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Benjamin Oeser (Pumuckl), Kinderchor des Staatstheaters am Gärtnerplatz. Foto: © Christian POGO Zach
Benjamin Oeser (Pumuckl), Kinderchor des Staatstheaters am Gärtnerplatz. Foto: © Christian POGO Zach
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Hurra, er ist da! – Das Pumuckl-Musical an Münchens Gärtnerplatztheater uraufgeführt

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Ein wochenlanger, schwerer Fall von Epidemie am Gärtnerplatztheater: nahezu alle Abteilungen waren betroffen; lange Schlangen aus Werkstätten, Verwaltung und freiem künstlerischen Personal vor – nein, in den Seitengassen der Probenräume. Ein ganzes Theater schien vom „Pumuckl“-Fieber befallen, denn selbst die ergrauten Mitarbeiter waren mit dem irrlichternden Rotschopf großgeworden, erst recht ihre Kinder und Enkel – via Radio, auf Schallplatte oder Kassette und dann ab den 1980er Jahren im Fernsehen… alle wollten miterleben, wie er anfing, jetzt die Bühne zu erobern.

Ein Gutteil von theatralischem „tout Munich“ wollte das auch: Gerhard Polt, zwei der Well-Brüder aus der „Biermösl Blosn“, die Kessler-Zwillinge, Ex-Intendanten-Gattin Pscherer undund… und dann auch ein Gutteil von aktuellen, also „mitteljungen“ bis ganz jungen „Pumuckl“-Fans mit ihren Eltern.

Die Ausgangslage des Projektes hörte sich gut an: Autorin Ellis Kaut hatte sich gewünscht, den Kobold auch im musikalischen Theater toben zu lassen; Franz Wittenbrink hat Musiktheatererfahrung mit amüsanten Um- und Neudeutungen von vorhandenem „Stoff“, seine textende Lebensgefährtin Anne X. Weber auch; als Co-Orchesterarrangeur arbeitete Mathias Weirich mit, so dass Dirigent Andreas Kowalewitz einerseits ein zu Probenbeginn fertig vorliegendes Werk einstudieren und dann noch mit allen Autoren diese oder jene Änderung besprechen konnte.

So war nach etwas Zither-Geflirre, Wirthaus-Tuba-Mmhtata und einsetzendem Swing-Sound, später bayerischen „Gstanzln“, Walzer- und Foxtrottischem aus dem Graben oben auf der Drehbühne ein reizvoll stilisiertes München-Konglomerat aus Frauenkirche, Altem Peter und einstigem (längst „weg-modernisiertem“) Häusel-Gewirr zu sehen – was als abendliche Silhouette besonders gut wirkte. In die nach vorne drehenden Fassaden hatten Karl Fehringer und Judith Leikauf ganz hübsch mal Meister Eders Schreinerwerkstatt, eine kleine Bierwirtschaft, zwei Zimmer von Schlosser-Ehepaar Schmitt und die Eingangshalle des gräflichen Schlosses eingebaut. Im Gassengewirr konnte gleich zu Beginn die unternehmungslustige Schulklasse von Lehrerin Reitmayer umherirren: Marianne Sägebrecht und der von Verena Sarré beeindruckend „frei“ agierende, weil bestens einstudierte Kinderchor gestalteten das „Hurra! Der Wandertag ist da!“ herrlich lebendig. Regisseurin Weber hatte dann mit der Metier-sicheren Technik des Hauses in die Theater-Zauberkiste gegriffen: wandernde Stecheisen, Hammer, Kaffeekannen, fliegende Zuckerdosen und Mützen und Hüte, die plötzlich agierende Ritterrüstung im Schloss bis zu an der Wand verschwindende Blutflecken – bildhübsches Kobold-Theater-Handwerk!

Das kam auch vom agil umherturnenden Pumuckl Benjamin Oeser, der als Jungbariton im Falsett den durch Leim für Meister Eder und das ganze Publikum sichtbar werdenden Kobold im Wortsinn beindruckend verkörperte: hüpfte, sprang, durch Luken kroch und in nicht einsehbaren Ecken und Gassen verschwand. Ferdinand Dörfler machte erst gar nicht den Versuch, Gustl Bayrhammer als TV-Meister Eder irgendwie zu imitieren; er war urbayerisch „grüebig“ genug, um aus Junggesellen-Ritualen, bodenständigem Handwerkmeister und lebenserfahrenem Mannsbild eine runde Figur zu formen – umgeben von herrlichen anderen Typen, die nur bei der männlichen Wirthausrunde allzu sehr einem norddeutschen Bayern-Klischee entsprach.

Der Schlussjubel für sie alle war ungetrübt. Der Kritiker wünschte sich aber, eher über die dritte oder fünfte Vorstellung zu berichten. Jetzt wirkte vieles doch premierenforciert und hektisch verschärft, ein paar Mal auch vom Orchester und Band-Sound her zu laut – locker freche Leichtigkeit stellte sich nicht ein. Wittenbrinks Songs wirkten „okay“, in Pumuckls „Schiffbruch“-Lied, das sein An-Land-Gehen in München reizvoll inszeniert erklärte, sogar anrührend. Doch der den Hör- und TV-Geschichten innewohnende Kampf zwischen normal gewachsener, bürgerlicher Ordnung und koboldisch winziger, mitunter dennoch fast abgründiger Anarchie wurde in Musik und Text - noch? – nicht zum Zentrum. Das andere Bühnenzauberwesen, Peter Pan hat es da leichter, phantastisch zu ent- und verführen. Wittenbrink-Webers Pumuckl fehlt da noch etwas…

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