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Theo Geißler. Foto: Charlotte Oswald
Theo Geißler. Foto: Charlotte Oswald
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Theos Kurz-Schluss: Wie ich einmal versuchte, mit dem Schlager „Wo man singt …“ ein bisschen Frieden zu schaffen

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Kurze Beschreibung einiger Stufen meiner persönlichen Karriereleiter bei: Berufsziel Bundeswehr angesichts eskalierender Bildungskatastrophe Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts im Land der Dichter, Denker und ehemaligen Dezimalrechnungsweltmeister:

Vorschule (ländlich): Oberlehrer Hobler brüllt, die Gerte (in Bayern Tatze genannt) klatscht auf meine Handfläche. Obendrauf gibt’s eine „Nuss“  – (Knöchel des kräftigen Lehrer-Mittelfingers knallt auf die Schädeldecke)  – und all das nur, weil ich meinem etwas verschlafenen Banknachbar Hausl Grontzenwaldner zugeflüstert habe, dass man Seele mit zwei „e“ schreibt. „Das ist Unterschleif“, knurrt Hobler. „Eine Stunde ab ins Pissoir – ich schau zwischendurch, ob Du das Fenster zugemacht hast – und wehe, wenn nicht.“ Grundschulpädagogik (Zwergschule) in Bayern mitten den 1950ern Jahren.

Anschließend: ökonomisch-wissenschaftliche Bildungsstufe. Kurzfristige Karrierezielverschiebung: Banker, Finanzamtsbeamter

(THG) Mittelstufenprüfung Anfang der 1960er Jahre: In einer Urne befinden sich zwei blaue und sechs weiße Kugeln. Die Kugeln unterscheiden sich nur durch ihre Farbe. Bei einem Zufallsexperiment wird eine Kugel gezogen, ihre Farbe notiert und die Kugel in die Urne zurückgemischt. Dieses Verfahren wird insgesamt sechsmal durchgeführt. Als Ergebnisraum eignet sich eine Menge von sechs. Berechnen Sie Wahrscheinlichkeiten folgender Ereignisse: A: = „Die letzte Kugel ist blau“, B: = „Die erste und die letzte Kugel ist blau“. Und so wie Du riechst, Geißler, bist Du auch schon wieder blau. Bevor Du wieder pöbelst und rumflennst: Ab nach Hause und schick mir irgendeinen Deiner sogenannten Erziehungsberechtigten vorbei. Ich kann für Dich eine Kanalreiniger-Lehre empfehlen.

Dritter Anlauf: zurück zum Ursprungsziel mit Fachabitur an der Bundeswehrhochschule Koblenz: Thema: „Wie schützen wir uns gegen die Feinde aus dem Westen? (Zitate erlaubt)“ (52 Jahre als Höchstalter des Prüflings erlaubt)

(THG) Da hat sich bekanntlich ein Wall bewährt: Vermutlich bürgerte sich die Bezeichnung „Westwall“ ab Ende des Jahres 1938 zunehmend ein, ohne dass zunächst die nationalsozialistische Propaganda den Begriff in besonderem Maße benutzte. Er stammt wahrscheinlich aus dem Kreis der am Bau beteiligten Arbeiter. Im zweiten Halbjahr 1938 wurden noch Begriffe wie „Todt-Linie“ (offenbar die üblichste Bezeichnung, siehe unten), „Schutzwall“ oder „Limes-Programm“ verwendet, während Militärkreise Namen wie „Führer-Linie“ oder „Hitler-Linie“ populär machen wollten. Noch im Oktober und Dezember 1938 war von der „nach ihrem Schöpfer allgemein genannt[en]“„Todt-Linie“ die Rede. Parallel dazu tauchte die Bezeichnung „Westwall“ auf, und zwar in der Presse erstmals spätestens am 28. Oktober 1938, als das „Neue Wiener Tagblatt“ unter der Überschrift „Männer vom Westwall auf Urlaub“ über einen Arbeiter berichtete, der seinen Koffer für die Rückfahrt packte und erzählte, sein Sohn sei „ordentlich stolz darauf, dass sein Vater mit am Westwall arbeitet“.

Vierter Versuch: Quereinsteigerprüfung für über 60-Jährige: Thema Räumung scharfer Minen (Praxistest). (THG) „Immer munter voran und dem Feind froh entgegen in der Hoffnung, dass bei ihm die Knaller sich bewegen.“

Stopp. Unterschleif! (gez.: Generaloberst Eisenschweif) Zu 89 Prozent wörtlich aus der Promotion „Wie schützen wir uns gegen die Feinde aus dem Westen“ – Autor Karl-Theodor zu Guttenberg zitiert, aber immerhin als Zitat in Wikipedia gekennzeichnet. Deshalb ausnahmsweise zweite Chance: Thema „Wie schützen wir uns gegen die Feinde aus dem Osten?“

(THG 1 – konventionell). Einen Versuch wäre es wert, die Chancen sind gering: Wir nützen die 400.000 befestigten Spionagetunnel von Moskau bis Wladiwostok in Gegenbewegung und überzeugen die russische Bevölkerung von den unzweifelhaften Vorzügen des Kapitalismus. Wichtiger Argument-Katalog: Im Rundschluss mit Japan klären wir die Chinesen über die Vorzüge der japanischen Küche auf und schaffen so eine vertrauensgenerierende Handelsatmosphäre für Fledermäuse und Hunde mit umwerfend interkulturellem Flair dank kanadischer Bärentatzen als Würzzugabe.

(THG 2 – mithilfe unserer überlegenen Mitarbeiter aus der Brigade „Künstliche Intelligenz“. Wir imprägnieren unsere Roboter, die sicherheitshalber ein paar Laserwaffen unterm Titan-Wams tragen) mit Frauenstimmen, die Friedensparolen säuseln und mit fröhlichen Kalinka-Männerchören. Vier bis fünf Putin-Replikas lassen wir abwechselnd unanständige Witze und russisch-orthodoxe Hip-Hop-Songs trällern – alle freundschaftlichen Zuschnitts und mit folgendem Text:

Oh, say can you see by the dawn’s early light / What so proudly we hailed at the twilight’s last gleaming? / Whose broad stripes and bright stars thru the perilous fight, / O’er the ramparts we watched were so gallantly streaming? /And the rocket’s red glare, the bombs bursting in air, / Gave proof thru the night that our flag was still there. / Oh, say does that star-spangled banner yet wave / For the land of the free and the home of the brave?

On the shore, dimly seen through the mists of the deep, / Where the foe’s haughty host in dread silence reposes, / What is that which the breeze, o’er the towering steep, / As it fitfully blows, half conceals, half discloses?

Jawoll, ein echtes Friedenslied – gut gewählt!, Grenadier Geißler (schrieb: Boris Pistorius).

Um die Zusendung einer Übersetzung ins Russische bitten Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht.

Theo Geißler ist Herausgeber von Politik & Kultur


 

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