček hat viel über das Melodische seiner Muttersprache und deren Nähe zur Musik nachgedacht. An der Oper in Leipzig gibt es die 1866 uraufgeführte „Verkaufte Braut“ jetzt in der ziemlich abgehangenen deutschen Text-Fassung von Max Kalbeck aus dem Jahr der deutschsprachigen Erstaufführung der Oper in Wien 1893. Joachim Lange berichtet.

Immerhin springt der Funke bei dieser fulminant gepfefferten Musik schon in der Ouvertüre über. Tschechische Nationaloper hin oder her. Noch während Christoph Gedschold am Pult des Gewandhausorchester Tempo vorlegt und die Spannung auch bei den Momenten des Durchatmens hält, scheint sich auf dem Zwischenvorhang das ganze Dorf auf einem opulenten Gruppenfoto in Schwarzweiß versammelt zu haben. Damit ist die Richtung der Inszenierung von Christian von Götz vorgegeben. Und die lautet: Opulenz und Folklore. Wenn dann der Vorhang hochgeht, stehen die Abgelichteten plötzlich allesamt live und in knallbunter Kostümierung und schrägen Frisuren (mit denen sich Sarah Mittenbühler hier ausgetobt hat) vor uns. Weil dieser Anfangscoup sitzt, gibts den noch einmal. Überhaupt macht das, was Dieter Richter auf die Drehbühne gebaut hat, ziemlichen Effekt. So was mag man an der Oper Leipzig. Siehe den 100.000-Euro Segler im letzten Fliegenden Holländer! Diesmal gibt es zur abblätternden Pracht eines Dorftanzsaales einen Riesenspiegel mit goldenem Barockrahmen, der genauso gut eine Bühne sein könnte. Hier weiß man nie so genau ob sich das, was man dort sieht nur spiegelt, eine Videodopplung ist oder real. Das bleiben aber die einzigen Momente einer Irritation in der Wahrnehmung. Neben diesen Räumen vor und hinter dem Spiegel gibt es noch einen düsteren Platz für die einsame Marie und ihre Nähmaschine. Und eine in schwindelnde Höhe reichende Wendeltreppe daheim beim Heiratsvermittler Kezal, der hat an den beiden Tapetenwänden, die diese Treppe nach wer weiß wohin mit Hochzeitsfotos seiner Klienten bestückt und ist offensichtlich mit sich und der Welt im Reinen.

Mit grotesk klamaukiger Harmlosigkeit

Dass es in der Geschichte um eine arrangierte Ehe geht, bei der die Betroffenen nicht mal gefragt werden müssen, wenn die Eltern das so beschließen. Und es geht darum, wie sich junge Leute (Marie durch anhaltenden Widerstand und Hans durch eine List, die ihm und seiner Braut am Ende, wenn sich alles in Wohlgefallen auflöst stattliche 300 Gulden einbringen) dem entziehen. Das diese Sitte nicht nur eine nette (in mancher Hinsicht sogar praktisch vernünftige) historische Eigenheit ist, sondern eine Komponente von Fremdbestimmung und individueller Unfreiheit hat, scheint den Regisseur Christian von Götz nicht wirklich zu interessieren. Mit unserer Gegenwart kommt seine Sicht schon gar nicht in Berührung. Immerhin könnte man Heiratsvermittlung auch mit Zwangsheirat übersetzen. Auf der Leipziger Bühne bricht stattdessen vor allem das Dorfleben mit grotesk klamaukiger Harmlosigkeit los. Und bewegt sich so brav oder tumultuös-klamottig, auf jeden Fall so bunt wie irgend möglich von einer Nummer zu nächsten. Notfalls auch sackhüpfend. Man wähnt sich in die Leipziger Muko versetzt oder in eine der Turboinszenierungen von Herbert Fritsch, bei dem allerdings meist ein Gesamtkunstwerk eigenen Rechts herauskommt. Nur einmal kommt eine Ahnung von Fallhöhe oder doppeltem Boden auf: wenn Marie glaubt, dass Hans sie wirklich verkauft hat. Aber auch das liegt mehr in Smetanas Musik, als der szenischen Umsetzung.

Was die Protagonisten vokal bieten macht überwiegend mehr Freude. Magdalena Hinterdobler als Marie und Patrick Vogel als Hans treffen den rechten Ton. Sebastian Pilgrim ist ein stattlicher Kezal ohne Altherren-Attitüde. Sven Hjörleiffsson übertreibt den Stotterer Wenzel nicht allzu sehr, darf sich mit und dann ohne Bärenfell sogar ansatzweise emanzipieren. Alle anderen mimen nach Kräften bei einem Opernzirkus mit, der in der entsprechenden Szene mit allerlei Artistenverstärkung dann auch noch tatsächlich ausbricht. Der Beitrag von Gedschold und den Musikern des Gewandhausorchesters, hätte auch der Sound für eine ernster genommene Heiterkeit sein können. Doch weder der Musik und noch der Gesang konnten diese Braut davor bewahren, um des Effektes willen eher verscherbelt, als nach ihrem Wert verkauft zu werden. Das Leipziger Premierenpublikum sah das definitiv anders. Es jubelte so, dass einem Angst und Bange werden konnte. Zumindest, wenn der ja schon überfällig Nachfolger (oder die Nachfolgerin von Intendant Ulf Schirmer diesen Jubel als ein Votum ernst nimmt und versucht, bei diesem szenischen Niveau zu bleiben). …

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