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Flamenco- und Jazzbassist Carles Benavent bei der jazzahead! in Bremen. Foto: Ralf Dombrowski
Flamenco- und Jazzbassist Carles Benavent bei der jazzahead! in Bremen. Foto: Ralf Dombrowski
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Warum Networken und Schulterklopfen Sinn macht: zur jazzahead! 2012 in Bremen

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Der Chef der Messe Bremen Hans Peter Schneider sieht es mit einer gewissen Gelassenheit: „Letztlich ist es egal, ob man eine Fachmesse für Fischhandel, Oldtimer oder Jazz veranstaltet. Es kommt darauf an, dass man es mit der nötigen Professionalität und Leidenschaft durchführt“. Dann schmunzelt er doch und fügt hinzu, dass er nicht nur selbst sich gerne die Konzerte anhöre, sondern es gerade diese Messe geschafft habe, sich über die eigentlichen Geschäfte hinaus auch fest im Bewusstsein der Bremer Bürgerschaft zu verankern. Und das gehört zum Erfolgsrezept der jazzahead!, der es mit steter Beharrlichkeit gelingt, entgegen des Trends schrumpfender Umsätze in der Musikindustrie zu wachsen.

Gleich mehrfach betont daher Sybille Kornitschky, die als Projektleiterin mit ihrem Team Konzept und Programm der Messe zu verantworten hat, auf Podien der Panels und Pressekonferenzen, dass man versuche, sich sowohl im internationalen Markt, als auch in der unmittelbaren Umgebung zu verankern. Deshalb zum Beispiel die Clubnacht mit Konzerten auf 17 Bühnen in ganzen Stadt. Deshalb große Events wie das Gastspiel des spanischen Flamenco-Stars Tomatito in der „Glocke“, ebenso wie die Workshops für Kinder, die den Blick auf die kommende Generation werfen. Deshalb aber auch die Kurzkonzerte der German Jazz Expo und des European Jazz Meetings, die den informationsgeneigten, aber termingeplagten Fachbesuchern einen schnellen Überblick über aktuelle Künstler und Projekte verschaffen.

Wachstum und Awards

Bislang geht der Spagat zwischen Insider- und Publikumswünschen auf. Rund 500, zum Teil in großen Ländervertretungen zusammengefasste Aussteller kamen für vier Messetage nach Bremen, dazu etwa 2.000 Fachteilnehmer aus aller Welt. Das bedeutet rechnerisch ein Wachstum von etwa 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wobei diese siebte Ausgabe der jazzahead! allerdings auch davon profitiert, dass Konkurrenten wie die Musikmesse Midem in Cannes schwächeln und die Agenturen, Vertriebe, Institutionen, Künstler und Journalisten daher ein wenig leichter noch als früher den Weg nach Bremen einschlagen. Bewährt haben sich auch die Länderpartnerschaften, die in diesem Jahr dazu geführt haben, dass Spanien zahlreiche ungewöhnliche Künstler als Programmpunkte mitgebracht hatte.

Bereits zum 7.Mal wurde außerdem der jazzahead!-Skoda-Award vergeben, diesmal an des Produzenten Siggi Loch für dessen Arbeit mit ACT Music & Vision, der daraufhin versprach, das Preisgeld für eine Produktion mit dem Schlagzeuger Pete York zu verwenden, die verschiedene Jazzgenerationen in einer Band zusammenführen soll. Neu war hingegen die Verleihung des Preises für deutschen Jazzjournalismus, der an den früheren, inzwischen frei arbeitenden Jazzredakteur der Frankfurter Rundschau Hans-Jürgen Linke verliehen wurde. In seiner Dankesrede fand der von der Jury als „absolut vertrauenswürdiger Musikbeobachter“ ausgezeichnete Journalist auch kritische Worte über den Nachwuchsmangel seines Metiers und die „Entmutigungsprogramme der Printmedien“, deren Sparwahn Schneisen der inhaltlichen Ausdünnung in die Kulturberichterstattung schlage, mit dem doch eindeutigen Fazit: „Kulturförderung ist unbedingt systemrelevant“.

Raum für musikalische Entdeckungen

Das Musikprogramm unterstrich Linkes Kritik an der nicht unbedingt der Szenewirklichkeit entsprechenden publizistischen Wahrnehmung von Jazz als Nischenphänomen. Nicht nur waren die Konzerte nahezu durchgehend brechend voll, sie boten auch Raum für Entdeckungen. Faszinierend beispielsweise war die brachiale Spielenergie, mit der das Trio des Pianisten Malcolm Braff durch die abstrakte Jazzmoderne pflügte. Ein anderes Modell charmant reduzierter Coolness präsentierte der Perkussionist und Sänger Vinx, der sich für sein soulgetöntes Solo-Programm verschiedene Gäste spontan auf die Bühne lud und damit die hohe Kunst improvisierenden Entertainments zelebrierte.

Fragiles, Feintönendes und für die German Jazz Expo Bühne beinahe schon zu Kammermusikalisches wiederum bot das Lisbeth Quartet um die Saxofonistin Charlotte Greve, die aber nichtsdestotrotz sich als wichtige Kraft ihres Instruments empfahl. Und schlichtweg atemberaubend war das Konzert mit dem Bassisten und früheren Bandpartner von Paco de Lucia, Carles Benavent, der zusammen mit Flötist und Saxofonist Jorge Pardo und Trommler Tino di Geraldo vorführte, wie viel rhythmische und zugleich mitreißende Komplexität an der Bassgitarre möglich ist. Ein paar Beispiele dafür, dass das Networken und Schulterklopfen in der Messehalle wirklich Sinn macht. Denn die Musik ist lebendiger denn je.

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