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Kultureller GAU: Geht die Buchmesse Frankfurt nach München? +++ Uraufführung der Grass-Oper "Treffen in Telgte" abgesagt +++ Kultureller Kahlschlag in Sachsen-Anhalt: Bibliotheken besonders betroffen
Kultureller GAU: Geht die Buchmesse Frankfurt nach München?Frankfurt/München (ddp-bay). Die Frankfurter Buchmesse liebäugelt mit einem Umzug nach München. Aus Kostengründen würden konkrete Gespräche mit der Messe München und der bayerischen Staatskanzlei geführt, sagte Buchmessen-Sprecher Holger Ehling am Freitag in Berlin. Die Messe München teilte hingegen am Freitag mit, es gebe «keinerlei konkrete Verhandlungen» und bisher nur «lose Kontakte zu den Verantwortlichen». Die Sprecherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Anja zum Hingst, nannte München lediglich «eine Option». «Wir wollen weiterhin in Frankfurt bleiben», sagte sie auf ddp-Anfrage.
Die Buchmesse fürchtet allerdings den Umbau des Messegeländes ab 2007. Daher würden Alternativen geprüft. Für Dienstag ist ein Gespräch der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) mit Buchmessen-Chef Volker Neumann geplant. Die Messe Frankfurt zeigte sich von den Abwanderungsgedanken überrascht, da ein verbindlicher Vertrag bis 2007 bestehe. Ministerpräsident Roland Koch (CDU) reagierte «mit Verärgerung» auf die Umzugsspekulationen.
Ehling nannte die Überlegungen «weit mehr als eine Drohgebärde» und fügte hinzu: «München wird uns einen ordentlichen Preis machen.» Die Messe München signalisierte unterdessen Bereitschaft zu Verhandlungen. München sei «ein gut geeigneter Standort für eine solche Messe», warb der Vorsitzende der Geschäftsführung, Manfred Wutzlhofer. Infrastruktur und Attraktivität des Messeplatzes München seien «international besonders wettbewerbsfähig», auch «was die Qualität und Preise angeht».
Ausschlaggebend für die Abwanderungsgedanken seien die «enormen Kostenprobleme», erläuterte Ehling. So seien die Mietpreise der Messe Frankfurt seit 1997 um 50 Prozent gestiegen. «Die Hotelpreise in Frankfurt spotten jeder Beschreibung», betonte Ehling. Schon 2004 könnte die Buchmesse nach München ziehen. Der noch bestehende Rahmenvertrag mit der Messe Frankfurt werde nach Ehlings Aussage «von beiden Seiten nicht mehr als tragfähig angesehen».
Dagegen betonte der Sprecher der Messe Frankfurt, Andreas Kaster: «Der Vertrag ist verbindlich, und ohne uns kommt die Buchmesse da nicht raus.» Außerdem habe sich die Buchmesse erst im vergangenen Jahr in «Frankfurter Buchmesse» umbenannt, was von Seiten der Messebetreiber als klares Bekenntnis zum Standort Frankfurt gewertet worden sei.
Der frühere Frankfurter Kulturdezernent Hilmar Hoffmann sprach sogar im Falle des Wegzugs vom "größten kulturellen GAU, der in Frankfurt seit dem Krieg passiert ist". Die Buchmesse habe Tradition und sei im Bewusstsein der Bevölkerung verankert. Der Stellenwert der Buchmesse müsse auch im Zusammenhang mit der Deutschen Bibliothek, den Frankfurter Verlagen und dem Buchhandel gesehen werden.
Das sei alles miteinander fest verzahnt, so Hoffmann. Wenn da das große Stück herausgenommen werde, gerate auch alles andere ins Wanken. Er hoffe, dass es sich bei den Überlegungen nur um eine "Drohgebärde" handele, um bessere Konditionen in Frankfurt bei den Messe- und Hotelpreisen zu erreichen.
Uraufführung der Grass-Oper "Treffen in Telgte" abgesagt
mdr - Das Chemnitzer Opernhaus hat das "Treffen in Telgte" nach einer Erzählung von Günter Grass abgesagt. Das bestätigte der Sprecher der Städtischen Theater, Thomas Friedrich. Grund seien der geschrumpfte Etat und der oft schwache Publikumszuspruch bei zeitgenössischen Stücken.
Eckehard Meyer hatte im Jahr 2000 die Musik für die Grass-Erzählung geschrieben. Schon damals platzte die Uraufführung des aufwändigen Stückes, in dem 17 Solisten auftreten. Die Chemnitzer Städtischen Bühnen müssen einem Bericht der "Dresdner Neuesten Nachrichten" zufolge in den kommenden drei Spielzeiten 500.000 Euro einsparen. Derzeit liegt der Etat bei 23 Millionen Euro.
