Oboenkonzerte von Strauss, Martinu und Zimmermann mit Stefan Schilli und Bach-Werke, die Bach nicht geschrieben hat, mit Albrecht Mayer: Zwei neue CDs mit teils umgewöhnlichem Oboen-Repertoire in der nmz-Online-Kritik:
Ein wunderbar schlanker und vitaler Strauss schwebt durch den Raum, sobald man Stefan Schillis CD einschiebt. Ein in die Oboe gehauchter, eleganter zweiter Satz glänzt zwischen dem auf den Punkt gebrachten ersten voller Alpenglühen und blitzblanker Läufe und einem beglückenden Vivace mit kecken Vorschlägen und weichen Triolen. Bestechend: das organische Zurückgehen ins flottere Tempo und das tändelnde Spiel mit dem Motiv, das Schilli wie eine Eulenspiegelei anlegt. Dem folgt ein Allegro, das sich von schlichter Anlage schließlich zum expressiven Oboenschwanengesang hochgeschraubt. Schilli kostet jede Möglichkeit dieser farbenfrohen Musik aus, hat technisch alles wunderbar im Griff und gefällt zudem durch Leichtigkeit. Begleitet vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (Leitg. Mariss Jansons) hat er nun eine CD mit gleich drei ganz großen Konzerten des 20. Jahrhunderts vorgelegt: Martinu, Zimmermann, Strauss.
Bohuslav Martinus Konzert (1955) zeigt Schilli ebenfalls als grandiosen Musiker und perfekten Techniker. Das Orchester und das perkussive Klavier, das hier den Orchestersatz bereichert, machen subtil Druck, halten sich aber immer zurück, wenn Stefan Schilli seinen schlanken, modulationsfähigen Ton erklingen lässt. Der zweite Satz beginnt berückend schön, das „Recitativo“ ist ein Fegefeuer schönsten Oboenspiels. Vom Komponisten zuerst mit „Poco allegro“ überschrieben ist der zu Beginn folkloristisch wirkende dritte Satz. Der Oboe bietet er viele Möglichkeiten („Cadenza“) zu brillieren. Schilli nutzt sie und demonstriert im „Allegro“ rasante Perfektion.
Bernd Alois Zimmermanns „Concerto for Oboe and Small Orchestra“ (1952) ist dem 20. Jahrhundert verhaftet, allerdings gewürzt mit spätromantischer Expressivität. Einer flotten „Hommage à Strawinsky“ folgt eine „Rhapsodie“ mit überraschenden Stimmungswechseln. Schilli ist auch hier hundertprozentig zuhause, macht weit auf, wo es möglich ist, verschließt sich elegant, wenn es nötig ist und steht technisch sicher über den hohen Anforderungen. Eine Kadenz am Ende lässt Raum für einen klangschönen, fast schüchternen Triller. Im Finale können Solist und Orchester alle Register ziehen: größere Dynamik, viel Technik, ein schnelles Tempo und eine hochvirtuose Kadenz zeichnen diesen Satz aus.
Bei einer weiteren Oboen-CD stockt dem Puristen der Atem: Albrecht Mayer spielt Bachsche Oboenkonzerte, die der Barockmeister nicht geschrieben hat. Das neue Konzeptalbum Mayers besteht aus eigenen Bachadaptionen für Oboe, Oboe d’amore und Englischhorn, von Trinity Baroque und English Concert sehr subtil und stilsicher begleitet.
Mayer besticht wieder durch brillante Technik, ist musikalisch sicher, lässt die vertracktesten Läufe und Verzierungen in scheinbarer Einfachheit perfekt aus der Oboe fließen. Choräle und Arien aus Kantaten sowie der dritte Satz des Oboenkonzertes in F-Dur (das selbst allerdings vor Jahrzehnten ebenfalls aus Kantaten rekonstruiert wurde) bilden die Basis der hier eingespielten Werke.
Gemeinsam mit Andreas Tarkmann hat Mayer Musik Bachs herausgesucht, hat sich vorgestellt, was man damit außerdem und anders machen könne - immer mit der Oboe im Mittelpunkt. Mayer betont in Booklet und Interview, dass er Bach nicht verbessern, sondern nur ergründen wollte, wo die Oboe den Solopart übernehmen könne. Hätte man diese Musik nicht schon häufig in angeblicher Originalgestalt gehört, käme man vielfach erst spät auf den Gedanken, dass diese Oboenwerke bis zur Einspielung der CD in dieser Form nicht existierten.
Mayers Können auf der Oboe und die Schönheit und Eingängigkeit der ausgewählten und bearbeiteten Musik lassen allerdings keine Ecken und Kanten entstehen. Darum lässt diese hörenswerte CD eine ziemlich intensive akustische Sättigung, allerdings niemals Überdruss zurück.