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18.2.: kulturpolitik aktuell +++ kulturpolitik

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Berlin: Manager musizieren zugunsten des Rundfunk-Sinfonieorchesters +++ Essen: Kulturhauptstadt - Ruhrgebiet setzt auf Geschlossenheit +++ Kassel: Kulturhauptstadtjury kommt am Sonntag auch nach Nordhessen


Berlin: Manager musizieren zugunsten des Rundfunk-Sinfonieorchesters
Berlin (ddp-bln). Die Wirtschaftsjunioren Deutschland (WJD) und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) planen am 10. April ein gemeinsames Konzert im Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt. Im Orchester sollen neben den Musikern des RSB auch 40 Unternehmer und Führungskräfte aus der Wirtschaft mitwirken, wie ein WJD-Sprecher am Freitag in Berlin mitteilte. Der Überschuss aus der Veranstaltung kommt dem Förderverein des RSB zugute.
Das Projekt «Manager ans Notenpult» richtet sich an Führungskräfte, die über solide musikalische Kenntnisse verfügen oder gar selbst Konzerte geben. Die musikalische Leitung der insgesamt vier Proben sowie des Konzerts hat den Angaben zufolge RSB-Chefdirigent Marek Janowski übernommen.
Interessenten können sich noch bis zum 1. März um einen Platz im Orchester bewerben. Kurzdarstellungen des musikalischen Lebenslaufes nehmen die Wirtschaftsjunioren Deutschland entgegen per E-Mail unter wjd [at] wjd.de (wjd[at]wjd[dot]de) oder unter der Faxnummer 030/203 08 1522.

Kulturhauptstadt 2010 - Ruhrgebiet setzt auf Geschlossenheit
Essen (ddp-nrw). Essen und das Ruhrgebiet setzen bei der Bewerbung um den Titel «Kulturhauptstadt Europas 2010» auf die Geschlossenheit der Region. Die nationale Jury, die am Sonntag im Revier erwartet wird, interessiere vorrangig, ob die Region hinter der Bewerbung stehe, sagte Essens Kulturdezernent Oliver Scheytt am Freitag auf Nachfrage. Unterstützung für die Bewerbung kommt derweil auch von vier Fußball-Bundesligavereinen des Reviers, wie das Düsseldorfer Kulturministerium am Freitag mitteilte.
Die Vereinschefs von Schalke 04, Borussia Dortmund, Rot-Weiß Essen und Rot-Weiß Oberhausen unterschrieben den Aufruf «Europa lebt im Revier», wie es weiter hieß. Der Aufruf betont den interkulturellen Schwerpunkt der Kulturhauptstadt-Bewerbung.
Die Unterstützung aus den Städten, Gemeinden und Kreisen sei groß, hob Scheytt hervor. Für den Besuch der Jury am Sonntag sei die Region daher gut gerüstet. Scheytt kündigte an, dass in den Kommunen 15 Broschüren zur Bewerbung verteilt würden mit Vorworten der jeweiligen Stadtoberhäupter. Zudem wurde am Freitag am Essener Rathaus ein Banner mit Bildern von 57 Oberbürgermeistern, Bürgermeistern und Landräten enthüllt, das die Unterstützung aus der Region für die Bewerbung deutlich machen soll.
Auch die Freie Szene in Essen unterstützt die Bewerbung ihrer Stadt und Region um den Titel «Kulturhauptstadt Europas 2010» mit zahlreichen Vorschlägen. Dazu wurde am Donnerstag ein so genannter Projektreader vorgelegt, der rund 30 Vorhaben auflistet, die zum Kulturjahr 2010 im Revier gezeigt werden könnten. Die Programmvorschläge reichen von Multimedia-Installationen über Performances bis hin zu internationalen Festivals.
«Die Essener \'Szene\' hat mit den Beiträgen zum Reader einen Ideenfindungsprozess angeschoben, der hoffentlich in allen Städten des Reviers während der nächsten Monate ebenso inspiriert und engagiert geführt werden wird», erklärte der Sprecher des Essener Kulturbeirates, Holger Krüssmann. Der Reader umfasst rund 80 Seiten und beinhaltet nach Ansicht des Essener Kulturdezernenten Oliver Scheytt nur eine «kleine Auswahl der künstlerischen Wünsche und Visionen, die mit der Aussicht auf den Titel der Kulturhauptstadt in Worte und Bilder gefasst wird».
Die Vorlage des Readers erfolgte nur drei Tage vor einem wichtigen Besuch aus Berlin: Am Sonntag kommt eine nationale Jury nach Essen, um sich ein Bild über das Kulturangebot im Revier zu machen. Der Bundesrat will dann im Herbst zwischen zwei und vier Bewerber benennen und der EU vorschlagen. Dabei lässt er sich von der Expertenjury beraten.
Der Träger der Bewerbung im Ruhrgebiet sind der Regionalverband Ruhr (RVR) und die Stadt Essen. Der Bundesrat wird im Herbst 2005 zwischen zwei und vier Bewerber benennen und der EU vorschlagen. Dabei lässt er sich von der Expertenjury beraten. Die endgültige Entscheidung trifft der Europäische Rat dann spätestens Anfang 2006.