Kultureller Kahlschlag in Sachsen-Anhalt: Bibliotheken besonders betroffen
mdr - Der Bibliotheksverband in Sachsen-Anhalt hat angesichts geplanter Mittelkürzungen vor einem Kahlschlag bei Büchereien gewarnt. Öffentliche Bibliotheken sollen von rund 650.000 Euro im Jahr 2002 auf etwa 70.400 zusammengestrichen werden. Das entspricht einer Verringerung um neun Zehntel.
Die Geschäftsführerin des Verbandes Gabriele Herrmann sagte, man wisse um die schlechte Haushaltslage des Landes. Aber deswegen dürfe nicht eine ganze Landschaft zum Einsturz gebracht werden. Hintergrund ist die geplante Kürzung der Landesmittel für öffentliche Bibliotheken im laufenden Jahr.
Eine Sprecherin des Kultusministeriums sagte mdr.de, angesichts der angespannten Haushaltslage müsse gekürzt werden, auch wenn das niemanden freue. Der Bibliothekenetat des Kultusministeriums sei einer der wenigen Posten, die nicht fest gebunden seien. Wegen der geringen Spielräume insgesamt werde deshalb hier gespart.
Dem Bibliotheksverband zufolge sind damit keine frei verfügbaren Mittel fuer Projekte mehr vorgesehen. Die Restförderung von 70.400 Euro beziehe sich auf vertragliche verplante Posten. Bisher seien mit Landesmitteln vor allem Projekte finanziert worden, wie etwa die Ausstattung von Bibliotheken mit modernen Medien (Internet, DVD etc.). Neben der Verschlechterung der Ausstattung drohten nun aber auch weitere Folgen. Herrmann befürchtet Stellenabbau, die Schließung von Zweigstellen oder die Verkürzung der Öffnungszeiten.
Die öffentlichen Bibliotheken werden von den jeweiligen Kommunen als freiwillige Leistung unterhalten. Angesichts der schlechten Haushaltslage wurden im Land bereits zahlreiche Bücherbusse eingestellt. Die Stadt Magdeburg etwa will in diesem Jahr sechs Zweigstellen schließen. Andere Bibliotheken erhöhen bzw. erheben erstmals Gebühren für die Nutzung. Dem Verband zufolge könnte die Mittelkürzung des Kultusministeriums Signalwirkung auf einige gebeutelte Städte haben, ihre Bibliotheken ganz zu schließen. In Sachsen-Anhalt gibt es derzeit noch 120 hauptamtlich betriebene Bibliotheken mit etwa drei Millionen Besuchern jährlich.
Besonders krasse Lage im Landkreis Quedlinburg
Sogar in der Weltkulturerbe-Stadt Quedlinburg droht die Schließung der Kreisbibliothek und der bekannten Lyonel Feininger Galerie. Wie ein Sprecher des Landkreises mdr.de sagte, sind beide Kultureinrichtungen in einer Streichliste zur Haushaltskonsolidierung aufgeführt. Darüber hinaus stünden die Zuwendungen für das Nordharzer Städtebund Theater, die Musik- und die Volkshochschule teilweise zur Disposition. Die Haushaltslage des Landkreises sei so "katastrophal", dass alle freiwilligen Leistungen auf dem Prüfstand ständen. "Uns bleibt nichts anderes übrig", so der Sprecher.
Nach Angaben der Vize-Kämmerin im Landkreis, Konzan, sehen die Konsolidierungspläne den schrittweisen Abbau des Kulturetats vor. Während der Landkreis Quedlinburg im laufenden Jahr noch rund 2,8 Millionen Euro für den Kulturbereich veranschlagt, soll der Betrag bis 2006 auf rund 0,9 Millionen Euro sinken. Die entsprechende Finanzplanung werde Anfang Februar erstmals im Kreistag behandelt, so Konzan.
Quedlinburgs Bürgermeister Brecht forderte Land und Bund auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Er sagte mdr.de, dem Kreistag seien die Hände gebunden. Nun seien Magdeburg und Berlin in der Pflicht. Zugleich sprach er sich als Rettungsmaßnahme für die Bibliothek für eine Fusion mit Büchereien benachbarter Städte aus. Nun müssten intelligente Sparmodelle entwickelt werden. Um Einschränkungen im Kulturbereich käme derzeit niemand herum. Deswegen dürfe aber nicht alles "wegrasiert werden", so Brecht.