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Tanz als Fundamentalerfahrung. Der Film „Tanzträume“ von Anne Linsel und Rainer Hoffmann. Foto: Real Fiction / Ursula Kaufmann
Tanz als Fundamentalerfahrung. Der Film „Tanzträume“ von Anne Linsel und Rainer Hoffmann. Foto: Real Fiction / Ursula Kaufmann
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Gelebte Tanzträume im Kino: Jugendliche tanzen „Kontakthof“ von Pina Bausch

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Wer weiterhin meint, Tanz und Ballett und Körpersprachliches seien Gehüpfe und Gemache und Geturne samt Getue und frei von Kunst und Emotion und sensibilisierendem Intellekt, der könnte ganz aktuell versuchen, sein vermeintliches Urteil mit einem Kinobesuch wenigstens in Relation zur echten Realität zu setzen.

Bei einer Begegnung mit dem Titel „Tanzträume“ lässt sich erleben, wie Pina Bausch, Deutschlands bedeutendste Choreographin bis ins erste Jahrzehnt des dritten Jahrtausends hinein, mit Jugendlichen arbeitet, die sich frei von Tanzausbildung der Realität dessen aussetzen, was die Grammatik der körperlichen Interaktion vom Wesen des Seins übermitteln und in aller komprimierten Konzentration auf Bewegungschiffren darzustellen imstande ist.

Wie da in Jugendlichen Passionen sich entwickeln, wie Körperbewusstheit real wird, wie soziale Kompetenz ins agierende Zusammenleben hinein wächst, wie sich das Vertrauen des sich Verlassenkönnens ohne verlassen zu werden im Gruppenerlebnis zu einer Fundamentalerfahrung ausweitet, aus der heraus auch Vertrauen ins ureigene Sein und Können erwächst, was sich in jungen Menschen da mit Migrationshinter- und- vordergrund ereignet an Erkenntnisgewinn auf dem Weg über Kunst-Können, was weit jenseits jeglicher Parteienvorortsvereinskungelei an politischer und sozialer Kompetenz wächst und zusammenwächst, das sprengt Grenzen des bislang Vorstellbaren.

Gerade die Suche nach Liebe und Zärtlichkeit inklusive der körperlichen Interaktionen mit dem anderen Geschlecht und den direkt damit verbundenen Enttäuschungen und Aggressionen waren eine beachtliche Herausforderung für die Jugendlichen. „Kontakthof ist ein Ort, an dem man sich trifft, um Kontakt zu suchen“ sagt Pina Bausch. „Sich zeigen, sich verwehren. Mit Ängsten. Mit Sehnsüchten, Enttäuschungen, Verzweiflungen. Erste Erfahrungen. Erste Versuche. Zärtlichkeiten und was daraus entstehen kann.“ Die Jugendlichen ab vierzehn Jahren sind daran gewachsen, sind selbstbewusster, selbständiger und skeptischer gegenüber Vorurteilen geworden.

Anne Linsel und Rainer Hoffmann belegen das in ihrem wahrhaft wundervollen Film im wahrsten Sinn des Wortes bewegend und aufs Nachdrücklichste. Der dergestalt ungewollt mit den letzten öffentlichen Aussagen Pina Bauschs zu einer Art Nachruf wurde. Denn Pina Bausch starb unerwartet am 30. Juni 2009. Jetzt dokumentiert dieser Film ihre Größe. Das Ensemble seinerseits ist alleine auf Tour (z.B. bei der Ballettfestwoche des Bayerischen Staatsballetts Ende April in München).

Tanzträume
Länge: 89 Min.
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 18.03.2010
Regie: Anne Linsel, Rainer Hoffmann
Drehbuch: Anne Linsel
Kamera: Rainer Hoffmann
Schnitt: Mike Schlömer

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