Mit einem Featurefest voller Musiksendungen geht der Bayerische Rundfunk in die Weihnachtszeit. Mit dabei: Alma Rosé, Maria Malibran und Hector Berlioz. Auf den regulären Featurterminen tummeln sich außerdem Friederike Mayröcker, Frank Peter Zimmermann, Giovanni Battista Pergolesi und der Konzertpfeifer Tamás Hacki.
Dezember 2009
musikalischemomente: wien
Von Wolf Loeckle
10. Dezember 2009
BR-Klassik, 21.03-22.00 Uhr
Im Zeitalter radikaler Veränderungen könnte ein charmanter KurzSatz à la „Wien bleibt Wien“ gar als tröstlich empfunden werden. Karl Kraus höchstselbst meinte das in einem früheren Jahrhundert allerdings höchst skeptisch - wenn nicht ganz fies als schiere Drohung. Dergestalt nämlich, dass Wien überhaupt nicht zu irgendeiner sich entwickelnden Fortschrittlichkeit mehr fähig sei. Auf solchem Humus gedeihen dann Sätze, wie „Schönberg war der letzte, der in Wien noch etwas wollte“. In so einem „MusikMuseum“, an dieser „Musik-Halte-Stelle-Ganz-Wien“ stellen sich Fragen: War diese Stadt die erste multikulturelle Metropole der Weltgeschichte, die Heimstatt des Judenhasses im deutschsprachigen Raum etwa? Ist Wien der Ort, in dem (nicht nur) zuweilen galt, „Was in unseren Zeiten nicht erlaubt ist gesagt zu werden, wird gesungen“ - so, wie Wolfgang Amadeus Mozart es ausgedrückt hat? Und solches Singen halt mit Worten. Und durchaus auch als Lied ohne Wort... Inkarniert sich hier die Erfindung der Gattung Streichquartett als typisch wienerischer Kunst des vielstimmig sich überlagernden Kommunizierens von simpler Melodienseligkeit bis hin zu höchster intellektueller Konzentration, von Walther von der Vogelweide bis zu Falco, von der Zisterzienser-Einstimmigkeit bis zu Schönbergs „Gurre-Liedern“, von „Herz-Schmerz-Kitsch“-Kommerz bis mitten hinein in die äußerste Webern-Verknappung? Ist Wien „Welthauptstadt der Musik“ – oder etwa der Hausmusik? Was ja bestens wäre? Betroffene und Betreffende finden Antworten im Feature von Wolf Loeckle inmitten von viel wienerischer Musik.
Eismitte
Hörspiel nach Motiven aus dem Tagebuch von Johannes Georgi
Texte von René Char und Simone Weil
Von Ulrich Müller
13. Dezember 2009
Bayern 2, 20.05-21.00 Uhr
Vom Juli 1930 bis zum August 1931 lebte der Meteorologe Johannes Georgi, Mitglied der Grönlandexpedition Alfred Wegeners, unter schwierigsten Bedingungen in der Wetterstation Eismitte, im Inlandeis Grönlands. Davon 4 Monate völlig isoliert: der einzige Mensch im Umkreis von 400 Kilometern Eiswüste. Sein ständiges Ringen mit der bedrohlichen Außenwelt und seine inneren Kämpfe hat Georgi in Tagebuchaufzeichnungen festgehalten, die der Ausgangspunkt dieses Hörspiel sind. "Eismitte" illustriert Georgis Überlebenskampf nicht, sondern übersetzt ihn in ein musikalisches Konzept, geprägt von metallenen, elektronischen Klangbildern, peitschenden rhythmischen Sequenzen und jähen Brüchen, die Muster der ständigen körperlichen und seelischen Zerreißproben sind, denen Georgi ausgesetzt war. In diese Klanglandschaften sind wie akustische Nahaufnahmen Fragmente aus seinem Tagebuch sowie Zitate von Simone Weil und René Char eingebettet." Scheidend klar konturiert sich musikalisch und verbal eine geballte Extremsituation" (FAZ)
