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Ralf-Thomas Lindner hat auf nmz Online eine Artikelserie zum Instrument des Jahres, der Mandoline, gestartet.
Das Jahr der Mandoline. Serie von Ralf-Thomas Lindner in der nmz.
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Das Jahr der Mandoline in der nmz (Teil 3): Wie man eine Mandoline baut

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Es ist eine kunstfertige und kunstvolle Handwerksarbeit, die die Mandoline entstehen lässt. Oft sind die Erfahrungen, die eine gute Mandoline ausmachen in den Familienbetrieben und frühen Innungen weitergegeben worden. Heute kann man den Beruf des Mandolinenbauers (besser: Zupfinstrumentenmachers) in Betrieben und Fachschulen lernen. Es gehören viel Erfahrung und ein gutes Gehör dazu, eine Mandoline zu bauen. Wirkliche Geheimnisse birgt das Handwerk, das vom kollegialen Austausch profitiert, heute nicht mehr.

Ausgesprochen überschaubar ist die Anzahl der Handwerksbetriebe, die in Deutschland Mandolinen herstellen. Auch hieran kann man deutlich erkennen, dass es sich bei der Mandoline nicht um ein Mainstream-Instrument handelt. Die Ausbildung zum „Zupfinstrumentenmacher“ ähnelt in den meisten Punkten der anderer Musikinstrumentenbauer – allerdings spezifisch auf die Bedürfnisse des jeweiligen Instrumentes beziehungsweise Gewerkes angepasst. Schon aus der mittelalterlichen Musiktheorie weiß man ja, dass die akustischen Grundfragen einer gespannten Saite und einer klingenden Luftsäule gleich sind – dennoch ist die Herstellung und die Bearbeitung dieser beiden grundverschieden.

Beinhaltet die Ausbildung zwar die ganze Breite der Zupfinstrumente von Gitarren über Mandolinen, Zithern und Hackbretter bis hin zu Harfen, so kann man in der Praxis feststellen, dass sich die Instrumentenbauer in ihren Werkstätten zumeist auf eines dieser Instrumente spezialisieren. Der Arbeitsbereich reicht dabei von regelmäßigen Wartungsarbeiten über kleinen Reparaturen bis hin zum Neubau. Darüber hinaus werden Zupfinstrumentenmacher auch in Restaurationsabteilungen für Musikinstrumente in Museen beschäftigt.

Ausbildungswege

Auf zwei Wegen kann man die Ausbildung zum Zupfinstrumentenbauer absolvieren. Der eine führt über einen Vollzeitunterricht in einer Berufsfachschule, der andere über eine duale Ausbildung in einem Handwerksbetrieb und Blockunterricht in einer Berufsschule. In Deutschland gibt es zwei Schulen, die diese Ausbildungen ermöglichen: das „Berufliche Schulzentrum (BSZ) e. o. plauen, Schulteil Musikinstrumentenbau Klingenthal“ in Klingenthal (Sachsen) und die „Staatliche Berufsfach- und Fachschule Mittenwald“ in Mittenwald (Bayern).

An den Berufsfachschulen muss man zur Aufnahme einen Mittelschulabschluß haben und eine Aufnahmeprüfung ablegen, in der handwerklich praktische Fähigkeiten nachzuweisen sind, dazu kommen Grundkenntnisse im technischen Zeichen und grundlegende musikalische Fähigkeiten auf einem Zupfinstrument. Pro Schuljahr stehen in Mittenwald allerdings nur vier Plätze für Neuzugänge bereit, die auch zumeist besetzt werden. Die Zugangsvoraussetzungen für den dualen Weg sind insgesamt etwas niedriger angesetzt, es kann ein Grundschulabschluss reichen, Instrumentalspiel ist nicht Voraussetzung. Das entscheidet im Einzelfall der Lehrherr vor Ort.

Die Ausbildung dauert in beiden Fällen drei Jahre. In der dualen Ausbildung sind pro Lehrjahr zwei schulische Blöcke in der Berufsschule vorgesehen. Dort stehen in der fachpraktischen Ausbildung fachgerechter Umgang mit Werkzeugen, Grundlagen der Holzbearbeitung und die Unterweisung im Umgang mit Holzbearbeitungsmaschinen im Lehrplan. Als Ziel aller Ausbildungsschritte muss immer ein neues fertiges bzw. ein altes repariertes Instrument gedacht werden.

Im theoretischen Unterricht werden Fachtheorie, Fachzeichnen, Physik/Akustik, Fachenglisch und Fachzeichen mit CAD gelehrt. Dazu gesellt sich ein allgemeinbildender Unterricht in den Fächern Kunsterziehung, Kunstgeschichte, Musiktheorie, Musikgeschichte, Deutsch und Sozialkunde. An der Fachschule erhält jeder Schüler auch Einzelunterricht auf seinem Musikinstrument und muss am Ensemblespiel und an der Arbeit im Orchester teilnehmen. Am Ende der Ausbildung erhalten die Schüler einen Gesellenbrief. Das ist der offizielle Weg, der zu einem Abschluss in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf führt.

Besucht man den Mandolinenbauer Andreas Köpke in seiner Werkstatt in Schönkirchen bei Kiel, so erfährt man von einem ganz anderen Weg, wie er zum Mandolinenbau gekommen ist. Persönliche Begeisterung zum Instrument und handwerkliches Geschick haben ihn angetrieben. Schon in den 1970er Jahren hat er für einen Instrumentenladen in der Nähe von Kiel gelegentlich kleine Reparaturen an Mandolinen und Gitarren vorgenommen. „Learning by doing“ war wohl das Prinzip, das aber sehr schnell Früchte trug und gute Ergebnisse hervorbrachte. So vertraute ihm der Chef des Ladens immer häufiger kleine Arbeiten an.

