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Foto: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
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In Schönheit erstrahlt – „Parsifal“ bei den Bayreuther Festspielen

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Vom Premierenabend zur ersten Reprise des Premierenzyklus ist ein erstaunlicher Qualitätssprung zu verzeichnen: das am ersten Abend nur erhoffte Wunder stellte sich nun ein: in teilweise neuer Besetzung, insbesondere aber mit Semyon Bychkov als Dirigent, erlebt die „Parsifal“-Produktion den Aufschwung zu einem echten Festspielerlebnis.

Als dritter Dirigent dieser Produktion – nach dem im Premierenjahr von Hartmut Haenchen abgelösten Andris Nelsons – ist nun Semyon Bychkov der musikalische Sachwalter. Der Hügelneuling, der sich im magischen Abgrund sofort wie zu Hause gefühlt haben soll, verbindet hohe Professionalität mit einer eigenen, zupackenden Lesart, welche diese Produktion mit einem Schlag um Klassen aufwertet.

Unter Bychkovs Leitung kulminiert die Partitur des Bühnenweihfestspiels zu einer Vor- und Rückschau auf die Gattung Oper unterschiedlicher Provenienzen. Die russische Solistin Elena Pankratova als Kundry wächst unter Bychkov zu ungetrübtem Format auf, Andreas Schager gestaltet makel- und mühelos den Parsifal, facettenreich und faszinierend, und der von Eberhard Friedrich einstudierte Festspielchor entfaltet, insbesondere im Doppelchor des dritten Aktes, eine Expressivität und Ausdrucksstärke, welche seine Leistung am Eröffnungsabend noch übertrifft.

Der Idee der „Werkstatt Bayreuth“ folgend, hat Regisseur Uwe Eric Laufenberg auch in diesem Sommer an seiner Inszenierung weitergearbeitet und dabei diverse Modifikationen angebracht, am augenfälligsten bei der zweiten Verwandlungsmusik mit einer neuen Film-Projektion. Die Bilderfolge von Kundry und Gurnemanz ist nun ersetzt durch Winifred und Wolfgang Wagner: Filmclips der vom Alter gezeichneten Festspielleiter mutieren zu deren Totenmasken, gefolgt von der Totenmaske Richard Wagners. Die Aussage des Regisseurs, dass der Weg zum Gral den Weg zum Tod meint, wird auf diese Weise ortsbezogen verdeutlicht, zugleich wird der Gralstempel mit dem Festspielhaus gleichgesetzt. Das stellvertretende Blutopfer des Gralskönigs als Speisung für die Gralsritter erfolgt – im Gegensatz zum ersten Aufzug – im Schlussakt nicht mehr; dagegen werden Religionsattribute der aus diversen Religionsgemeinschaften kumulierten Männergesellschaft mit der Asche des Gründers der Gralsgemeinschaft in dessen Sarg begraben, und Parsifal legt nun auch noch einen Stein aus der Mauer des Gebäudes obenauf. Dazu weitet sich der Gralstempel in alle Richtungen und das Innere des Festspielhauses, nicht blendend vom Gegenlicht aus der Bühnentiefe hell beleuchtet, erstrahlt in sonst nie so zu erlebender Schönheit.

Problematisch in dieser Inszenierung bleibt der massive Einsatz von Laien, insbesondere während des Vorspiels, aber auch rund um den Karfreitagszauber, selbst wenn die sich im Regen verlustierenden Nackedeis beiderlei Geschlechts inzwischen unverklemmter agieren.

Großartig gelingt der zweite Aufzug – in dem zu einem orientalischen Harem umgestalteten Gralstempel, mit dem von den Blumenmädchen im Wasser entkleideten Parsifal und einer nachhaltig spannenden Verführung durch Kundry. Dabei kommt als Vor- und Gegenbild Parsifals auch immer wieder der hier der Kundry fortdauernd als Liebhaber verbundene Amfortas ins Spiel. Bei seinem Coitus interruptus deutet Parsifal Kundrys Vagina als die viel besungene „Wunde“.

Dass Parsifal dann zum erneuten Umzug in die Soldatenkluft von der Szene geht und die für seine spätere Erkenntnis überaus wichtige Erzählung Kundrys über Jesus von Nazareth, dem sie in einem ihrer Vorleben als Herodias begegnet war, verpasst, bleibt ein Manko dieser Inszenierung, die gerne lautes Atmen oder auch Husten der Sänger_innen als zusätzliche Charakterisierungsmittel integriert.

Bei Bychkov, der von Anbeginn auf symphonische Entwicklung setzt, wird die Komposition nie zur Begleitmusik degradiert. Dank stimmgewaltiger Interpreten, ergänzen sängerisch überzeugende Leistungen die orchestrale Klangentfaltung: Thomas J. Mayer als ein hinreißender Amfortas, Günther Groissböck, im Vorjahr noch Titurel, nun als ein sehr viriler Gurnemanz und Derek Welton als ein Klingsor mit einem für diese Partie ungewöhnlichen Stimmvolumen.

Wohl bedingt durch die enorme Hitze, gab es im dritten Aufzug ein paar Ermüdungserscheinungen bei den Bläsern und leider auch am Ende der Aufführung, bei dem vom Dirigenten extrem ausgekosteten Verklingen.

Heftiger, lang dauernder Applaus des Premierenpublikums – untersetzt mit Buhrufen, als das Regieteam auf die Bühne kam um die kontroverse Haltung zur eigenen Lesart souverän entgegenzunehmen.

  • Weitere Aufführungen: 1., 8., 14., 19. und 25. August 2018.

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