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17.12.: europa aktuell +++ kulturhauptstadt

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Der lange Weg zur «Kulturhauptstadt Europas 2010» +++ Wie sich Karlsruhe im Rennen um die «Kulturhauptstadt 2010» positionieren will


Der lange Weg zur «Kulturhauptstadt Europas 2010»
Karlsruhe (ddp-bwb). Der Titel «Kulturhauptstadt Europas» ist bei Kommunen sehr begehrt. Seine Werbekraft ist unbezahlbar, zudem winken lukrative Zuschüsse für Kulturprojekte. Mit Weimar war 1999 letztmals eine deutsche Stadt europäische Kulturhauptstadt. Berlin erhielt den Zuschlag für 1988. Im Jahr 2010 geht die Auszeichnung turnusgemäß wieder an eine Stadt in Deutschland.
Noch bis Ende des ersten Quartals 2004 können sich Kommunen bei dem für Kultur zuständigen Ministerium ihres Bundeslands bewerben. Dieses prüft die Kandidaturen und leitet sie bis Ende des zweiten Quartals an das Auswärtige Amt weiter. Von dort werden die Bewerbungen im dritten Quartal 2004 an den Bundesrat zu einer Stellungnahme übermittelt. Im dritten Quartal 2005 schließlich reicht das Auswärtige Amt die deutschen Bewerbungen bei der Europäischen Union (EU) ein. Das Auswärtige Amt hat bereits erklärt, dass es die Bewerbungen nicht selbst inhaltlich bewerten wird, sondern den Vorschlag des Bundesrates unverändert an die EU weiterreichen will.
Das innerstaatliche Bewerbungsverfahren lässt offen, ob auf Landes- und Bundesebene nur eine oder mehrere Bewerbungen zur nächsthöheren Instanz weitergeleitet werden. Offiziell benannt wird die Kulturhauptstadt im Jahr 2006 vom Europäischen Rat auf Empfehlung der Kommission und unter Berücksichtigung einer Stellungnahme des Europäischen Parlaments.

Wie sich Karlsruhe im Rennen um die «Kulturhauptstadt 2010» positionieren will
Karlsruhe (ddp-bwb). Als «Residenz des Rechts» ist Karlsruhe vielen Menschen ein Begriff, als Kulturmetropole gilt es bislang nur Insidern. Doch nun sollen «neue Konturen eines Karlsruhe-Bildes» entstehen. Im Bewerbungsentwurf für das Rennen um die «Kulturhauptstadt Europas 2010» stützt sich die badische Stadt ausdrücklich auf den von der Europäischen Union in der Ausschreibung unterlegten «breiten Kulturbegriff». Auf die Präsentation ihrer Bausubstanz oder die Qualität ihrer Theater und Museen will sie sich nicht beschränken.
Dass sich der Karlsruher Gemeinderat am Dienstagnachmittag für eine Bewerbung der Stadt als europäische Kulturhauptstadt 2010 aussprechen würde, daran gab es vorher keinen Zweifel mehr. «Wir rechnen mit einer breiten Mehrheit», sagte die Projekt-Pressesprecherin der Stadt, Andrea Altenburg, am Dienstagmittag auf ddp-Anfrage.
Bei der Suche nach einem Merkmal, das Karlsruhe im Kreis der Mitbewerber «unverwechselbar» macht, wurden die Verantwortlichen in der Geschichte fündig. Karlsruhe sei seit seiner Gründung im Jahr 1715 «vom ersten Tag an ein entschlossener Gegenentwurf gegen Überkommenes, Überholtes» gewesen, heißt es im Entwurf der Bewerbungsschrift. Der badische Markgraf Karl Wilhelm habe bewusst die mittelalterliche Enge seiner damaligen Residenz gegen den Bau einer neuen, «in Anlage und Geist offenen Stadt» getauscht.
Was sich in dem vom Schloss ausgehenden fächerartigen Stadtgrundriss widerspiegelt, sollte auch gesellschaftspolitisches Programm sein. In seinem «Privilegienbrief» von 1715 sagte der Stadtgründer Religionsfreiheit zu, er versprach eine bürgerliche Gerichtsbarkeit, das Recht auf Wohnung, Bürgerbeteiligung und die Befreiung von Leibeigenschaft.
Am Beginn des 21. Jahrhunderts will Karlsruhe beweisen, dass diese «Gründungsidee von europäischem Format» lebt. Auch heute werde in Karlsruhe «die Zukunft vorausgedacht», heißt es im Bewerbungskonzept. Wo Heinrich Hertz die elektromagnetischen Wellen entdeckte, würden nun im Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) «die neuen Medien kulturell interpretiert». Wo Karl Drais das Laufrad als Vorgänger des Fahrrads erfand, seien heute Forscher in den Zukunftswissenschaften rund um das Internet und die Nanotechnologie führend.
Karlsruhe ist sich bewusst, dass sein Kulturleben nicht dem einer Millionenstadt gleicht. Es sei aber «so reich, wie in keiner anderen Stadt vergleichbarer Größenordnung». Die Bewerbungsschrift verweist vor allem auf das Badische Staatstheater und die «international bedeutende Museumslandschaft» von der Staatlichen Kunsthalle über die Städtische Galerie bis zum Badischen Landesmuseum. Dessen einzigartige Ausstellung zum Nibelungenlied machte erst am Wochenende bundesweit Schlagzeilen.
Als Ausdruck der Kultur wird auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Straßburg gewertet. Dies war eigentlich die «Uridee der Bewerbung», bis Straßburg im Juni zurückzog, weil klar wurde, dass sich nach den Regularien nicht zwei Städte aus verschiedenen Ländern bewerben durften. Ein «tragender Bestandteil der Bewerbung» soll aber gerade auch das Recht sein, bei dem Karlsruhe wie in der Wissenschaft «in der Champions League» mitspiele. Die Heimstätte des Bundesverfassungsgerichts, Bundesgerichtshofs und Generalbundesanwalts sei «geeignet wie keine andere Stadt in Deutschland, die für Europa so wichtige Wertediskussion aufzunehmen».
Karlsruhe will sich als «Stadt des Wissens» und des Rechts, als Stadt der Bildung, der Künste und Kultur präsentieren. 50 Millionen Euro sollen für das Gesamtprojekt nicht überschritten werden, wobei Stadt, Land und Sponsoren jeweils ein Drittel übernehmen sollen. Bislang haben 16 Städte aus zehn anderen Bundesländern ihre Kandidatur als Kulturhauptstadt 2010 angekündigt, wobei sich ausschließlich deutsche Städte bewerben dürfen: Lübeck, Potsdam, Wittenberg mit Dessau, Halle, Görlitz, Bremen, Braunschweig, Osnabrück mit Münster, Köln, Essen, Kassel, Augsburg, Bamberg und Regensburg.
«Die anderen haben nicht mehr zu bieten als wir», sagt Altenburg selbstbewusst. Die endgültige Entscheidung über die Kulturhauptstadt 2010 trifft die Jury der Europäischen Union zur Jahreswende 2005/2006 aus einer Vorschlagsliste des Bundesrats. Dabei - so vermutet Altenburg - wird aber nicht nur die kulturelle Dimension im Vordergrund stehen: «Letztlich wird es auch eine politische Entscheidung.»
Norbert Demuth