Gelernt hat Köpke den Beruf eines „Modellbauers in der Industrie“. Da hat er Hausmodelle für Architekten, Schiffsmodelle für Reedereien und Formen für die Industrie gebaut. In dieser Zeit hat er auch schon seine erste eigene Mandoline gebaut, die allerdings nicht übermäßig lange gehalten hat. Irgendwann hat er für sich erkannt, dass die Werkstatt eines Modellbauers und eines Mandolinenbauers viele Gemeinsamkeiten haben. „Wenn man aus der Modellbauwerkstatt alles ausräumt und nur das Werkzeug zurücklässt, kann man dort sofort Mandolinen bauen“, erzählt er und fährt fort: „Für beide Tätigkeiten benötigt man sehr kleine und feine Werkzeuge“. Dabei zeigt er einen kleinen Hobel mit dem er die Decke einer Mandoline bearbeitet – nicht größer als etwa 5- 6 cm.

Köpke hat viel über Mandolinen gelesen, viele repariert und immer wieder dazugelernt. Nach 15 Jahren hat er sich mit seinem Betrieb „Pendennis Instruments“ selbständig gemacht. Seine Werkstatt hinter dem Wohnhaus ist klein – aber für ihn und seine Instrumente reicht es. Immer wieder kommen Kunden herein – die meisten holen ihre reparierten Instrumente wieder ab. Er hat sich in der Szene einen Namen gemacht, ist zuverlässig und gilt als kompetent. Für den Bau einer neuen Mandoline benötigt er zwischen 120 und 130 Stunden. Dafür nimmt er relativ frisches Holz, bei dem die Zellwände noch intakt sind. So ist das Holz noch gut formbar und „merkt, was es machen soll“, so Köpke.

Köpke hat sich auf die Gibson F5 spezialisiert, ein flaches Instrument mit Zargen, einer Schnecke und zwei F-Löchern. Er ist Fan von Lloyd Roar, der in den 20er Jahren – mit einem klugen Seitenblick auf den Geigenbau – sein Instrument als Mitarbeiter von Gibson entworfen hat. „Ich benutze die gleichen Hölzer aus den USA, wie sie von Gibson in der besten Zeit benutzt wurden: Adirondack Spruce (Amerikanische Fichte) und amerikanischen Ahorn“, sagt Köpke. Alles wird bei ihm in der Werkstatt hergestellt – nur das Lackieren überlässt er einem Spezialisten. „Dazu muss der Raum total staubfrei sein – das kann ich nicht leisten“, erklärt er.

Geheimnisse gibt es heute im Mandolinenbau nicht mehr. Was für ein Holz verwendet man? Wo bekommt man es her? Wie wird der Kleber zusammengestellt? Wie verlaufen die Balken unter der Decke? Früher wurden diese Geheimnisse der alten Meister, die oft auf Familientraditionen beruhten, streng gehütet. Heute gelten die handwerklichen Richtlinien der Europäischen Union. Diese sind offener und mehr auf Austausch unter den Handwerkern ausgelegt. Das hilft, die Instrumente mit den Erfahrungen und dem Wissen der Kollegen weiterzuentwickeln und neue Standards zu schaffen.

Film- und Buchtipp

Zwei Medien sollen hier am Ende stehen: zum einen der sehr informative Film aus der Werkstatt von Brunhilde Jacob aus Marktneukirchen OT Erlbach: https://bruni-jacob.de/bruni-jacob/ueber-mich. In ihm wird gezeigt, wie die Muschel einer Mandoline gebaut wird. Sehr sehenswert!

An dem Buch „Die Kunst des Mandolinenbaus. Entwicklungsgeschichte und Bau der Mandoline“ von Alfred Woll (Editio Mando; ISBN 978-3-9822264-00-8) aus dem Jahr 2021 kommt man nicht vorbei, wenn man sich mit dem Thema beschäftigen will. Kenntnisreich und mit vielen wunderbaren Bildern schreibt Woll hier das erste nennenswerte Buch über den Mandolinenbau, ein Standardwerk. Das über 300 Seiten starke Buch ist in zwei Hauptteile gegliedert: I. Geschichtliche Entwicklung und II. Bau einer modernen Mandoline. Woll stellt die Entwicklung und die Veränderungen der Mandoline, dem Sopraninstrument der Lautenfamilie, seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts dar. Einen umfangreichen Blick mit viele Fotos und Bauplänen wirft er auf den italienische Mandolinenbau zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit den drei prägenden Familien Vinaccia, Embergher und Calace. Ein Blick nach Deutschland und die Tradition des Vogtländer Instrumentenbaus schließt sich an. Die 1979 von Reinhold Seiffert entwickelte Mandoline ist dann auch Ausgangspunkt für Wolls eigene Instrumente. Er zeigt auf, wie er mit dem Modell von Seiffert umgeht und für sich adaptiert. Im zweiten Teil des Buches baut er eine solche Mandoline. Jeder Schritt und jeder Gedanke wird dabei dargelegt, in Worten, Bildern und Zeichnungen. Hier bleibt – auf dem Weg zur ersten selbstgebauten Mandoline – für einen halbwegs handwerklich Begabten keine Frage offen!

Im April wollen wir hier die Mandolinen zum Klingen bringen und ihre musikalische und klangliche Vielfalt vorstellen. Es wird zahlreiche CD-Tipps quer durch die gesamte Stilistik der Mandolinenmusik geben.

Weitere Infomationen:

Termine:

  • 30. April, Dresden, Heinrich Schütz-Konservatorium Dresden, Bautzner Straße 19, Raum 209
    11 Uhr – Annette Schneider & Marlo Strauß – Musik für Kinder

 

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