Frank Peter Zimmermann
Mein Weg mit Bach
Von Dorothee Binding
17. Dezember 2009
BR-Klassik, 21.03-22.00 Uhr
"Es ist für mich das Größte, die Musik von Bach zu spielen, an ihr zu arbeiten. Diese Musik zu durchschreiten, egal ob am Instrument oder Radio, gibt mir jedes Mal Kraft und Ruhe." Der Geiger Frank Peter Zimmermann zählt - fern von Kommerz und Medienrummel - zu den Größten seiner Generation. Längst gibt er Konzerte auf allen Bühnen dieser Welt, ist sich mit seinem bescheidenen Auftreten und seinen musikalischen Überzeugungen dabei aber immer treu geblieben. In diesem Feature gewährt der medienscheue Musiker einen sehr persönlichen Einblick in sein Leben. Leitfaden ist dabei das Thema Bach, dem er sich in seiner musikalischen Karriere von vielen verschiedenen Seiten nähert. Er beschreibt seine ganz persönliche Auseinandersetzung mit Bach und seiner Musik, von seiner Kindheit bis zur aktuellen und hoch gelobten Einspielung der Violinsonaten von Johann Sebastian Bach mit dem Pianisten Enricon Pace. Und er erlaubt uns einen Blick auf sich als Lehrer und Vater, der mit seinem Sohn Serge eine Solo Partita von Bach einstudiert - mit ebenso viel Anspruch wie Humor. "Die menschliche Reife zu erlangen, spielt bei Bach eine große Rolle. Als 20-Jähriger will man immer alles - und das ist eigentlich schon zuviel. In dem Moment, wo man die Musik selbst spielen lässt, entstehen die größten Momente."
Mayröcker Moods
Klangstimmungen der Dichterin Friedrike Mayröcker
Von Bert Noglik
20. Dezember 2009
BR-Klassik, 21.03-22.00 Uhr
Im Jahr ihres 85. Geburtstages befragt der Musikjournalist und Autor Bert Noglik die österreichische Schriftstellerin Friederike Mayröcker nach ihren musikalischen Vorlieben und klanglichen Inspirationsquellen. Im „Café Imperial“, einem ihrer Wiener Lieblingscafés, gibt die Dichterin Auskunft über ihr intimes Verhältnis zu Musik unterschiedlicher Herkunft und Entstehungszeit. Assoziativ wie in ihrem literarischen Schaffen spricht sie in einem der raren Interviews, die sie in den letzten Jahren gewährte, über den Abschied von ihrem Herzens- und Lebensgefährten Ernst Jandl, über die Stimmungen der Melancholie, die Ungerechtigkeit des Todes, die Sehnsucht nach den ungeschriebenen Werken, über Sprache und Sprachlosigkeit.
Sie reflektiert ihre akustische Umwelt, Konzertbesuche und das Eintauchen in die Welt ihrer Schallplattensammlung – von John Dowland und Johann Sebastian Bach bis zu Franz Schubert und weiter zum Jazz eines Duke Ellington. Und sie findet sich wieder in so unterschiedlichen, zu Herzen gehenden Stimmen wie denen von Maria Callas und Billie Holiday.
FEATUREFEST 25.12.2009 – 6.1.2010Im Atem des Klanges
Die wunderbaren Welten des Akkordeons
Von Bettina Stummeyer
25. Dezember 2009Muse der enfants terribles
Die Mäzenin Winnaretta Singer-Polignac
Von Sabine Fringes
26. Dezember 2009"Wer von uns überlebte, verdankt es ihr ..."
Alma Rosé, die Dirigentin des Frauenorchesters von Auschwitz
Von Ursula Schneewind
27. Dezember 2009Wenn die alten Bänder sprechen ...
Eine Sendung über (Neue Musik)Sendungen
Von Michael Iber
28. Dezember 2009
"....luft von anderem planeten...."
