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Kurz-Schluss: Wie ich mir einmal eine spielerische Lösung für alle Probleme unserer Arbeitswelt ausdenken durfte

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Wie so oft war der Auslöser für meinen – eng befristeten, mies bezahlten – Job eine geheime Studie. Wie ich über etliche Umwege erfuhr (Mossad, Deutschlands Verfassungsschutz ist bekanntlich impotent), wurde sie diesmal in einer gemeinsamen Aktion des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (Seehofer, CSU) und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (Heil, SPD) in Auftrag gegeben. Die Gründe: einerseits der dramatische Mangel an Fachkräften in unserer Republik, andererseits der durch Lehrermangel und TV-Verblödung verursachte dramatische Bildungsnotstand unserer heimischen Bevölkerung, gepaart mit maximaler Faulheit und zur Unbeweglichkeit zwingender Verfettung dank Fastfood, Kartoffelchips und Craftbier. [Vorabdruck aus Politik & Kultur 2018/05]

Ein Sprengsel der Upper-Class aus Vega­ner*innen, Vegetarier*innen, genetisch deformierten Zwangs-Asket*innen und religiös verformten Muster-Leistungserbringer*innen konnte diesen gesamtdeutschen Dekadenz-schub keinesfalls kompensieren.

Folglich galt es, zwei Probleme rasch zu lösen – zum einen die Behebung des Mangels an Fachkräften, um unser unendliches Wirtschaftswachstum gründlich zu düngen. Hierfür bot sich schlüssig folgende Rettungstaktik an:

Weil die Einbürgerung kompetenten afrikanischen oder asiatischen Personals nach wie vor auf den Widerstand einer von der Illusion eigener Fähigkeiten verblendeten Bürgermehrheit (AfD, Pegida, CSU, Identitäre, NSU) den Regierungsparteien inopportun schien, verfielen unsere Politiker*innen dank der Beratung durch Amazon sowie die Mainzer und Düsseldorfer Karnevalsgesellschaften – natürlich ein eigentlich unbezahlbarer Tipp von mir – auf folgende Camouflage: Nach einer Serie lieblicher, sinnlicher Fernsehspots mit Robotern, die Alte und Demente aufs Beste pflegten und zärtelten, schneiderten billige taiwanesische Werkstätten im Auftrag von Arbeitsminister Heil aus den Resten ausgeschlachteter überflüssiger Supertanker menschenähnliche Cyborg-Kostüme in jeweiligen Übergrößen.

Schwarzes, gelbes und sonstiges arabisches hochspezialisiertes Fachpersonal wurden in diesen freundlicherweise und auf Forderung eingeweihter Gewerkschafter mit Lebenserhaltungssystemen ausgestatteten Rüstungen versteckt und importiert. Sie hätschelten perfekt, beseitigten Müll und stellten sich auch beim Zusammenbau der Akkus für Elektroautos und der Panzer von Krauss-Maffei sehr geschickt an. Das faule Volk begrüßte die „Roboter“ herzlich. Allüberall wurde die „künstliche Intelligenz“ als Entlastung des Homo Sapiens über den grünen Klee gelobt. Und nicht zu Unrecht: Denn parallel entwickelten sich „Deus ex machina“ genannte KIs zunächst noch unter Anleitung menschlicher Spezialisten, wenig später aber und viel perfekter aus eigener Bit-und Byte-Potenz.

Womit wir beim zweiten Problemfeld und dem eigentlichen Grund für meinen Auftrag angelangt wären. Wie die eingangs erwähnte Studie dank des allumfassenden Einsatzes unseres Bundes­trojaners in allen privaten Nutzungsbereichen – Smartphone, Tablet, PC, TV, Auto, Kühlschrank, Bügeleisen, Vibrator … – ermittelte, dürfte aus schierer Langeweile und mangels teurem obligatorischem Grundeinkommen für Reisen nach Malle oder in die DomRep tiefe Unzufriedenheit bis hin zur offenen Revolution ausbrechen. Abhilfe könne einzig eine Art virtuelle Realität, also eine möglichst zielgruppenspezifische virtuelle Spielewelt, schaffen, die unsere träge deutsche Masse gleichermaßen beschäftige wie befriedige.

Nun hatte ich mich – vielleicht wurde ich deshalb vom Trojaner ausgewählt – in langweiligen Verlagsbürozeiten monate-, wochen- und tagelang mit Minesweeper, Wolfpack, Tripeaks und ähnlichen eher schlichten Geistesübungen am Bildschirm fit gehalten. Insofern lag es nahe, mich intensiver um die Spiele-branche zu kümmern.

Was Wunder: Ihre Zukunft sieht blendend aus. 2017 wurden allein in Deutschland Umsätze von 3,34 Milliarden Euro erwirtschaftet, das sind 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Der durchschnittliche deutsche Gamer ist 36,1 Jahre alt. Kein Hype ist derzeit größer als der um Battle-Royale-Spiele wie „Fortnite“ und „Playerunknown’s Battlegrounds“ (PUBG) – ein Milliardengeschäft. Deshalb werden viele Hersteller einen solchen Modus in ihre Spiele einbauen, etwa bei den neuen Actionhits „Call of Duty: Black Ops 4“ und „Battlefield 5“.

Der Games-Sport als „Beruf“ ist aus der Spielewelt nicht mehr wegzudenken. Welche Dimensionen die Profi-wettkämpfe in einigen Games erreicht haben, zeigte das größte Computerspielturnier der Welt in Vancouver. Da wird um ein Preisgeld von weit mehr als 20 Millionen Dollar gedaddelt. Kürzlich fand in Berlin die PUBG-WM statt (immerhin zwei Millionen Dollar Preisgeld). Genau das, was wir brauchen: Keine Produktivität – dafür haben wir unsere KIs – eine Sesselfurzer-Betätigung und bei Bedarf 24 Stunden täglich „Vollbeschäftigung“.

Und zum Anfixen empfehle ich das brandneue „Fallout 76“, ein supergeiles, superrealistisches Endzeitspiel. Einige Jahre nach dem Atomkrieg macht sich einer der ersten Bunkerbewohner auf, das zerstörte West Virginia zu erkunden. Die „Fallout“-Welt soll viermal größer sein als die des Vorgängers und kann erstmals auch gemeinsam mit anderen Spielern erlebt werden. Oder auch erstorben. Die Rechte am Plot hält nämlich die Trump-Gaming-Corporation.

Theo Geißler ist Herausgeber von Politik & Kultur

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