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13.1.: kulturfinanzierung aktuell +++ kulturfinanzierung

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Weimar will als erste Stadt Kultur besteuern +++ Kein Geld für modernen Konzertsaal der Philharmonie Dresden


Weimar will als erste Stadt Kultur besteuern
Weimar (ddp). Weimar will als erste deutsche Stadt eine zehnprozentige Steuer auf Eintrittskarten zu Kulturveranstaltungen einführen. Die Stadträte werden noch im Januar über diesen Vorschlag abstimmen, wie der Sprecher der Stadt, Fitz Klinggräff, am Dienstag in Weimar ankündigte. Wenn alle Hindernisse genommen seien, könne die so genannte Kartensteuer frühestens im Sommer in Kraft treten.
Die Stadt erwartet von der Steuer nach den Worten von Kulturdirektor Felix Leibrock Mehreinnahmen von 350 000 Euro pro Jahr. Das Geld soll wieder in die Kultur- und Tourismuswirtschaft investiert werden. Leibrock begründete den Vorschlag in der «Thüringischen Landeszeitung» (Dienstagausgabe) mit der Finanznot der Stadt. Die Kommune sei genötigt, erst alle erdenklichen eigenen Einnahmequellen auszuschöpfen, um dann vom Land finanziell unterstützt zu werden.
Die PDS-Landtagsfraktion hat die «Kartensteuer» als «Antikultursignal» abgelehnt. Damit werde indirekt eine Preiserhöhung für die Kulturangebote «ohne Sinn und Verstand» vorgenommen, sagte die kulturpolitische Sprecherin Birgit Klaubert. Der Kulturtourist werde ganz aus Weimar vertrieben. Das gleiche «einem Schuss ins eigene Knie». Der positive Effekt einer Kulturstadt werde zum Negativimage der ganzen Region.

Kein Geld für modernen Konzertsaal der Philharmonie Dresden
Dresden (ddp-lsc). Mit einem beiläufigen Satz von Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) in einem Zeitungs-Interview über die prekäre Finanzsituation der Elbestadt erfuhren die Dresdner am Sonntag: Vom Projekt eines Umbaus des Kulturpalastes zum modernen Konzerthaus für die Philharmonie «müssen wir uns verabschieden». Der weltweit hoch geschätzte Klangkörper und sein großes Publikum werden nach zehn Jahren Hick-Hack, nach mehrfachen Zusagen und Stadtratsbeschlüssen, Planungsvarianten und Versprechungen ihrer trotz allem noch immer gehegten Hoffnungen beraubt.
Erste Reaktionen verraten Enttäuschung und Sorge um das internationale Ansehen der Musikstadt Dresden. Philharmonie-Intendant Olivier von Winterstein hatte sich am 10. Juni 1999 in einem ddp-Interview noch zuversichtlich geäußert, dass die Stadtväter «das Projekt an die richtige Stelle der Prioritätenliste setzen» werden. Jetzt erinnert er an seine Worte von Anfang Mai 2001: Der Umbau müsse spätestens 2005 fertig sein. «Lässt man diesen Termin verstreichen, wird das Vorhaben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben.»
«Leider haben sich unsere Befürchtungen bewahrheitet», stellt Sabine Grosse fest, Mitglied einer im März 2002 gegründeten Initiativgruppe «Neuer Konzertsaal für Dresden». «Wir Philharmoniker sind tief besorgt, dass Dresden seinen jahrhundertealten Ruf als Kunst- und Kulturstadt verspielt», erklärte der Verein.
Grosse wird unterstützt von international geachteten Persönlichkeiten der Kunst und Wissenschaft nicht nur aus Dresden. Aufrufe zu Spenden auf ein Sonderkonto erbrachten in knapp zwei Jahren bisher rund 75 000 Euro. Mitglieder der Philharmonie und viele Konzertbesucher sind zornig, denn der frühere Chefdirigent Michel Plasson verlängerte 1998 seinen Vertrag nicht, sein Nachfolger Marek Janowski verließ dieses Amt mit unüberhörbarem Protest gegen unzuverlässige Kommunalpolitik zu Beginn dieses Jahres. Der geachtete ehemalige Kulturbürgermeister Jörg Stüdemann hatte im Herbst 2000 das Handtuch geworfen.
In der Musikstadt Dresden fragen sich ungezählte Bürger, was Beschlüsse des Stadtrates von 1994 und 1998 wert sind. Sie suchen nach plausiblen Gründen, warum im Rathaus «mit Vorliebe bei der Kultur gespart wird», und stellen in Leserbriefen an Dresdner Zeitungen auch die Frage, welcher Stadtrat schon mal ein Konzert besucht hat? Scharfe Vorwürfe gelten der Tatsache, dass von 1994 bis 2001 bereits rund eine Million Mark für Entwürfe, Studien, Umbauprojekte, Gutachten und akustische Messungen am Modell ausgegeben worden sind. Gerade daran knüpften viele die Erwartung, so viel Geld könne man nicht sinnlos vergeuden. Schließlich sollten bereits zwischen 1998 und 2000 die Umbau-Arbeiten beginnen.
Aber aus Sparzwängen ergab sich für 2001/2002 die Notwendigkeit, die Planungsphase III für den Umbau neu anzugehen, wie aus dem Kulturamt verlautete. Eine modifizierte Abschluss-Entwurfsplanung sollte den Dezernaten, dem Oberbürgermeister und den Ausschüssen vorgelegt werden. Nach einer Beschlussvorlage für den Stadtrat sollten dann Ausführungsplanung und Genehmigungsplanung als weitere Vorstufen für den Baubeginn auf den Weg gebracht werden. Zum bitteren Ende, wie sich jetzt erweist.
Der allgemeine Unmut wird zusätzlich genährt aus der offensichtlichen Diskrepanz zwischen weltweit wirkender Reputation der Philharmonie für Dresden und engstirniger Rathausbürokratie in Dresden. Das städtische Sinfonieorchester beging in Spielzeit 1995/96 sein 175-jähriges Jubiläum, unternahm Tourneen zum Beispiel nach Italien und Spanien. Mehr als 50 Konzerte im Dresdner Kulturpalast hatten allein während dieser Spielzeit begeisterte Besucher gefunden. Pro Saison findet die Philharmonie mehr als 235 000 Zuhörer. Seit 1992 gab das Orchester mehr als 250 Tournee-Konzerte in Europa, in den USA, in Mexiko und Japan.
Manfred Preiß