1909. Anbruch, Aufbruch, Untergang?
Von Wiebke Matyschok
1. Januar 2010I. „Yo que soy contrabandista“
Beginn einer Sängerdynastie: Manuel García und Maria Malibran
Von Florian Heurich
2. Januar 2010Lohn, Gift oder überflüssig?
Applaus, und was er SängerInnen bedeutet
Von Elgin Heuerding
3. Januar 2010Pariser SommernachtsTräume
Hector Berlioz und Théophile Gautier
Von Vera Botterbusch
4. Januar 2010StimmTöne
Stimmen über Stimmen
Von Katrin Müller-Höcker
5. Januar 2010
Januar 2010
taktlos
7.1.2010
BR-Klassik, 21.03-22.00 Uhr
THEMA MUSIK LIVE: emotionen
I. Kammermusik
Mit Walter Levin, Ferdinand Zehentreiter
Daniel Hope, Sebastian Knauer
Live aus Schloss Elmau
14.1.2010
BR-Klassik, 20.05-21.30 Uhr
Jeder kennt sie, die unmittelbare Wirkungskraft von Musik: sie bringt Gefühle zum Ausdruck, beruhigt als Wiegenlied, ermuntert zum Tanz, inspiriert religiöse Handlungen, versetzt in Ekstase, bringt Gemeinschaften zusammen, erinnert an den ersten Kuss oder bewegt bei Trauer und Einsamkeit. Lange galt der Verstand als höchste Errungenschaft des Menschen. Mittlerweile hat sich das geändert. Emotionen spricht man eine eigene Intelligenz zu. Sie gelten sogar als überlebenswichtig. THEMA MUSIK LIVE 2010 fragt, woran es liegt, ob uns eine bestimmte Musik eher traurig, fröhlich, motivierend oder nachdenklich stimmen kann. Welche Rolle spielt der soziale, historische und kulturelle Kontext oder die Aufführungsform?
Die Spurensuche führt in der ersten Etappe auf Schloss Elmau, wo renommierte Künstler zur internationalen Kammermusikwoche zusammenfinden. Was dieses Genre für emotionale Sprengkraft und soziale Relevanz in unserer auf große Events ausgerichteten Gesellschaft in sich birgt, diskutieren der Geiger Daniel Hope, der Pianist Sebastian Knauer, Walter Levin, der ehemalige Primarius des berühmten LaSalle Quartetts, und der Musiksoziologe Ferdinand Zehentreiter.
Von der spirituellen Macht der Musik
Die Gruppe Jeune France
Von Sabine Fringes
21.1.2010
BR-Klassik, 21.03-22.00 Uhr
"Da die Lebensbedingungen immer mechanischer und unpersönlicher werden, muss die Musik allen, die sie lieben, ihre spirituelle Macht vermitteln."
Mit diesen Worten beginnt ein Manifest, mit dem im Jahr 1936 erstmals eine Gruppe junger Komponisten an die Öffentlichkeit tritt. „Jeune France“ nennt sich dieser Kreis um Olivier Messiaen mit den Mitgliedern Yves Baudrier, André Jolivet und Daniel Lesur.
In ihrem Programm lehnen die vier fast alles ab, was Frankreich an moderner Musik in den letzten Generationen davor hervorgebracht hatte, besonders den Neoklassizismus. Sie möchten die moderne Musik wieder "humaner" machen.
Alle vier sind Anhänger verschiedener Religionen und philosophischer Richtungen.
Die Freunde vereint jedoch der Wunsch nach einer neuen „lebendigen“ Kunst, die „der Musik ihr ursprüngliches Wesen als magischen Ausdruck der Religiosität menschlicher Gemeinschaften" zurückgeben kann. Wie Elemente des Jazz, Mystisches aus Indien und Arabien ebenso Eingang in ihre Musik finden wie Anklänge an die Romantik, zeigt Autorin Sabine Fringes in ihrem Feature.
