Wer aus München ins niederösterreichische Grafenegg reist, um den diesjährigen Musik_Sommer mit einer Sommernachtsgala einzuweihen, erlebt ein musikalisches Akustikwunder der besonderen Art. In einem 32 Hektar großen Landschaftsgarten wurde vor zwei Jahren neben das neugotische Schloss der Familie Metternich-Sándor ein futuristischer Open-Air Bau gestellt, der 1.750 Zuhörern Platz bietet. Seit 2008 verfügt Grafenegg daneben über einen neuen Konzertsaal.
Dies Alles geschah, um zwei Veranstaltungsreihen Raum zu bieten, die der österreichische Pianist Rudolf Buchbinder unter seine Fittiche genommen hat. Der Musik-Sommer Grafenegg, vom 19. Juni bis zum 15. August 2009 und das Musik-Festival Grafenegg, vom 20. August bis zum 6. September 2009.
Neben dem heimischen Tonkünstler-Orchester Niederösterreich spielen in diesem Jahr so renommierte Klangkörper wie das London Symphony Orchestra, die Wiener Philharmoniker und das Mahler Chamber Orchestra unter den Dirigenten Zubin Mehta, Sir Colin Davis und Tan Dun, dem diesjähirgen Composer in Residence. Am 6. September wird das Tonkünstler-Orchester Tan Duns “Four Secret Roads of Marco Polo” Earth Concerto for stone an ceramic instruments with orchestra uraufführen.
Rudolf Buchbinder gefragt nach seinen Auswahlkriterien für Künstler und Programm: „Wir wollen einfach nur die Besten im symphonischen Bereich. Aber auch die Zeitgenössische Musik, mit all ihren Facetten, liegt mir sehr am Herzen.“ So steht der Komponist für das nächste Jahr bereits fest, soll aber noch nicht verraten werden. Nach Penderecki (2007), Holliger (2008) und in diesem Jahr dem Chinesen Tan Dun, darf man gespannt sein, welcher Aspekt der Neuen Musik 2010 beleuchtet werden soll.
Die Sommernachtsgala, vom ORF aufgezeichnet, brachte mit einem Programm zwischen den Londoner Proms und dem amerikanischen Tanglewood Süffig-Kulinarisches für Jedermann. Lang Lang (Klavier), Tamar Iveri (Sopran) und Janine Jansen (Violine) schwelgten, begleitet vom Tonkünstler Orechester unter Andrés Orozco-Estrada, in Rachmaninow (2. Klavierkonzert), Korngold (Die tote Stadt) und Tschaikowski („Souvenir d'un lieu cher“). „Das gönnen wir uns einmal im Jahr, danach wird’s wieder ernst." resümiert, verschmitzt lächelnd, Johannes Neubert, der Geschäftsführer des Festivals.
Und auf das Akustikphänomen „Wolkenturm“ angesprochen, antwortet der für die Open-Air-Bühne verantwortliche Münchner Professor Karlheinz Müller: "Es hat sich vielleicht noch nicht herum gesprochen. Aber ich baue ihnen den Wiener Musikvereinssaal mit identischer Akustik an jedem beliebigen Ort auf. Aber welcher Architekt will das schon. Mit Rudolf Buchbinder hatten wie hier ideale Rahmenbedingungen und konnten alle unsere Vorstellungen durchsetzen."
Für einen akusitk-geplagten Münchner Konzertgänger glimmt also ein leiser Hoffnungsschimmer und so lautet die Quintessenz der Grafenegger Erfahrungen: von Österreich lernen, heißt Hören lernen.