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Flimmerkammer. Foto: © Thomas Dashuber
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Offenbach Operette 4.0 – Das Jewish Chamber Orchestra Munich in den Kammerspielen München

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Jedes Jahr ist Jubiläumsjahr. Und so feiert die Musikwelt 2019 Leopold Mozart, Clara Schumann und Jacques Offenbach, der im Salzburger Sommerfestival mit einer Inszenierung seines „Orpheus in der Unterwelt“ – hier mondän als Orpheé aux Enfers tituliert – zu höheren Weihen gelangen soll. Das lässt auch die Münchner nicht ruhen, die mit dem Jewish Chamber Orchestra Munich (JCOM) und ihrem Gründer und Leiter Daniel Grossmann zwei unbekannte Einakter Offenbachs auf die Bühne der Münchner Kammerspiele gebracht haben.

Ausgegraben wurde „Oyayaye oder die gräuliche Königin“, eine Opéa-buffe (1855), in der Rekonstruktion von Jean-Christophe Keck, und „Pomme D'Api“ von 1873. Kontrastiert und eingerahmt von John Cages Quartett VII (1976) und Quartett IV (1976). Die beiden Einakter Offenbachs werden als „umgekehrter“ Stummfilm realisiert. Dennis Metaxas, der für die szenische Einrichtung verantwortlich zeichnet, hat einen Videokommentar produziert, der das Geschehen der Stücke konterkariert: Die Performance bricht mit den Erwartungen, die gemeinhin mit einem Operettenabend in Verbindung gebracht werden.

Daniel Metaxas, so wünscht sich das Daniel Grossmann im Interview, soll Offenbach die Beschaulichkeit austreiben. Nun liegt es in der Natur der Sache, dass an den intellektuellen Tiefgang von Operetten von Alters her keine zu großen Anforderungen gestellt werden. Und das gleiche hier. Das erste Stück handelt von einer menschenfressenden Wilden, die unverständliche Laute von sich gibt. Das „Rotbackige Äpfelchen“ ist eine platte Dreiecksgeschichte von Onkel, Neffe und besagter junger Frau, mit schlichten Happy-End.

Das alles ist schmissig komponiert. Offenbach erweist sich vor allem in dem späteren Werk auf der Höhe der Zeit, und Laura Nicorescu (Sopran), Joshua Owen Mills (Tenor) sowie Andreas Burkhart (Bariton) beeindrucken mit Witz und sängerischer Genauigkeit. Urkomisch, wie die Drei in „Oyayaye“ mit ihren Triller- und Musikpfeifen nicht nur dem Orchester den Marsch blasen. Die musikalische Seite ist einer der großen Pluspunkte des Abends. Das JCOM unter Daniel Grossmann lassen den orchestralen Charme der Operetten aufleuchten. Hier wird die leichte Muse ernst genommen und Offenbach als großer Musikzauberer einem neugierigen Publikum nähergebracht.

Doch Dennis Metaxas ist ein wenig zu weit gesprungen. Rassismus der Kolonialzeit und Frauenfeindlichkeit, das Alles will er bei Offenbach verorten. Dabei erschlägt er Offenbachs zeitbezogene Satire mit der Moralkeule der #metoo-Ära. Visualisiert wird dies unter anderem in einer nächtlichen Autofahrt mit eigenen Texten, die seinen Hörstücken nachempfunden sind. In den besten Momenten des Abends stellen sich dadaistisch, subversive Anklänge ein. Wenn das Ziel des Abends die Verstörung war, so ist sie Dennis Metaxas gelungen. Unversöhnliches neben einander gelten zu lassen, ist nicht der geringste Erfolg des Abends.

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