Pergolesi, Giovanni Battista
Ein Radio-Essay
Von Tilman Urbach
24.1.2010
Bayern 2, 20.05-21.00 Uhr
Er lebte am kürzesten von allen bedeutenden Komponisten und obwohl er für den Hof und die Theater in Neapel und Rom schrieb, blieb ihm zu Lebzeiten eine weitreichende Beachtung versagt - erst als Pergolesi 1736 unter erbärmlichen Umständen gestorben war, entzündete sich eine wahre Pergolesi-Hysterie. Die Nachfrage überstieg bei weitem die spärliche Anzahl der Werke, sodass bedenkenlose Verleger bald Fälschungen herausgaben. Noch immer überragt
das "Stabat Mater" an Popularität alle anderen Werke Pergolesis - vielleicht weil es (in schöner Analogie zu Mozarts Requiem) im Angesicht des eigenen Todes entstand.
Über die Person des Komponisten aber wissen wir nach wie vor wenig. Wer war dieser Mann? Hat seine Musik, schmerzensreich wie sie klingt, mit ihrem Entstehungsort Neapel zu tun? Ist sie dem dramatisch theatralen Temperament der südlichen Metropole verpflichtet? Die Sendung versucht eine atmosphärische Fühlungnahme mit Pergolesi. Der Autor Tilman Urbach hat sich in Neapel und Pozzuoli umgeschaut und auf Spurensuche begeben.
Mach`s nochmal, Nathan!
Die Neuvertonung eines Stummfilmklassikers
Von Katalin Fischer
28.1.2010
Ein Projekt der vielen Gegensätze: Literaturklassiker und zeitgenössischer Komponist, alter Stummfilm und junge Musiker, humanistische Botschaft und nationalsozialistische Verfolgung.
Der Autor war Christ, der Protagonist ist Jude, der Komponist Moslem.
"Nathan der Weise" ist ein Stummfilm aus dem Jahre 1922, der nach Motiven von Lessings Drama in München gedreht wurde. Der sonst sehr erfolgreiche Streifen wurde in München nur ein einziges Mal gezeigt. Dann sorgten die Nazis mit Brand- und Morddrohungen dafür, dass er verschwand. Fünfzig Jahre lang galt er als verschollen, bis er Ende der 1990er Jahre von einem Mitarbeiter des Münchner Filmmuseums in Moskau entdeckt wurde - unter einem anderen Titel und stark beschädigt.
Nach jahrelangen Restaurierungsarbeiten wurde der Film jetzt neu vertont. Der libanesische Komponist Rabih Abou-Khalil schrieb die symphonische Begleitmusik und studierte sie mit dem Bundesjugendorchester ein.
Arte wird das runderneuerte Kunstwerk in seinem Stummfilmprogramm ausstrahlen, danach soll es als "filmmusikalische Toleranzinitiative" auf Welttournee gehen. Katalin Fischer berichtet in ihrem Feature von Entstehung und Verlauf des Projekts.
Pfeifer ohne Grenzen
Tamás Hacki – ein Arzt pfeift auf die Völkerverständigung
Von Christiane Neukirch
31.1.2010
Bayern 2, 20.05-21.00 Uhr
Er pfeift auf die Völkerverständigung; und er ist wahrscheinlich der Einzige, dem das niemand übel nimmt – es hat ihm vielmehr das Bundesverdienstkreuz eingebracht. Über alle Grenzen hinweg hat sich Tamás Hacki mit seinem Charme, vor allem aber mit seinen Künsten die Herzen der Menschen erobert. Schon in den sechziger Jahren ebnete er sich mit seinem außergewöhnlichen Talent den Weg von seiner ungarischen Heimat in die Welt und ins internationale Fernsehprogramm.
Tamás Hacki ist Konzertpfeifer – wohl der einzige seiner Art. Mit Panflöte, Piccolino und Geige wurde sein Ton schon verglichen. Durch seine selbst entwickelte Pfeiftechnik beherrscht er alle Register, um ein reiches Programm zu bestreiten, kreuz und quer durch alle Genres von Barock bis Pop und von Reggae bis Jazz.
Christiane Neukirch hat sich von Professor Hacki zeigen lassen, wie man konzertgerecht pfeift, und hat ihn auf einer musikalischen Reise durch vier Jahrzehnte begleitet. Das Ergebnis: ein musikFeature mit Pfiff.