Bonn - Bei den Bundesländern sind insgesamt 128 Vorschläge für das geplante deutsche Verzeichnis zum immateriellen Kulturerbe eingegangen. Darunter seien Handwerkskünste, Bräuche und Musikformen, teilte die Deutsche Unesco-Kommission am Montag in Bonn mit. Die Bewerbungen spiegelten die große Vielfalt von in Deutschland lebendigen Traditionen wider.
Zu den Anwärtern zählen unter anderem der Rheinische Karneval, der Chorgesang sowie der Kratzputz an historischen Fachwerkhäusern. Bis April treffen die Länder eine Vorauswahl für das bundesweite Verzeichnis. Die ersten Einträge in die nationale Liste sollen in etwa einem Jahr präsentiert werden.
Deutschland war erst im vergangenen Juli dem 2003 verabschiedeten Unesco-Übereinkommen zum immateriellen Kulturerbe beigetreten. Es fördert die Bewahrung und Pflege von traditionellen Wissensformen, Kulturpraktiken und Alltagskulturen weltweit. Voraussichtlich 2015 kann die Bundesrepublik die ersten Bewerber für die internationale Liste ins Rennen schicken. Als immaterielles Kulturerbe bereits von der Unesco geschützt sind unter anderem die Mediterrane Küche, der Argentinische Tango oder die Chinesische Akupunktur.
Verbände, Vereine und Privatleute hatten ihre Vorschläge für die deutsche Liste bis Ende November einreichen müssen. Einige Länder haben die bei ihnen eingegangenen Vorschläge schon veröffentlicht. Es gehe nicht darum, Bräuche museal zu konservieren, betonte der Vizepräsident der Deutschen Unesco-Kommission, Christoph Wulf, am Montag. «Die Aufmerksamkeit soll dazu führen, dass gelebte Traditionen von Generation zu Generation weiterentwickelt werden.»
Manche Anwärter sind bundesweit kaum bekannt wie etwa die mündliche Erzähltradition Graweredersch aus Thüringen oder der Osterräderlauf in Lügde im Weserbergland. Andere wie das nach deutschem Reinheitsgebot gebraute Bier oder die deutsche Brotkultur haben bereits einen internationalen Ruf. Für das unabhängige Expertenkomitee wird die Auswahl keine leichte Aufgabe. Wulf kündigte bereits an: «Die Brüche in der deutschen Kulturgeschichte müssen in die Diskussion einbezogen werden.»