Kassel: Kulturhauptstadtjury kommt am Sonntag auch nach Nordhessen
Kassel (ddp-swe). Für Kassel naht die Stunde der Wahrheit: Am Sonntag kommt die Kulturhauptstadt-Jury, die die zehn deutschen Bewerberstädte bewertet, nach Nordhessen. Ihr Votum soll die Grundlage sein für die Entscheidung des Bundesrats im Juni.
Mehr als zwei Jahre lang hat sich Kassel auf diesen Tag vorbereitet. Im Herbst 2002 startete in der nordhessischen Großstadt der Bewerbungsprozess um den Titel «Kulturhauptstadt Europas 2010». Unter dem selbstbewussten Titel «Kassel gewinnt» haben seitdem über 1000 Menschen ihre Ideen eingebracht, auf stolze 184 ist die Zahl der Kulturhauptstadt-Projekte mittlerweile angewachsen. Doch um die Jury am Sonntag davon zu überzeugen, dass Kassel die begehrte Auszeichnung verdient hat, bleiben gerade einmal drei Stunden.
Die Kommission hat für ihre Erkundungsfahrten in die zehn Bewerberstädte - neben Kassel sind noch Braunschweig, Bremen, Essen, Görlitz, Halle, Karlsruhe, Lübeck, Potsdam und Regensburg im Rennen - ein rigides Reglement festgelegt. Wie jede Stadt bekommt auch Kassel nur eine halbe Stunde, um sein Konzept in einem Arbeitsgespräch vorzustellen. Es folgen eine 90-minütige Stadtrundfahrt und eine einstündige «strenge Befragung». Alles im kleinen Kreis: Neben Vertretern der Stadt dürfen lediglich einige wenige handverlesene Fürsprecher wie Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und der Leiter der nächsten Weltkunstschau documenta im Jahre 2007, Roger M. Buergel, dabei sein.
Die siebenköpfige Jury um György Konrad und Adolf Muschg von der Akademie der Künste in Berlin will eine Rangliste der Bewerber erstellen. Über die Kultusministerkonferenz soll sie dem Bundesrat zugeleitet werden, der im Juni entscheidet, welche und wie viele Städte er der Europäischen Union als Kulturhauptstadt 2010 vorschlägt. Als wahrscheinlich gelten zwei bis vier. Um seine Chancen zu erhöhen dazuzugehören, hat Kassel in den vergangenen Wochen noch einmal alle Register gezogen und offensiv für sich geworben - mit spektakulären Veranstaltungen in Berlin und Brüssel etwa und einer achtseitigen Beilage in den Tageszeitungen «Die Welt» und «Berliner Morgenpost».
Im Mittelpunkt stand dabei allerdings nicht mehr der breite stadtgesellschaftliche Aufbruch und die vielen kleinen Projekte, sondern das, was Kassel seine «Weltmarken» nennt: Bergpark und Schloss Wilhelmshöhe, die Gebrüder Grimm und natürlich die documenta. Passend dazu wollte documenta-Geschäftsführer Bernd Leifeld der Stadt am Freitag ein Dokument überreichen, in dem sich alle noch lebenden documenta-Kuratoren für Kassel als Kulturhauptstadt aussprechen. Im März geht zudem ein «documenta-Truck» auf die Reise durchs Land, der mit einer Multimedia-Ausstellung auf das 50-jährige Jubiläum der Weltkunstausstellung sowie auf die Kulturhauptstadt-Bewerbung Kassels aufmerksam machen soll.
Bei den Trägern der kleineren Projekte hat diese Schwerpunktsetzung freilich für Missstimmung gesorgt. Laut Christine Knüppel vom Kasseler Kulturzentrum Schlachthof betrachten es zahlreiche Akteure der Kulturszene mit einem «skeptischen Blick», dass in der Außendarstellung auf die «Leuchttürme» gesetzt worden sei. «Natürlich muss man bundesweit punkten», so Knüppel, «man muss jedoch gleichzeitig den Stadtentwicklungsprozess vor Ort verankern.» Die Projektträger sorgten deshalb dafür, dass der Experten-Jury am Sonntag auch 60 Kulturhauptstadt-Ideen jenseits der «Weltmarken» präsentiert werden - allerdings hat die Kommission dafür gerade einmal zehn Minuten eingeplant.
Reinhart Richter, Kulturhauptstadtberater und als «Innenminister» des Bewerbungsprozesses für die Projekte in Kassel zuständig, versucht zu beschwichtigen: «Der kulturelle Stadtentwicklungsprozess ist für die Jury am Sonntag von großer Bedeutung», meint er. Allerdings ist offen, wie es damit nach dem Kommissionsbesuch weitergehen soll und wer den stadtgesellschaftlichen Aufbruch künftig moderiert. Richters Vertrag mit der Stadt läuft nach seinen Angaben im März aus.
Joachim F. Tornau