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Komische Oper Berlin. Foto: Hufner
Platz für den Intendanten. Foto: Hufner
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Das verbotene „B-Wort“ – Barrie Kosky als Klavierbegleiter in „Lonely House“ an der Komischen Oper Berlin

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Als eine „Wiederentdeckung“ der „eher unbekannten Seite von Kurt Weill“ hatte die Komische Oper Berlin einen ungewöhnlichen Liederabend angekündigt: „Gemeinsam mit der Sängerin und Schauspielerin Katharine Mehrling präsentiert Kosky eine emotionale Reise voller Lachen und Weinen durch die in Deutschland unbekannte Seite eines der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts – zwischen Paris und New York“.

Das Haus der Komischen Oper war gut gefüllt um den bekannten Regisseur und Theaterleiter als jenen „extrem teuren Pianisten” zu erleben, als den er sich an diesem Abend selbst bezeichnete. Die Idee zu einem Liederabend mit den selten interpretierten französischen Chansons und amerikanischen Songs aus Kurt Weills Emigrationszeit war offenbar bereits entstanden, als Barrie Kosky im Jahre 2013 in seiner Inszenierung von Paul Abrahams „Ball im Savoy” mit Katherine Mehrling erstmals zusammengearbeitet hat.

In dem im schwarzen Bühnenraum theatral aufbereiteten Liederabend steht die Interpretin zumeist nur in einem einsamen Spot, während ihr Begleiter im Dunklen auswendig spielt – oder in einem derartig schwachen Schummerlicht auf Noten und Tasten, welches wohl mehr als das Gros seiner hauptberuflich als Pianisten arbeitenden Kollegen schlichtweg ablehnen würde.

Die Interpretin, ebenfalls in Schwarz, mit extremem Rückenausschnitt und Paillettenstring-BH, besteigt über ein Treppchen den Flügel, auf dem sie auch im Liegen singt und ihren diesmal bärtigen Begleiter erfolgreich zum swingend jazzigen Mitsingen und zu einem Duett überredet.

Kurt Weill ist hierzulande vorrangig für seine gemeinsam mit Bertolt Brecht entstandenen Bühnenwerke, „Dreigroschenoper“ und „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ bekannt – doch hatte sich Barrie Kosky an diesem Abend „das B-Wort“ ausdrücklich verboten (und sprach dann doch darüber, wie Brecht Weill schlecht behandelt habe). Ironisch meinte Kosky, man müsse den Nazis dankbar sein, dass sie Arnold Schönberg und Kurt Weill aus Berlin in die Staaten vertrieben, wo beide dann die Spitze der Musikkultur des 20. Jahrhunderts gebildet hätten.

Weills Kompositionen seien geprägt von einer Mischung der von ihm, in Begleitung seines Vaters, des jüdischen Kantors, in Berlin erlebten Synagogengesänge und dem Berliner Metropol-Theater der Zwanzigerjahre.

Als gar nicht so unbekannt wie angekündigt, erwies sich dann die Mehrzahl der dargebotenen Lieder: neben der auch in klassischen Konzerten zu erlebenden Nummer „Youkali“ aus „Marie Galante“ und dem berühmten „September-Song“ aus „Knickerbocker Holiday“, wurden Ausschnitte aus den Bühnenwerken „Street Scene“ „Jonny Johnson“ und „One Touch of Venus“ sowie eine ganze Szenenfolge aus „Lady in the Dark“ dargeboten.

Faszinierend war es, dabei die Farbpalette der Charakterisierungsmöglichkeiten in der Stimme der Mehrling zu erleben, mit vorbildlicher Diktion, Schwelltönen in die angeschliffene hohe Sopran-Lage und einem rauchigen Diseusen-Ton im Contralto; und im englischen Gesang mit parodistischen Passagen russischen und deutschen Akzents

Die stets mit Handmikrofon operierende Sängerin ergriff auch selbst das Wort, für ein Zitat Lotte Lenyas als Wunsch nach dem Tod ihres Gatten, dass dessen Werke erhalten bleiben sollten. Die aus Mehrlings Worten ebenso wie aus ihren gesanglichen Interpretationen hervorgehende Begeisterung für diesen Komponisten übertrug sich zusehends auf das Auditorium.

Am Ende gab es Standing Ovations und – nach pausenlosen anderthalb Stunden – eine singuläre Zugabe, „I have been running through rains”.

  • Weitere Aufführung: 19. Januar 2020.

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