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Stipendiatin Daria Parkhomenko. Foto: Michael Reinicke
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Förderungen der Carl Bechstein Stiftung – Andreas Kolb im Gespräch mit Gregor Willmes

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Die Carl Bechstein Stiftung fördert dieses Jahr 86 junge Pianistinnen und Pianisten mit Stipendien und Einmalzahlungen im Gesamtwert von 352.000 Euro. Aufgeteilt ist diese Summe in 18 Jahres-Stipendien im Wert von jeweils 12.000 Euro und 68 Einzelhilfen in Höhe von jeweils 2.000 Euro. Andreas Kolb von der neuen musikzeitung unterhielt sich mit Gregor Willmes, Pressechef des Klavierherstellers C. Bechstein und Mitglied des Vorstands der Carl Bechstein Stiftung, über die Stipendien 2021 und deren Weiterentwicklung in der Corona-Krise.

neue musikzeitung: Die Carl Bechstein Stiftung fördert 86 junge Pianistinnen und Pianisten mit Hilfen im Gesamtwert von 352.000 Euro. Wie ist es zu diesem Projekt gekommen?

Gregor Willmes: Junge Pianisten und Pianistinnen sind von der Coronapandemie besonders betroffen. Gerade Solistinnen und Solisten verdienen ihren Lebensunterhalt vor allem durchs Konzertieren und durch Wettbewerbspreise, was im letzten Jahr und bis heute fast nicht möglich gewesen ist. Aus diesem Grund hat die Carl Bechstein Stiftung entschieden, 2021 zehn Jahres-Stipendien zu vergeben, die monatlich mit 1.000 Euro dotiert sind. Wir haben dann mehr als 90 Bewerbungen erhalten, von denen 86 den Kriterien der Ausschreibung entsprachen. Und wir haben erkannt, dass alle der jungen Pianistinnen und Pianisten überaus bedürftig sind. Um auf die große Not dieser jungen Menschen angemessen zu reagieren, haben der Vorstand und das Kuratorium der Stiftung daraufhin einstimmig entschieden, die Zahl der Stipendien auf 18 zu erhöhen und zusätzlich allen nicht ausgewählten Bewerber*innen mit Einmalzahlungen zu helfen.

nmz: Wann fließen die Stipendien-Gelder, en bloc oder in Teilen oder gar projekt- und konzertbezogen?

Willmes: Die 18 Stipendiat*innen werden ab April für ein Jahr lang monatlich 1.000 Euro erhalten. Angesichts der großen Unsicherheit, wie es weitergeht, sind viele Veranstalter gerade sehr vorsichtig, was die Planungen für die kommende Saison angeht. Wir möchten unsere 18 Stipendiatinnen und Stipendiaten für ein Jahr lang die größten materiellen Sorgen nehmen, damit sie sich in ihrer Kunst weiter entwickeln können. Neben den 18 Stipendien vergeben wir – ebenfalls im April – 68 Einzelhilfen, die mit jeweils 2.000 Euro dotiert sind. Davon können viele der Bewerber*innen über mehrere Monate schon einmal ihre Miete bezahlen.

nmz: Wie haben Sie Ihre Stipendiaten und Stipendiatinnen ausgewählt?

Willmes: Die Stipendien waren ausgeschrieben für „herausragende junge Pianistinnen und Pianisten im klassischen Bereich, die eine solistische Karriere anstreben“. Als Kriterien für die Auswahl hatten wir uns also Bedürftigkeit und künstlerische Qualität bzw. auch den Karrierestand überlegt. Schnell haben wir dann gemerkt, dass im Prinzip alle Bewerberinnen und Bewerber durch die Pandemie Probleme haben, ihr Leben zu fristen. Insofern blieb also als Auswahlkriterium nur die künstlerische Seite übrig. Wir haben also die Lebensläufe studiert, nach bedeutenden Wettbewerbserfolgen, CD-Veröffentlichungen, Konzerten etc. geschaut und uns parallel mehrere Hundert Videos angesehen. Wir haben angesichts der großen Qualität die Zahl der Stipendien von zehn auf 18 erhöht – und uns zusätzlich das Element der Einzelförderung einfallen lassen. Wir wollten mit der Aktion bewusst ein Zeichen der Zuversicht setzen.

nmz: Die Stipendien können die Not der freiberuflich tätigen Pianisten - in diesem Fall der Karriereeinsteiger - nur punktuell lindern. Wie geht es weiter? Welche Aktivitäten plant die CB Stiftung? Inwieweit kann die Politik besser helfen als bisher?

Willmes: Wir sind froh, dass wir 18 junge Pianistinnen und Pianisten schon einmal ein Jahr lang fördern können. Und wir hoffen natürlich, dass sich in diesem einen Jahr das Muskleben auch wieder etwas normalisieren wird. Wir haben aus den Bewerbungen herauslesen können, dass nur der geringste Teil der jungen Musikerinnen und Musiker im letzten Jahr bei den staatlichen Hilfsprogrammen berücksichtigt worden ist. Da scheint es also zu wenig Hilfen zu geben oder die Hilfen kommen nicht an. Die Politik sollte sich darüber hinaus frühzeitig Konzepte überlegen, wie man das wunderbare Kulturland Deutschland erhalten kann, wenn künftig möglicherweise weniger Gewerbeeinnahmen städtische Haushalte belasten, Corona-Schulden zurückgezahlt werden müssen und auch den Firmen für Sponsoring von kulturellen Veranstaltungen das Geld fehlt. Ich habe gestern von einem Festival gehört, dass es in der Vergangenheit bei seinem Partner-Hotel immer Sonderpreise für die Musiker*innen bekommen hat. Das kann sich das Hotel im Moment nicht mehr leisten, da es ums eigene Überleben kämpft … Als gemeinnützige Stiftung werden wir auch in Zukunft versuchen, möglichst vielen Musiker*innen zu helfen und kulturelle Veranstaltungen zu ermöglichen. Aber das kann nur punktuell wirken. Hier steht vor allem die Politik in der Verantwortung, damit nicht ganz viele Lebensträume von jungen Musikerinnen und Musikern platzen.


  • Ab April 2021 werden die folgenden Stipendiat*innen für ein Jahr lang monatlich 1.000 Euro erhalten: Dmytro Choni (Ukraine), Raúl da Costa (Portugal), Anna Dmytrenko (Ukraine), Giuseppe Guarrera (Italien), Marie Rosa Günter (Deutschland), Chi Ho Han (Südkorea), Wataru Hisasue (Japan), Dina Ivanova (Russland), Kunal Lahiry (USA), Ingmar Lazar (Frankreich), Shihyun Lee (Südkorea), Hanni Liang (Deutschland), Daria Parkhomenko (Russland), Aaron Pilsan (Österreich), Philipp Scheucher (Österreich), Lorenzo Soulès (Frankreich), Amadeus Wiesensee (Deutschland) und Cunmo Yin (China).

 

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