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Feierte am 11. Juni seinen 80. Geburtstag: Josef Anton Riedl. Foto: Charlotte Oswald
Feierte am 11. Juni seinen 80. Geburtstag: Josef Anton Riedl. Foto: Charlotte Oswald
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Unten U und oben E: Josef Anton Riedl zum Achtzigsten – eine Hommage in München

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Mit einer Hommage zum Achtzigsten feierte die Münchener musica viva „ihren“ Josef Anton Riedl im Carl-Orff-Saal des Gasteig. Die Laudatio für den am 11. Juni 1929 in München geborenen Komponisten hielt Dieter Schnebel, der seine eigene Biografie, insbesondere seine Prägung durch Schönberg, Webern und die Darmstädter Ferienkurse als Kontrapunkt zu Josef Anton Riedls curriculum vitae verwendete, zu dessen frühesten Einflüssen eben nicht der Serialismus, sondern Pierre Schaeffers musique concrète zählt.

Wie wirksam Riedls künstlerische und freundschaftliche Begegnung mit Carl Orff war, kann man bis heute an der Bedeutung des Perkussiven im Werk Riedls ablesen. 1950 begründet Riedl die deutsche Sektion der Jeunesses Musicales mit. Von 1959 bis zu seiner Auflösung 1966 war Riedl Leiter des Siemens-Studios für elektronische Musik. Die 1960 von Riedl initiierte Veranstaltungsreihe „Neue Musik München / Klang-Aktionen“ existiert bis heute.

Schnebels eigentliche Laudatio aber war die dem Kollegen gewidmete Uraufführung der Neufassung von „Stimm-Füße“, einer Komposition für Stimme und Füße. Mit Füße meinte der gebürtige Alemanne natürlich nicht diese im eigentlichen Sinn, sondern die Beine von Sängerin-Tänzerin Anna Clementi. Stimmlaute, Worte, dann Kafkas Text „Der plötzliche Spaziergang“ betanzte die Clementi in einer mitreißenden Performance: unten U- und oben E-Musik.

Schnebel war der prominenteste Gratulator, doch auch die anderen anwesenden Komponisten trafen den für Riedl typischen Ton mit ihren Beiträgen. Wenn Zoro Babel ein Lautsprecherorchester konstruiert, dann ist das kein futuristisches Akusmonium, sondern altmodische aussehende Klangfenster aus abgewrackten HiFi-Lautsprechern. Die Impulse, die durch diese Klangräume wandern, sind keine algorhytmisch berechneten, wurden nicht mit Kompositionsprogrammen wie Max/MSP oder SuperCollider im ZKM hergestellt, sondern sind aufgezeichnete Schlagzeug-Pattern, perkussive Sprengsel, musique concrète im besten Sinne.

Die technisch aufgerüsteten Sprecher und Instrumentalisten bei „Stimmen. Sprechen Hören“ von Michael Lentz symbolisierten, dass immer mehr Technik die Verständigung erschwert, anstatt sie zu befördern. Lentz’ Stück lebt vom Nichtgelingen, vom Missverständnis, von der Unmöglichkeit der Kommunikation.

Salome Kammer hauchte ganz unaufwändig die „5 Lieder“ für Sopran und Vibraphon von Cornelius Hirsch. Dem aus einer Wörtersammlung gebildeten Text, welchen die Sängerin beisteuerte, unterlegte Hirsch Tonmaterial aus der Werkgruppe „Pauschalmadrigale I–V“. Das sind Stücke, die je nach Anlass immer wieder neu erfunden werden können. Ein subversives Spiel mit Markt und Konzertbetrieb, ganz nach dem Geschmack von Hirschs Mentor und Förderer Josef Anton Riedl.

Den sechs gespielten Stücken Riedls war anzumerken, aus welcher Epoche der Neuen Musik sie stammen. Sie sind aber auch heute noch derart subversiv, provokant, überraschend und bei allem Anspruch paradoxerweise sehr unterhaltsam. Das hat etwas mit der Kultur des Performativen zu tun, die Riedls Arbeiten auszeichnet. Welche Wirkung Riedls Klangaktionen letztlich erzielen, hängt maßgeblich von der Werkkenntnis der Interpreten ab, beispielgebend dafür standen an diesem Abend Salome Kammer, Anna Clementi und Michael Lentz.
 

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