Drei bis an den Rand vollgepackte Veranstaltungstage. Kammermusikalisches in großer und kleiner Besetzung, Orchestrales, Performance und auch noch so ein geheimnisvolles Ding wie „modernes Hören“. Für alle schien hier etwas dabei. Wer vieles bringt, wie ja schon unser aller Klassiker wusste, wird manchem etwas bringen. Was brachte das „Schöne Wochenende“?
Düsseldorf, Anfang Februar – Dass selbst das verregnete, das wolkenverhangene Wochenende seine schönen Seiten haben kann, ist bekannt. Mindestanforderung: die Sonne muss rauskommen. Was sie zwischendurch tatsächlich tat. Und (um den meteorologischen Einstieg in die Konzertkritik damit abzuschließen): Helle Momente gab es durchaus auch auf den Podien der Düsseldorfer Tonhalle, die sich mit dem jetzt frisch an den Start gegangenen „Schönen Wochenende“ begrüßenswerterweise auf ein neues Festival zur zeitgenössischen Musik festgelegt hat. Was bei näherer Betrachtung Pflichtaufgabe ist. Und auch ‚neu’ stimmt dabei nicht ganz insofern dieses neue „Schöne Wochenende“ zunächst die Erbschaft antritt des im Biennale-Rhythmus veranstalteten Vorgänger-Festivals „Ohren auf Europa“. Uwe Sommer-Sorgente, der seit Jahresfrist agierende Tonhallen-Dramaturg kann damit zurückgreifen auf die buchstäblich jahrzehntelange Aufbauarbeit des notabu ensemble neue musik unter seinem Gründungsdirigenten Mark-Andreas Schlingensiepen. Nur eben, dass für den schönen Erfindungskern, der dem Vorgänger-Festival seine beständige Qualität gesichert hatte, jetzt irgendwie kein Platz mehr schien, was sich in dieser ersten Ausgabe des Nachfolgers teils irritierend, teils ärgerlich bemerkbar gemacht hat. Schmerzlich vermisst ward im Prolog wie im Finale das Meisterwerk aus der reichen Geschichte der neuen respektive zeitgenössischen Musik. Eines, das ohne große Worte Maßstab und Bezugspunkt setzt.
Hatte sich Schlingensiepen für die verantwortungsvolle Aufgabe der Programmierung noch aufs Expertenwissen wie auf das Ethos der Komponisten gestützt, so vermittelte sich jetzt der Eindruck rheinisch-fröhlicher Anarchie. Noch einmal schien der Schlachtruf einer seligen Postmoderne die Gemüter zu beflügeln: Anything goes! Nicht, dass das Sympathische daran, das lustvoll Horizont-Öffnende hier verkannt werden sollte. Im Gegenteil. Nur war es dann doch so, dass dem experimentell Ausgreifendem, dem Mutigen, dem produktiv Ausgrabenden im Programm nicht wenige retardierende Perspektiven gegenüberstanden. Vor allem im Eröffnungs- wie im Schlusskonzert wurde man den Eindruck nicht los, als ob das künstlerische Heil hier im wehmütigen Zurück gesucht würde, in längst abgelegten, abgeschlossenen Vergangenheiten.
Sehnen rückwärts
So gekonnt etwa der junge französische Komponist Karol Beffa und einmal mehr Altmeister Krzystof Meyer ihren Ensemblesatz im Griff haben, das duftige Kolorit von Beffas Le pavillon d’or und Meyers Musique de la mumiere et dela pénombre (beides von notabu als Uraufführungen präsentiert) war Geist vom Geist der Klassischen Moderne. Unlust an der Gegenwart, Sehnsucht nach der Musik-Haute Couture des Paris von 1924. Getoppt wurde diese Art einer hier noch sehr kunstvoll verschleierten Regression im Abschlusskonzert. Ausgerechnet das Jugendsinfonieorchester der Tonhalle wurde von seinem Leiter Ernst von Marshall dazu verdammt, eine „Romantische Rhapsodie für zwei Klaviere und Orchester“ zu exekutieren. Mit zwei jungen, noch im Studium stehenden Solistinnen, die sich in festliche Robe geworfen hatten, um das geläufige Auf und Ab dieses Wiedergängers von Rachmaninow abzuspulen. Fatal. Eine Kapitulation.
Hoffen vorwärts
Anders die vom Essener E-Mex Ensemble vorgestellten Schüler-Arbeiten der Kompositionsklasse David Graham von der städtischen Clara-Schumann-Musikschule. Da war viel Unbekümmertheit, gewiss auch Unbeholfenheit im Spiel. Aber eben Neugierde, die Essenz und das Triebmittel für das Neue in der Musik. Eine Neugierde, die auch begegnete in der Performance „Die Rose, die Lilie, die Taube“. Tastende zehn Minuten, versetzt leider ans bittere, fast nächtliche Ende dieses Wochenendes. Achtzehn junge Koreaner präsentierten Ergebnisse ihres einwöchigen Workshops „Winter-Träume“, geleitet von Gerhard Staebler, Kunsu Shim, Roland Techet und einer wunderbaren Alexandra von der Weth.
Apropos. Dass sich der hiesige Opernstar mit seiner kolossalen Bühnenpräsenz und einer Stimme zum Verlieben nicht zu schade war, ausgerechnet im Chorisch-Performativ-Flüchtigen mitzutun, lässt hoffen. Wie bei den Auftritten von Udo Falkner und Irene Kurka mit Klavierkompositionen von Frederic Chopin und Christian Banasik. Wie beim witzig-kraftvollen, gegen ein widerspenstiges Instrument durchgeboxten Auftritt von Steffen Schleiermacher mit vergessener Musik von George Antheil und Leo Ornstein. Rausgerissen wurde dieses Wochenende ferner von den heiteren Arbeiten für Stimme solo und Chor von Kunsu Shim und Gerhard Staebler mit anima mundi unter Roland Techet und einmal mehr mit Alexandra von der Weth. Merke. Keine Wolkendecke ist so dicht, dass gar nichts mehr durchgeht.