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Wagners „Meistersinger“ in Detmold. Foto: Kerstin Schomberg
Wagners „Meistersinger“ in Detmold. Foto: Kerstin Schomberg
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Ein Hauch von Sommernachtstraum: Wagners „Meistersinger“ am Landestheater Detmold

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Das Landestheater in Detmold ist ein eher kleines Haus – aber seit Jahren eines mit großen Ambitionen. Es sorgt sich regelmäßig um Uraufführungen und Wiederentdeckungen. Und es kümmert sich ebenso regelmäßig um die Musikdramen Richard Wagners.

Innerhalb von nur zwei Spielzeiten (2008 und 2009) brachte Intendant Kay Metzger den kompletten „Ring“ heraus, 2012 den „Parsifal“ und ein Jahr später „Tristan und Isolde“. Damit erntete Metzger große Beachtung, nicht nur in der Region. Nun also „Die Meistersinger von Nürnberg“, womit der der höchst erfolgreiche Detmolder Intendant eine Lücke in seiner ganz persönlichen Wagner-Agenda scjließt: alles, was der Meister Großes für die Oper geschrieben hat, hat Metzger nun auch inszeniert, im Wesentlichen in dem von ihm seit der Spielzeit 2005/2006 geführten Landestheater im beschaulichen ostwestfälischen Detmold, das als Reisebühne eine eminent wichtige Funktion in der Theaterszene Nordrhein-Westfalens und auch weit darüber hinaus wahrnimmt.

Über Metzgers „Meistersinger“ zu berichten, da fängt man am besten ganz hinten an, wenn Hans Sachs für unsere Ohren höchst problematisch schwadroniert von „heil’ger deutscher Kunst“, von „deutschem Volk und Reich“ und von „falscher wälscher Majestät“. Der Regisseur macht das einzig Richtige in seiner Inszenierung, die bei der Premiere mit uneingeschränktem Publikumsjubel gefeiert wurde: er bricht die Worte von Hans Sachs mit Ironie der herrlichsten Art. „Was deutsch und echt wüsst’ keiner mehr“ – und langsam schiebt sich eine Schrebergartenlaube auf die Bühne, mit Geranien vor dem Fenster. Und Gartenzwerg. Und Deutschlandflagge! Und jedem wird sofort schmunzelnd klar: das kann es doch wohl auch nicht sein. Sachs’ Botschaft wird lächerlich – auch wenn die Zeitläufte momentan zu signalisieren scheinen, dass sie womöglich gerade wieder fröhliche Urständ feiert…

Metzger und seine Ausstatterin Petra Mollérus verlegen die Handlung ins Deutschland der 1950er Jahre, in denen die Jungs Pullunder trugen, die Mädels lange Röcke – und manch ein deutscher Mann eine hölzerne Handprothese wie Konrad Nachtigall. Was in deren Köpfen vorging, das thematisiert Metzger nicht – was aber auch nicht nötig ist. Es reicht zu zeigen, dass die Konservativen schon ersten Gegenwind von den Fortschrittlichen, Zukunftsorientierten bekommen. Zumindest in der Kunst. Genau darum geht es dem Regisseur in den „Meistersingern“. Walther von Stolzing, der Außenseiter, präsentiert ein Preislied, das so gar nicht allen überkommenen Regeln entspricht. Und doch wird er am Ende zum Sieger des Wettstreites.

Ganz am Anfang der Inszenierung steht – ein Kobold! Der schiebt den Vorhang beiseite und ist (fast) den ganzen Abend über omnipräsent. Mal spielt er Eva ein Blatt von Stolzings Preislied zu, mal hindert er den neugierigen Beckmesser am Betreten des Hauses von Hans Sachs. Metzger nutzt diese Figur des Puck, um die komischen und melancholischen Facetten der „Meistersinger“ zu beleuchten. Oder indem er die (Kunst-)Handwerker, berauscht von Stolzings Lied, durch einen imaginären Eichenwald stolpern lässt; später liegt ganz Nürnberg schlafend kunterbunt durcheinander. Shakespeares „Sommernachtstraum“ in Wagners „deutscher“ Komödie! Metzger bezieht sich ausdrücklich auf Shakespeare, dessen „Sommernachtstraum“ auch Richard Wagner überaus schätzte. So pustet die Regie eine frische Brise in das Libretto, nimmt ihm ein Stück seiner erdenhaften Schwere, seiner Betulichkeit, überspielt Längen und fegt jeden Anflug von Langeweile beiseite, schreckt dabei auch nicht vor Slapstickeinlagen zurück – Ein rundes Konzept.

Und es wird durch die Bank gut gesungen: Da sind die von Marbod Kaiser einstudierten Chöre, die auch darstellerisch überzeugen. Die meisten der vielen Solistenrollen kann Metzger mit hauseigenen Kräften besetzen, er ergänzt mit wenigen Gästen. Christoph Stephinger als Veit Pogner ist eher liebevoller Vater denn gestrenger Zunftmeister, Gritt Gnauck eine absolut verlässliche Magdalene. Andreas Jören gibt den verprügelten Beckmesser als leicht trotteligen Typen. Heiko Börners Walther von Stolzing fehlt es nicht an Strahlkraft, ein Mehr an Nuancenreichtum könnte er allerdings mobilisieren. Eva Bernard hat ebenfalls genügend Power für die Eva, vielleicht mit etwas zu wenig jungmädchenhafter Leichtigkeit.

Jede Menge Zwischentöne entwickelt Derrick Ballard für den Hans Sachs. Er ist väterlicher Freund genauso wie intriganter Strippenzieher und enttäuscht Liebender – ein schönes Rollenportrait. Die Entdeckung an diesem Abend ist aber Stephen Chambers als David. Wunderschön ebenmäßig, kraftvoll und verletzlich zugleich strahlt sein Tenor. Den richtigen Zugriff auf Wagners Musik beweist auch Lutz Rademacher am Pult des bestens aufgelegten Detmolder Sinfonieorchesters. Fazit: eine große Leistung eines doch eher kleinen, aber feinen Hauses.

weitere Vorstellungen: 16. 10., 20. 11., 17. 12. (Detmold); 27. und 29. 01. sowie 03. 02. und 05. 02. 2017 (Theater der Stadt Schweinfurt); 11. 02. 2017 (Detmold); 26. 03. 2017 (Paderhalle Paderborn); 13. 05. 2017 (Theater Wolfsburg); 20. 05. 2017 (Detmold)

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