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Theo Geißler. Foto: Charlotte Oswald

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Theos Kurz-Schluss: „Es sind so viele Plagen, ich kann sie nicht ertragen. Statt fremdbestimmter Lügen will ich jetzt selbst betrügen.“

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Bislang sind die sieben biblischen Plagen gottlob so richtig noch nicht alle eingetreten: Zwar versengt die Sonne uns Menschen schon mit großer Hitze und der Euphrat führt deutlich weniger Wasser, aber immerhin wird das Meerwasser noch nicht zu Blut, allenfalls zu Plastik. Jede Menge naturgenerierter, aber oft genug menschengezeugter Plagen erschüttern dennoch unseren Planeten. Und wenn wir schon von menschengezeugten Plagen sprechen, möchte ich leicht triumphierend an einige der Eitelkeit, der Gier der Möchtegern-Schlauheit erinnern, die in den letzten Jahren zunehmend unsere Politik unglaubwürdig gemacht haben und nicht zuletzt dank der sogenannten „Plag-Geister“ entlarvt worden sind.

VroniPlag Wiki ist ein 2011 auf der Wikifarm „Wikia“ gegründetes, vor allem wissenschaftlich orientiertes Tiefenschnüffel-Projekt, das verschiedene Hochschulschriften – hauptsächlich Dissertationen – untersucht, die unter Plagiatsverdacht geraten sind. Die Dokumentationen lösten teilweise Überprüfungen durch die zuständigen Fakultäten mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen aus. In bald hundert Fällen führten sie zur Aberkennung des Doktorgrades. Benannt nach Edmund Stoibers Tochter Veronica Saß (künftig „54-Prozent-Plagiatorin“ betitelt), stolperten eine Reihe angesehener Politikerinnen und deutlich weniger (quantitativ) angesehener Politiker über ihre pseudoakademische Faulheit oder beben über ihre überlang ausgewucherte lange Nase. BlackRock-Geldmultiplikator Friedrich Merz soll dereinst in einer Mainzer Karnevalssitzung diesen hohen Frauenanteil unter tosendem Gelächter des Publikums teils mit Überlastung durch Hausarbeit und Kindespflege, teils mit der geringeren Gehirnmasse des weiblichen Geschlechtes begründet haben.

Wie dem auch sei: Erstes richtig prominentes „Opfer“ wurde die CDU-Politikerin Annette Schavan. Von 1995 bis 2005 war sie Ministerin für Kultus, Jugend und Sport in Baden-Württemberg und von 2005 bis 2014 Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 2005 bis 2013 besetzte sie den Posten der Bundesministerin für Bildung und Forschung. Spannend ihre Literaturliste, unter anderem das Opus: „Person und Gewissen: Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung“. Tja, da gibt es auch heute noch viel zu forschen.

Doktorgrad oder Habilitation wurden fürderhin aufgrund allzu offensichtlichen Copy and Paste aberkannt (eine kleine Blütenlese): Esther Silvana Koch-Mehrin, FDP. Sie war von 2004 bis 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments. Nach der Europawahl 2009 war sie bis zu ihrem Rücktritt am 11. Mai 2011 eine von 14 Vizepräsidenten dieses Parlaments. Zur Europawahl 2014 trat sie aus erfindlichen Gründen nicht mehr an. Margarita Mathiopoulos: 2002 trat sie in die FDP ein, wo sie bereits seit 2001 kontinuierlich in der Programmkommission im Bereich Außen- und Sicherheitspolitik tätig gewesen war. Seit dieser Zeit war sie auch außen- und sicherheitspolitische Beraterin des damaligen Bundesvorsitzenden Guido Westerwelle. Mathiopoulos war von 2003 bis 2005 Vorsitzende des FDP-Bundesfachausschusses „Internationale Politik“ und seit 2005 Vorsitzende – und einziges namentlich erwähnte Mitglied – des neu gegründeten und von der Wirtschaft „umfangreich unterstützten“ Transatlantischen Forums der FDP. Der Promotionsausschuss der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn beschloss im Juli 2011, ihre Dissertation erneut zu prüfen, da nach Aussage des Dekans Günther Schulz durch die Recherchen von VroniPlag Wiki eine neue Faktenlage vorliege. Am 18. April 2012 wurde beschlossen, ihr den Doktorgrad zu entziehen: Weite Passagen ihrer Dissertation seien wörtlich aus fremden Werken übernommen.

Heftige Kritik an der wissenschaftlichen Eigenleistung erntete für ihre medizinische Promotion auch Ursula Gertrud von der Leyen (CDU). Seit dem 1. Dezember 2019 ist sie Präsidentin der Europäischen Kommission. Sie wurde am 16. Juli 2019 auf Vorschlag des Europäischen Rates durch das Europäische Parlament gewählt. Immer gut, wenn man aus bestem Hause kommt und die richtigen Leute kennt. Ohne große Show verzichtete Berlins Bürgermeisterkandidatin Franziska Giffey auf ihren akademischen Titel. Das gilt nicht für von der Leyens Adelsgenossen Freiherr von und zu Guttenberg. Der brauchte Druck, den er scheint’s konstruktiv in die Wirecard-Promotion und samt Merkel in die Putin-Pipeline umleitete.

Ich könnte jetzt noch mit Olaf Scholz’ CumEx-Hausbank weitermachen oder sonstigen Ferkeleien, bei denen nicht akademisch, sondern plump kapitalistisch gelogen und betrogen wurde. War nicht das Ziel meines seltsamen Textes: Nein, ich bin kein Grünen-Wähler. Aber es nervt mich elementar, wie wegen ein paar Schlampereien, ein paar Ungenauigkeiten, mit denen sie sich ausschließlich selbst geschadet hat, Anna-Lena Baerbock von gewissen Medien die Peitsche bis auf die blanke Haut geprügelt wird. Ist im Wahlkampf alles erlaubt? Es hat den Anschein. Und deshalb verlose ich unter allen, die 36 aus verschiedenen Quellen abgekupferte, teils faktengecheckte, teils rundraus frei erfundene Döntjes entdecken und mir – gern als PDF – zuleiten, kaum gebraucht die gesammelten Werke von Helmut Kohl.

  • Theo Geißler ist Herausgeber von Politik & Kultur

 

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