Hauptbild
Hitze. Foto: Hufner
Hitze. Foto: Hufner
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Geißlers Kurz-Schluss: Wie ich einmal voller Bewunderung die Entstehung eines großartigen Weltreiches wenigstens aus der Ferne miterleben durfte

Publikationsdatum
Body

Dass ausgerechnet die gute alte „Frankfurter Allgemeine“ sich in prophetische, eigentlich sogar science-fiktionale Sphären begibt, und das auf einer ganzen Doppelseite, hätte ich ihr offen gestanden nie und nimmer zugetraut. Schon vor zwei Jahren veröffentlichte sie unter dem Titel „What’s the Agenda today“ einen Arbeitsplan für Donald Trump, Mindmap-mäßig mit ungefähr tausend differenzierten Aufgabenwölkchen. Darunter schon: „Bomb the Iran“. Dass dieses Schiiten-Nest ausgerechnet am Tag von Trumps Wahlkampfauftakt unter dem Motto „Keep America great“ angeblich Bodenstation für den Abschuss einer USA-High-Tech-Spionage-Drohne gewesen sein soll, ganz zu schweigen von der Behinderung des Tankerverkehrs in der Straße von Hormus, lieferte hinlänglich Anlass zu einem finalen Vergeltungsakt. [Vorab aus Politik & Kultur 2019/7-8]

Mithilfe einiger Neutronenbömbchen aus dem Archiv von Ronald Reagan befreite Trump nach eigenen Worten um die zwei Prozent der Bevölkerung von den rund 98 Prozent der schiitischen Unterdrücker. In Nullkommanichts schossen tolle Erdölbohrtürme amerikanischer Konzerne aus dem kaum verseuchten Boden. So wurde in diesem bislang unterentwickelten Landstrich zudem für Stabilität, Arbeitsplätze und bescheidenen Wohlstand gesorgt. Durch die texanische Aufsicht über dieses Protektorat entwickelte sich vor allem in Houston und Detroit auch extern und kontinentübergreifend ein höchst willkommener Aufschwung.

Während die NATO unter den folgenden scharfen Protesten der Bundesrepublik Deutschland, Portugals und Frankreichs folgerichtig auseinanderbrach, schmiedete Albions frischgebackener Regierungschef Boris Johnson nach einem völlig ungeregelten Brexit unter dem Slogan „Make Great Britain Great again“ gemeinsam mit Trump zunächst eine Handels- und Verteidigungsachse mit dem Ziel, der 51. Staat der USA zu werden. Zwar wiesen chinesische Humanbiologen aufgrund von Haupthaar-DNA-Analysen nach, dass Trump und Johnson als Enkel aus einem gemeinsamen Genpool des reichsdeutschen ehemaligen Lebensborn-Instituts „Germania Maxima“ abstammen. Allerdings gelang es, dank der Kraft sozialer und asozialer Medien, diese Behauptungen als Fake-News aus der Welt zu schaffen. Und China hatte mit seiner zunehmend renitenten Bevölkerung aufgrund des Komplett-Embargos aller erdenklichen westlichen Konsumgüter und des Grenzkrieges mit Russland weiß Gott genug eigene Probleme am Hut.

Weil sich Brexit-Johnson natürlich weigerte, auch nur einen Cent der britischen Schuldenmilliarden an die Europäische Union zurückzuzahlen, erwog man in Deutschland, Frankreich und Portugal „sehr harte Maßnahmen“ wegen des offensichtlichen Vertragsbruches. Allerdings zu einem Zeitpunkt, als diese „Union“ schon völlig zerbröselte. In Italien, Österreich und den Visegrád-Staaten Tschechien, Ungarn, Polen und der Slowakei zog man sich zu den gleichen finanziellen Konditionen wie Großbritannien aus der Europäischen Union zurück. Nach Unruhen in Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland bildeten die jeweils mit großer Mehrheit frisch gewählten Präsidentinnen Marine Le Pen („Assemblement National“) und Beatrix von Storch (Die Alternativlose für Deutschland), unterstützt vom österreichischen Staatsführer Heinz-Christian Strache (Die Freiheitlichen), eine „Allianz der Auf-Rechten“.

Als ein gemeinsames Ziel wurde neben der Gründung einer Volksarmee und dem sofortigen Ersatz des Euro durch den Dollar eine fundamentale kulturelle Erneuerung beschlossen. Zuallererst sollten verlogene pseudointernationale Vermischungsveranstaltungen als Kulturschande entlarvt und abgeschafft werden. „Jeder für sich, aber gemeinsam gegen unvölkischen dekadenten Intellektualismus“ hieß der von den Kulturministerien gemeinsam aufgestellte Leitsatz. Als es aufgrund des Verbotes des „Eurovision Song Contests“, der Filmfestspiele in Cannes und des „Wacken Open Air“ zu erheblichen Unruhen in der Bevölkerung kam, baten Le Pen und von Storch Briten und Amerikaner um Hilfe für ihre demokratisch gewählten Regierungen. Dank des immer noch intakten Eurotunnels zwischen Dover und Calais erübrigte sich eine aufwendige Invasion auf dem Seeweg. Ratzfatz bildeten britische Einheiten einen bis nach Paris und Berlin reichenden Brückenkopf.

Ein paar regelmäßig im Web und in den noch vorhandenen sonstigen Sendeanstalten verbreitete Werbeclips über die hygienische Wirkung der Neutronenbombe ließen jeden aufkeimenden Widerstand sofort zusammenbrechen. Die Abschaffung der Schulpflicht und die Entlassung der Angestellten und Beamten in die Freiwilligkeit statt einer Altersvorsorge oder zwanghaften Krankenversicherung schuf auf der Stelle viel Sympathie für den frischen „American Way of Life“.

Mit offenen Armen und allen militärischen Ehren empfing Donald Trump Le Pen und von Storch im Weißen Haus bei BigMac und Coke. („Mich hat er sogar in den Po gezwickt“, verriet von Storch dem „Weltspiegel“ später in einem Interview). „Das Ende dieser Europäischen Fehlkonstruktion ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft“, twitterte Trump. „Ich habe bei Netflix, Apple und Alphabet veranlasst, dass jede neue Serie mit diesem großartigen innovativen Satz zu enden hat“. Geschaffen war ein Imperium, in dem die Sonne niemals unterging, nur einige Küstengebiete und Inselchen bei Durchschnittstemperaturen von 55 Grad Celsius.

Theo Geißler ist Herausgeber von Politik & Kultur

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!