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Kann denn Sampling Sünde sein? Informationen zur aktuellen BGH-Entscheidung

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Es wird in vielen aktuellen Musikproduktionen Bezug genommen auf Werke anderer Schöpfer. Manchmal bedienen sich Komponisten älterer vorhandener Werke. Nicht nur als Komponisten mit Papier und Bleistift, sondern indem sie klingende Erzeugnisse einbauen. Man nennt das dann Samplen. Seit gestern gibt es zu dieser Frage eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH). Wir schauen genauer nach, was sie denn bedeutet und haben dazu in unserem Audio-Archiv gekramt.

Diese Entscheidung wurde von verschiedenen Seiten unterschiedlich aufgefasst. Im Kulturinformationszentrum lautete die Überschrift "BGH: Sampling von Musik unter bestimmten Bedingungen erlaubt" und bei Heise klang es euphorischer: "BGH: Sampling grundsätzlich zulässig". Die Entscheidung ist aber weniger klar, als es der erste Eindruck erweckt. Vor allem scheint schon die erste Formulierung den Überschriften diametral entgegen zu stehen, wenn es heißt: "Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass bereits derjenige in die Rechte des Tonträgerherstellers eingreift, der einem fremden Tonträger kleinste Tonfetzen entnimmt." (BGH-Entscheidung)

In der Heise-Meldung heißt es hierzu:

Nach Ansicht des Senats ist die freie Benutzung von Samples "in zwei Fällen von vornherein ausgeschlossen": Wenn es sich bei der erkennbar einem benutzten Tonträger entnommenen und dem neuen Werk zugrunde gelegten Tonfolge um eine Melodie handelt. Darüber hinaus komme eine freie Benutzung nicht in Betracht, wenn der Komponist des neuen Stücks "befähigt und befugt" ist, die verwendete Tonfolge selbst einzuspielen. (Heise Newsticker)

In beiden Fällen geht es um die Melodie, die im Urheberrecht besonderen Schutz genießt. Der entsprechende Passus lautet:

§ 24UrhG Freie Benutzung
(1 Ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, darf ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden.
(2) Absatz 1 gilt nicht für die Benutzung eines Werkes der Musik, durch welche eine Melodie erkennbar dem Werk entnommen und einem neuen Werk zugrunde gelegt wird.

Im konkreten Fall handelt es sich jedoch um eine rhythmische Struktur. Der BGH schreibt dazu in seiner Entscheidung:

Die Kläger sind Mitglieder der Musikgruppe "Kraftwerk". Diese veröffentlichte im Jahre 1977 einen Tonträger, auf dem sich unter anderem das Stück "Metall auf Metall" befindet. Die Beklagten zu 2 und 3 sind die Komponisten des Titels "Nur mir", den die Beklagte zu 1 mit der Sängerin Sabrina Setlur auf im Jahre 1997 erschienenen Tonträgern eingespielt hat. Dabei haben die Beklagten eine etwa zwei Sekunden lange Rhythmussequenz aus dem Titel "Metall auf Metall" elektronisch kopiert ("gesampelt") und dem Titel "Nur mir" in fortlaufender Wiederholung unterlegt. Die Kläger meinen, die Beklagten hätten damit ihre Rechte als Tonträgerhersteller verletzt. Sie haben die Beklagten auf Unterlassung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht, Auskunftserteilung und Herausgabe der Tonträger zum Zwecke der Vernichtung in Anspruch genommen. (BGH-Entscheidung)

Wir erlauben uns, in diesem Zusammenhang die entsprechenden Passagen zum hörenden Vergleich vorzustellen. Gefolgt wird dieser Vergleich mit einem Exkurs zum Samplen. Dazu ging taktlos in die Werkstatt der „Kinderzimmer Productions“ – eine leibhaftige Darstellung eines Resamplevorgangs. Anschließend erörtert Sascha Klammt von den Kinderzimmer Productions noch einmal, weswegen eine ihrer Platten vom Markt genommen werden musste, obwohl die Urheber des verwendeten Samples keine Bedenken dagegen gehegt hatten. Die Beispiele stammen aus dem Jahr 2000, als sich taktlos dem Thema „Geistiges Eigentum in Zeiten des Internets“ gewidmet hatte.

Ist nun also Samplen grundsätzlich zulässig? Das BGH-Urteil bringt an sich da wenig Aufklärung, wie der vorliegende Fall klar macht. Ungeklärt blieben die Rechte der Hersteller der Tonträger beispielsweise, wie sie auch im Podcast von den Kinderzimmer Productions erwähnt werden. Zwar sagt der BGH: „Ein Eingriff in die Rechte des Tonträgerherstellers ist deshalb bereits dann gegeben, wenn einem fremden Tonträger kleinste Tonfetzen entnommen werden.“ Aber er sagt auch, dass zu prüfen sei, „ob die Beklagten sich auf das Recht zur freien Benutzung berufen können.“

„Nach § 24 Abs. 1 UrhG darf ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden. Danach kann auch die Benutzung fremder Tonträger ohne Zustimmung des Berechtigten erlaubt sein, wenn das neue Werk zu der aus dem benutzten Tonträger entlehnten Tonfolge einen so großen Abstand hält, dass es als selbständig anzusehen ist.“ (BGH-Entscheidung)

Wie steht es denn jetzt genau mit der Verwendung von Rhythmen, zumal der BGH hier wieder von Tonfolgen spricht. Die Neuerung dieser Entscheidung ist wohl eher darin zu sehen, dass auch Tonträger als Quelle der Verarbeitung zugelassen werden. Das heißt, das reproduzierte Werk im erklingenden Zustand, nicht allein die Verwendung von Notenmaterial, was bisher nach meinen Kenntnissen der Fall war. (Beispiel: Wenn Bernd Alois Zimmermann in einigen seiner Werke gelegentlich Zitate eingewoben hatte.)

Eine eigentlich erhoffte Klärung blieb daher aus. Der BGH entledigt sich der Sache dadurch, dass er die Angelegenheit an das Berufungsgericht zurücküberwiesen hat. Das muss nun wohl entscheiden, ob das Stück von Moses Pelham, vorgetragen von Sabrina Setlur, genügend selbständig ist.

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